Adventsempfang der Nordkirche in Hamburg

Bischöfin Fehrs: Zukunft gelingt denen, die sich mit der Vielfalt befreunden

Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs und die drei Kinderbischöfe Rike Sonnenberg, Connor Slupkowski und Kira Hoffmann
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs und die drei Kinderbischöfe Rike Sonnenberg, Connor Slupkowski und Kira Hoffmann © Nora Berries, Thomas Peters Fotografie

11. Dezember 2019 von Susanne Gerbsch

Hamburg. Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, empfing heute beim Adventsempfang der Nordkirche rund 500 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Medien, Sport und Gesellschaft, unter ihnen Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, der Erste Vizepräses der Hamburgischen Bürgerschaft Dietrich Wersich, Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard, Finanzsenator Dr. Andreas Dressel sowie Erzbischof Dr. Stefan Heße.

Ulrike Hillmann, Präses der Landessynode der Nordkirche, erinnerte in ihrer Begrüßung an die vielen Wohnungslosen in Hamburg: „Für viele Obdachlose ist das Leben im Winter – selbst im Advent – ein Überlebenskampf.“ Hilfe bieten der „Mitternachtsbus“ vom Diakonischen Werk Hamburg mit heißen Getränken und Decken oder ein Wohncontainer wie er in vielen Hamburger Kirchengemeinden steht. Diese und ähnliche Projekte anderer Träger freuen sich über jede Unterstützung“, so die Präses. „Advent ist die Zeit des Hinsehens und Zuhörens, die Zeit des Teilens und Gebens.“

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Die diesjährigen Hamburger Kinderbischöfinnen und der Kinderbischof der Wichernschule am Rauhen Haus waren in diesem Jahr anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums eingeladen. Sie wiesen in ihrer Grußbotschaft auf die UN-Kinderrechtskonvention hin, mit deren Ausführungen zu Gedanken-, Gewissens- und Religions- bzw. Glaubensfreiheit sie sich in diesem Jahr beschäftigten. „Genau das ist unser Thema: Frei. Glauben. Denken. Im Religionsunterricht funktioniert es schon sehr gut, uns gegenseitig kennenzulernen, zu sehen, was den anderen wichtig ist.“

In ihrer anschließenden Adventsansprache unterstrich Bischöfin Fehrs, wie wichtig Dialog und insbesondere Begegnung mit Menschen anderer Religionsgemeinschaften für einen Weg des Friedens sei. „Das bedeutet heute auch in Deutschland und in unserer Stadt ein Eintreten gegen Gewalt, gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus“, so die Bischöfin. Fehrs berichtete von der gemeinsamen Pilgerreise des Interreligiösen Forums Hamburg in der vergangenen Woche nach Jerusalem, an der sich 14 Vertreterinnen und Vertreter Hamburger Religionsgemeinschaften beteiligten.

Bischöfin Fehrs: „Das war schon ein besonderes Experiment. Interreligiöser Dialog von morgens bis abends. Vorneweg unser Reiseleiter Landesrabbiner Shlomo Bistritzky, dann eine Muslima vom Schura-Vorstand samt erwachsenem Sohn, eine evangelische Bischöfin, Aleviten, ein Buddhist, ein Bahai, ein methodistischer Pastor und noch ein paar Evangelische. Fast die ganze Welt der Religionen war auf der Reise hin zu den Quellen ihres Glaubens. In Jerusalem, das die Juden Jeruschalajim nennen und die Muslime „Al Quds“, „die Heilige“. Und wir haben gelernt: Man muss sich riskieren, muss an die gedanklichen Grenzen, an die völkerverstörenden Zäune gehen, um sie zu überwinden. Wie sagte nach all den tiefen Erfahrungen und kilometerweiten Wegen ein Alevit so treffend: Die Füße schmerzen, aber das Herz wird weit.“

Die Bischöfin beschrieb die viertägige Reise als komprimierten interreligiösen Dialog. „Das bedeutet ganz klar: Dialog will nicht die Einebnung der Unterschiede. Vielmehr will er genau das andere: die Erfahrung der Andersartigkeit. So ist es gerade nicht Ziel des Dialogs, gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Gerade nicht nach dem Motto: Wir glauben doch sowieso alle irgendwie an dasselbe. Vielmehr beginnt die gegenseitige Achtung, ja die Nähe, wenn ich die Tradition und Glaubensäußerung der anderen stehen lassen, sie sogar schön finden kann.“

Zu einem gelungen Dialog gehöre auch eine belastbare Diskussionskultur, so Fehrs.

