Anna, Kirchenbotschafterin im Netz
07. September 2018
Im Netz wird viel kommuniziert, auch über Gott. Dort, wo das in Foren passiert, mischen sich derzeit sechs ehrenamtliche Kirchenbotschafterinnen und -botschafter ein und diskutieren digital mit. Eine von ihnen ist Anna. Sie erzählt im Interview, was es bedeutet, von ihrem Glauben im Internet zu sprechen.
Kirchenbotschafterin sein – was bedeutet das eigentlich genau?
Man mischt sich in Themen ein. Das ist ein bisschen wie an der Käsetheke im Supermarkt: Man bekommt ein Gespräch mit und klinkt sich ein – in diesem Fall, im Netz in religiöse oder spirituelle Gespräche. Dabei bekomme ich von einem Team Unterstützung: Die Themen-Fundstellen suchen sie und bieten sie mir an. Ich schaue dann, ob mir das Thema liegt oder nicht. Wenn ja, dann klicke ich mich da rein und gebe sozusagen meinen Senf dazu. Das heißt ich schreibe als Kirchenbotschafterin, aber aus meiner Sicht, aus meiner Überzeugung.
Wie zum Beispiel über Fußball, wie Sie im Kirchenbotschafter-Blog schreiben. Wie kam es dazu?
Bei dem Fußball-Thema im Werder-Bremen-Fan-Forum postete tatsächlich jemand eine religiöse Eingangsfrage, obwohl dort eigentlich ein weltliches Publikum unterwegs ist. Der Thread hieß „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Viele hatten dazu schon ihre Meinung kundgetan und ich dachte, jetzt gehst du noch mal ein Schritt zurück und fragst, was der Glaube ganz persönlich für das eigene Leben bedeutet. Denn es geht ja auch darum, eine Haltung zu entwickeln und Gespräche ein Stück weit zu steuern.
Und dann kam die Diskussion noch einmal richtig in Fahrt…
Ja. Ich habe dann zum Beispiel von der Tiefe erzählt, die mein christlicher Glaube mir gibt, wenn ich intensive musikalische Erlebnisse im Gottesdienst habe – und dass ich die vielleicht als Christin so empfinden kann, als Atheist vielleicht nicht. Obwohl ich das im Konjunktiv geschrieben hatte, gab es da gleich ganz viel Widerstand. Mir war im ersten Moment gar nicht bewusst gewesen, dass mit so einer Äußerung gleich so eine Polarisierung aufgemacht wird. Mir wurde vorgeworfen, dass ich keine Ahnung hätte. Da gab es dann Beleidigungen, Mutmaßungen, aber auch Unterstützungen. Es gab massenhaft Posts.
Haben Sie die Beleidigungen getroffen?
Nein, in dem Fall gar nicht. Mich hat das eher gefreut, weil da eine Dynamik entstanden ist, die ich in anderen Dialogen noch nicht so erlebt habe. Ich sehe das eher als Herausforderung oder Grund, darüber noch einmal nachzudenken und zu sagen: „Vielleicht habe ich über bestimmte Formulierungen nicht gründlich genug nachgedacht?“
Ich bin keine total erfahrene Foren-Userin, ich habe vorher so etwas nie gemacht und der Jargon, der dort herrscht, war mir zum Teil auch ganz neu. Aber wir besprechen so etwas auch in unserer Kirchenbotschafter-Gruppe. Ich habe da eine motivierende Gemeinschaft gefunden. Es ist so eine Mischung aus: Man unterhält sich digital, aber hat auch analoge Treffen. Das ist viel lebendiger als ich dachte.
Warum war es Ihnen überhaupt wichtig, bei so einem Projekt mitzuwirken?
Es ist ein Projekt, das unglaublich dynamisch und ergebnisoffen ist und viel Potenzial hat - sowas gefällt mir. Mir gefällt auch, dass so ein projekt aus der Nordkirche kommt. Ich hatte mich jetzt schon länger gefragt, wie ich mich ehrenamtlich wieder engagieren kann. Die Kinder sind größer, ich habe für solche Themen wieder mehr Zeit. Allerdings auch nicht so viel Zeit, dass ich in meinem Gemeindeleben aktiv abends Sitzungen machen oder Basare organisieren kann, was eben in analogen Kirchengemeinden so möglich ist. Und durch diese Art von Dialogen kann ich auch über meinen Glauben wieder neu nachdenken und auch überprüfen, was es mir eigentlich bedeutet. Ich habe Spaß daran, zu erzählen, dass es mir gut tut, Christin zu sein, dass es mir eine Tiefe gibt in vielen Bereichen.
Aber es gibt ja auch Bereiche im Netz, wo das nicht so einfach ist, oder?
Ja, es gibt es noch diese Themen, wo es richtig zur Sache geht. Die einen richtig aufwühlen, weil es in den Kommentaren menschenverachtend oder rassistisch wird; die einen so wütend machen, dass man sich einmischen muss.
Das sagen ja auch viele engagierte Journalisten: Wenn man jemanden in der U-Bahn trifft, der dummes Zeug von sich gibt, dann muss man auch mal aufstehen und etwas sagen. Aber das muss geübt sein. Das ist gar nicht so einfach. Und deshalb ist das Kirchenbotschafterprojekt für mich auch eine Übung, Haltung zu beziehen.
Das heißt, es sollten sich Ihrer Meinung nach viel mehr Menschen im Netz engagieren und bei solchen Themen Haltung beziehen?
Ja. Es ist ganz wichtig. Das sind Denkübungen und die Gedanken werden beim Schreiben motorisch umgesetzt. Das wäre meine Mission als Kirchenbotschafterin – dafür zu werben, dass mehr Menschenn Haltung üben und das zu verschriftlichen.
Dann würden viele Dinge im Netz ganz anders dastehen. Das macht Kirche analog schon ganz viel, aber digital eben noch nicht so viel.
Haben Sie manchmal auch Angst mit dieser Verantwortung etwas Falsches zu schreiben?
Gar nicht - ganz im Gegenteil. Ich denke eher manchmal: „Jetzt hätte ich es noch überspitzter formulieren können.“ Wie an einem lustigen Abend, wo man mal Lust hat, etwas Provozierendes zu sagen, um auch zu sehen, wie es zurückkommt, um daran ja auch etwas zu extrapolieren.
Vielleicht könnte man sich da manchmal noch mehr trauen – ohne zu beleidigen natürlich. Und wenn mal etwas falsch ankommt, gibt es ja den Dialog. Man kann jederzeit wieder ins Forum gehen und erklären, warum man etwas gesagt hat, wie man es gesagt hat.