„Der Mai ist gekommen“

Wie Lübeck den vergessenen Mai-Dichter bekannter machen will

Der Lübecker Dichter Emanuel Geibel schrieb "Der Mai ist gekommen"
Der Lübecker Dichter Emanuel Geibel schrieb "Der Mai ist gekommen"© epd

30. April 2015 von Timo Teggatz

Lübeck. Zum Tanz in den Mai wird sein berühmtes Lied wieder überall gesungen: Der Lübecker Emanuel Geibel schrieb „Der Mai ist gekommen“. Früher war der Dichter fast so berühmt wie Goethe, heute ist er in Vergessenheit geraten. Zu seinem 200. Geburtstag will Geibels Heimatstadt das ändern.

Der "Tanz in den Mai" in der Nacht zum 1. Mai hat – wie auch in anderen Städten – in Lübeck eine lange Tradition. Auf dem Rathausplatz singt ab 23.30 Uhr der Shantychor "Möwenschiet". Um Mitternacht wird dann Geibels Mai-Lied angestimmt. Erwartet werden mehrere hundert Menschen. Weitere Mai-Veranstaltungen zu Geibel folgen: Beim Geibel-Liederabend in der Reformierten Kirche am 22. Mai wird der neue "Schul-Song" der Lübecker Emanuel-Geibel-Schule vorgestellt. Um seine romantischen Träume vom Wiederaufstieg der mittelalterlichen Hanse geht es am 27. Mai beim Literaturgespräch im Buddenbrookhaus.

Geibel wurde 1815 als Sohn eines reformierten Pastors in Lübeck geboren. Sein eigentliches Geburtsdatum war der 17. Oktober, doch sein Vater verlegte den Geburtstermin auf den 18. Oktober in Erinnerung an den Entscheidungstag der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813. Emanuel Geibel übernahm das geänderte Datum gern.

Kleiner Schwindel beim Geburtsdatum

An seinem Grabmal auf dem Lübecker Burgtor-Friedhof steht ebenfalls 18. Oktober 1815: Die Lübecker wollten ihrem beliebten Stadtdichter damit noch einen letzten Wunsch erfüllen. Auch das heutige Lübeck hat die prominente Geburtstagsfeier auf den 18. Oktober gelegt. Das Programm ist eine bunte Mischung aus wissenschaftlichen Vorträgen, Musik und Diskussion. 

Während seines Studiums in Berlin machte Geibel Bekanntschaft mit den Romantikern. Bettina von Arnim vermittelte dem 23-Jährigen eine Stelle als Hauslehrer in Athen. Später, so wird berichtet, sei er dann oft in griechischer Kleidung mit Fez und Wasserpfeife durch die Lübecker Altstadt spaziert.

Nach seiner Rückkehr aus Athen veröffentlichte er erste romantische Gedichte, die ihn schnell bekannt machten. Er wohnte meist in Lübeck, reiste aber unentwegt durch die Lande und mehrte seinen Ruhm. Er sei das "literarische Idol" seiner Zeit gewesen, sagt Hans Wißkirchen, Direktor der Lübecker Museen.

Wie Geibel polarisierte

Mit 37 Jahren wurde er von Bayerns König Maximilian II. als Professor für deutsche Literatur nach München geholt, was ihm ein Auskommen sicherte und ausreichend Zeit für die Dichtkunst ließ. Doch der Nachfolger König Ludwig II. entließ Geibel 1868, unter anderem weil ein preußischer Adler seinen Gedichtband zierte. Im Gegenzug bewilligte Preußen-König Wilhelm I. ihm eine Rente von 1.000 Talern.

Geibel polarisierte schon zu Lebzeiten. Von den einen wurde er als "Dichterfürst" gelobt, von anderen als "Epigone" abgewertet. Dabei hatte Geibel selbst nicht unbedeutenden Anteil daran, sich als letzter "Dichterfürst" zu inszenieren. Von der literaturwissenschaftlichen Forschung wird er bis heute kaum wahrgenommen.

Doch nicht nur Geibels "Mai-Lied" hat überlebt. Die letzten Zeilen seines Gedichts "Deutschlands Beruf" von 1861 "Und es mag am deutschen Wesen/ Einmal noch die Welt genesen" brachten Geibel in der Nachkriegszeit in Verruf, weil sie von den Nazis als Schlachtruf für ein deutsches Vormachtstreben missbraucht wurden. Dabei war Geibel zwar patriotisch, aber nicht nationalistisch gesinnt. Wie viele Liberale und Demokraten sehnte er sich angesichts der zahllosen Fürstentümer und Grafschaften nach einem deutschen Kaiserreich.

Ausstellung im Buddenbrookhaus

Lübeck plant im Jubiläumsjahr nicht nur, an den vergangenen Ruhm des Ehrenbürgers zu erinnern. Wissenschaftler wollen sich kritisch mit seinem Werk und seiner Wirkungsgeschichte befassen. Diskutiert werden soll unter anderem die Frage, warum Geibel in seiner Zeit so stark polarisiert hat und warum er dann im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend in Vergessenheit geraten ist.

Das Buddenbrookhaus wird im November eine Geibel-Ausstellung eröffnen, die sich mit seinem literarischen Aufstieg und den Kontroversen um seine Person beschäftigt. Die Stadtbibliothek, in deren Bestand sich ein großer Teil des Nachlasses befindet, konzentriert sich in ihrer Ausstellung auf die Musik. Gezeigt werden besondere Stücke aus der Musikaliensammlung und wertvolle Drucke mit Vertonungen von Geibels Lyrik.

Geibel starb am 6. April 1884 in Lübeck, das ihn 1868 zum Ehrenbürger ernannt hatte. Das Begräbnis glich einem Staatsakt. Schon fünf Jahre nach seinem Tod stellte die Stadt an einem prominenten Platz neben der St. Jakobi-Kirche ein Denkmal auf. Doch die Nazis verbannten das Denkmal des Dichters 1936 trotz dessen Gesinnung auf einen kleinen Platz hinter der Jakobi-Kirche, wo es heute noch steht. Der "Geibelplatz" heißt seitdem "Koberg".

„Der Mai ist gekommen“

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus

Da bleibe wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus;

Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt

So steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.

 

Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt'!

Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht!

Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert,

Es gibt so manchen Wein, den nimmer ich probiert.

 

Frischauf drum, frischauf im hellen Sonnenstrahl

Wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal!

Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all,

Mein Herz ist wie ne Lerche und stimmt ein mit Schall.

 

Und abends im Städtlein, da kehr ich durstig ein;

"Herr Wirt, Herr Wirt, ne Kanne blanken Wein!

Ergreife die Fidel, du lustiger Spielmann du,

Von meinem Schatz das Liedel das singe ich dazu."

 

Und find ich keine Herberg, so liege ich zur Nacht

Wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten wacht;

lm Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach,

Es küsset in der Früh das Morgenrot mich wach.

 

0 Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust!

Da wehet Gottes Odem so frisch in die Brust,

Da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt

Wie bist du doch so schön, du weite, weite Welt.

 

Die Melodie stammt von Justus Wilhelm Lyra (1822-1886). Lyra war Pastor in Bad Bevensen in der Lüneburger Heide und wurde bekannt durch sein musisches Werk. Vor allem während seiner Studienzeit schrieb Lyra eine Reihe von Liedern mit volkstümlichem Charakter.

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