„Wir können uns herzlich streiten. Über den Nahostkonflikt ebenso, wie über die Rolle der Frau in den Religionen. Die positive Erfahrung in dieser Gruppe: Wir tun es zivil, freundlich, achtsam, nicht ohne Humor. Wir haben gelernt: Es braucht dazu den Kontakt, den Blick in die Augen, am besten an einem Tisch mit Falafeln und Minztee. Eine solche Streitkultur funktioniert nicht über die sozialen Medien. Da fehlen die Zwischentöne, die beruhigenden Gesten, die Wahrnehmung des anderen als komplexes Menschenwesen und nicht nur als eindimensionale Meinungsäußerung.“

Die Bischöfin beschrieb, wie sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Reisegruppe in Jerusalem näher gekommen sind: „Jeden Abend haben wir noch lange zusammengesessen und diskutiert. Wir lernten die Gebetspraxis der anderen kennen, ihre Familientraditionen, ihre Diskriminierungserlebnisse, ihre Hoffnungen.“

Zum Dialog gehöre auch, gemeinsam schweigen zu können, dies habe sich besonders beim gemeinsamen Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gezeigt.

Die Bischöfin betonte außerdem, die Bedeutung der Staatsverträge, die die Freie und Hansestadt Hamburg mit Religionsgemeinschaften geschlossen hat. „Ich bin fest davon überzeugt, dass den Ländern und Gesellschaften die Zukunft gehört, denen es am besten gelingt, sich mit der Vielfalt zu befreunden. In Hamburg haben wir da schon einiges erreicht, nicht zuletzt durch die Staatsverträge mit Kirchen, Jüdischer Gemeinde, muslimischen Verbänden und alevitischer Gemeinde. Diese Verträge haben sich bewährt, sie sollten daher unbedingt erhalten und konstruktiv weiterentwickelt werden.“

Die frühe Förderung der Dialogbereitschaft ist laut Fehrs auch über Bildung möglich. „Toleranz und Dialog sind Grundwerte unserer Gesellschaft und damit Querschnittsthemen in der gesamten Schulzeit. Und sie haben ihren Platz auch im Religionsunterricht. Ich bin daher sehr froh, dass es uns gelungen ist, den besonderen interreligiösen Religionsunterricht hier in Hamburg gemeinsam mit der Schulbehörde weiterzuentwickeln. Die religiöse Vielfalt hat enorm zugenommen. Deshalb haben wir als evangelische Kirche schon in den 80er Jahren damit begonnen, andere Religionsgemeinschaften informell an der inhaltlichen Gestaltung des Faches zu beteiligen. Wir fanden damals und bekräftigen es auch heute, dass der Dialog der Religionen schon in der Schule eingeübt werden muss. Das dialogische Prinzip ermöglicht dabei, dass die Kinder im Klassenverband beisammen bleiben und der nicht in viele Religionsunterrichte zerfällt. So erleben sie Religion nicht als etwas Trennendes, sondern als etwas, über das man miteinander diskutieren kann.“

Mit musikalischer Unterstützung der Mittelholsteinischen Weltkapelle schloss Bischöfin Fehrs: „Als Religionsgemeinschaften müssen wir immer wieder darüber nachdenken, wie wir etwas gemeinsam für das Wohl der Stadt tun können. Wie wir uns gegen religiöse Diskriminierung, gegen Antisemitismus genauso wie Islamfeindlichkeit stellen können, wie wir gemeinsam Flüchtlingen helfen oder wie wir uns zusammen für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. All das geschieht punktuell bereits in unserer Stadt, im Interreligiösen Forum, in Stadtteilen wie Steilshoop, St. Georg, St. Pauli, Blankenese oder Harburg. Oder auch im interreligiösen Jugenddialog „Young Visions“. Wir müssen unbedingt offensiver erzählen, was da alles gelingt, um jenen entgegenzuwirken, die lieber von Abgrenzung reden. Als Christinnen und Christen denken wir adventlich. Von dem her, der kommen will. Das Zukünftige bestimmt unsere Gegenwart - nicht umgekehrt.“

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