„Der Weg ins Leben führt über die Liebe zu jedem Menschen“
20. Mai 2016
Kiel. „Kirche, Gemeinde, die Gemeinschaft von Christen ist eines nicht: Selbstzweck. Wir sollen Mitarbeitende Christi sein.“ Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), hat heute (20. Mai) bei seiner Opernpredigt in der Kieler Citykirche St. Ansgar für eine Besinnung auf christliche Werte geworben. „Nehmt nicht hin, was das Leben bedroht. Nehmt nicht hin, dass Menschen auf die Flucht gehen müssen, weil der Tod das Einzige scheint, das ihnen blüht! Lasst aufblühen das Leben für alle an allen Orten, unabhängig von Hautfarbe, Herkommen, Religion, Glaube, Zweifel, Können, Versagen“, ermutigte Ulrich die Zuhörer von „OPERN:KIRCHE“. Citykirche-Pastor Matthias Viertel lädt bereits in der fünften Saison zu dieser Veranstaltungsreihe in Kooperation mit dem Opernhaus Kiel ein.
In seinen theologischen Anmerkungen zum Thema "Wie der Tod durch die Liebe besiegt wird" setzte sich Ulrich mit der Oper "Orpheus und Eurydike" von Christoph Willibald Gluck auseinander. Pastor Matthias Viertel: "In den meisten Opern geht es immer wieder um Fragen des gelebten Glaubens." In der Opernkirche kommen Theologen, Theatermacher und Musiker vor dem Hintergrund aktueller Inszenierungen miteinander ins Gespräch. Dabei arbeite die Opernkirche auch mit Elementen des Gottesdienstes, wenn beispielsweise ein Teil der jeweiligen Oper als Gemeindelied gemeinsam gesungen werde, so Viertel weiter.
Zweikampf zwischen Liebe und Tod auch im Evangelium
Leitmotiv des 1762 in Wien uraufgeführten Werkes "Orpheus und Eurydike" ist der Zweikampf zwischen Liebe und Tod. Im Mittelpunkt steht der griechische Mythos vom Sänger Orpheus, der mit der Schönheit seines Gesangs nicht nur alle Lebewesen fesselt, sondern sogar Hades und Persephone, die Herrscher der Unterwelt, beeindruckt: Gerührt von Orpheus' Liebe zu Eurydike, die nach einem tödlichen Schlangenbiss in die Unterwelt hinabsteigen musste, erlauben sie Orpheus, Eurydike zurückzuführen in die Welt der Lebenden. Unter einer Bedingung: Orpheus dürfe sich nicht nach Eurydike umsehen. In der antiken Tragödie dreht Orpheus sich um und verliert die Geliebte endgültig an den Tod. In der Oper von Christoph Willibald Gluck jedoch nimmt die Geschichte ein gutes Ende mit Hilfe von Liebesgott Amor, der die zerstrittenen Liebenden versöhnt.
Der Zweikampf zwischen Leben und Tod finde sich auch im Evangelium, erinnerte Landesbischof Ulrich: "Die ganze Menschheit, nicht bloß Eurydike, erleidet das Todesschicksal." Und: "Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir diese dramatische Geschichte Jesus Christi: 'gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten'.
Einen entscheidenden Unterschied gebe es jedoch zwischen dem griechischen und dem Christus-Orpheus. Ulrich: "Christus schaut sich nicht um. Blickt nicht zurück. 'Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückgeschaut, taugt für das Reich Gottes', - das sagt er nach dem Evangelisten Lukas (9,62). Das geht nicht zusammen mit seinem Weg und auch nicht mit dem Weg der Nachfolge. Unbeirrbar und voll Liebe zu uns pflügt er den Weg der Erlösung. Geht rück - sichts - los den Weg des Gottessohns: Wird Mensch. Leidet. Stirbt. Steigt hinab in das Reich des Todes. Bricht dessen Macht über die Menschheit. Führt als Christus Eurydike, seine geliebte Menschheit, zurück in das Leben." Ein Liebesdienst Gottes an den Menschen, um sie an die Grenzen ihrer Absolutheitsansprüche zu erinnern.
Landesbischof Ulrich: Freiheit ist nur mit Verantwortung und Bindung zu denken
"Das ist unsere Hybris: dieser Wahn, alles zu wissen, zu können, zu beherrschen - das gibt uns der Vergänglichkeit preis. Unsere Sucht: statt als Gottes geliebte Kinder zu leben, wollen wir sein wie er", mahnt Ulrich. "Der Tod ist nicht nur der Sünde Sold, sagt das Neue Testament. Er beginnt hier und jetzt, wenn ich anfange, eigenmächtig aus mir zu sein, losgelöst von Gott zu existieren." Dafür stehe heutzutage ein Begriff von Freiheit, der sich von jeder Verantwortung und Bindung lossage, so Ulrich weiter.
Doch genau diese Verantwortung und Bindung sei die Voraussetzung für wahre Freiheit. Landesbischof Ulrich: "Der Weg aus dem Todesreich: er führt über die Liebe zu jedem Menschen, über die Unantastbarkeit der Würde jedes und jeder Einzelnen. Alle sollen Teil haben an der Fülle des Lebens. Wo jeder bekommt, was er wirklich braucht: Friede und Gemeinschaft, Brot und Freiheit. Leben in Fülle - das beginnt schon heute im Kleinen."
Gerhard Ulrich ist Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).
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