Die Schätze hinter den Türen
09. Juni 2017
Sie sind eine kleine Sensation: Einblattdrucke, rund 400 Jahre alt, die hinter kleinen Türen versteckt, teilweise in Privatbesitz waren oder schlicht in Vergessenheit gerieten. Bis zum 17. Juli 2017 sind sie unter dem Titel „Die Macht der Bilder oder Ökumene des Volkes“ in drei Zelten in der Kirche St. Jakobi in Lübeck zu sehen.
Am Sonnabend (10. Juni) eröffnen Björn Engholm, Ministerpräsident a. D., und der Germanist Prof. Dr. Michael Schilling um 17 Uhr die Ausstellung. Die Einblattdrucke zeigen, dass die Reformation die religiöse Praxis im Alltag des gemeinen Volkes nicht mit einem Schlag veränderte. So galt Maria auch in protestantischer Zeit habe weiterhin als Stadtheilige Lübecks.
Hinter den Türen in St. Jacobi versteckt sich etwas
Stephanie Schipper drehte vor fast genau einem Jahr den Schlüssel im Schloss - und es machte „klack“. „Es war eine der letzten Türen des Kastengestühls in St. Jakobi, das ich drei Monate lang restaurierte“, erinnert sich Holzrestauratorin. Aus ihrem reichen Fundus an Schlüsseln, den sie sich über die Jahre zulegte, war tatsächlich einer dabei, der den Schatz in dem Gesang- und Gebetsbuchschrank barg: eine Mariendarstellung, befestigt mit einem Lederbändchen an der Innenseite der Tür, „Wir ahnten schon, dass sich hinter den meist vernagelten Türen etwas versteckt“, so Pastor Lutz Jedeck. Die Neugier war dann doch zu groß, um es nicht zu versuchen. „Und wir entdeckten eine weitere Tür, die lediglich verschraubt war und sich öffnen ließ“, so Schipper.
Einblattdrucke aus dem 17. Jahrhundert
Dieser Fund gab den Anstoß, sich näher mit den Einblattdrucken aus dem 17. Jahrhundert zu befassen. Es kam zutage, dass im St. Annen-Museum rund 30 Originale aus dem Gestühl lagerten. „Ein Glücksfall“, sagt Jedeck. „Man geht davon aus, dass sie um 1870 herausgenommen, in das Museum gebracht wurden und dort in Vergessenheit gerieten“.
In der Weihnachtszeit meldete sich Sabine Hauschild, die von der Illumination der Einblattdrucke an der Kirchenwand in der Zeitung las. „Als Jugendliche sang ich im Kirchenchor. Es muss so 1956 oder 1957 gewesen sein, als das alte Gestühl herausgerissen und durch neues ersetzt wurde. In einer Ecke lag der Bretterhaufen - inklusive der christlichen Malereien auf den Türen. Alles sollte fortgeschafft werden - oder verbrannt. Ich fragte den Küster, ob ich welche mitnehmen durfte - und trug drei der Drucke nach Hause in die Moltkestraße“, erzählt sie. Dort, und in ihren weiteren Stationen in München, Hannover, Osnabrück und später wieder Lübeck bildeten die drei Drucke, die von der Kreuzigung, dem Leben Jesu und der Heiligen Familie erzählen, einen ganz eigenen Hausaltar. „Ich freue mich, dass ihnen nun die Aufmerksamkeit zu Teil wird, die ihnen gebührt“.
Die Kunst versteckt sich hinter jeden zweiten bis dritten Tür
Die Einblattdrucke werden größtenteils in das zweite Viertel des 17. Jahrhunderts datiert. Viele der Blätter stammen aus der Werkstatt des Briefmalers Jürgen Creutzberger (gestorben um 1645), der 1593 das Lübecker Bürgerrecht erwarb. Die Mariendarstellung ist ein handkolorierter Einblattdruck aus der Barockzeit, die meist in dreistelligen Auflagen gedruckt wurden und unkoloriert auch für einfache Handwerker erschwinglich waren. Das ist aus Lumpen gemacht, so genanntes Hadernpapier. Die Farben sind aus Naturmaterialien.
Rund 70 Spinde gibt es im Kirchengestühl. „Wir vermuten, dass sich hinter jeder zweiten bis dritten Tür eine Malerei verbirgt“, sagt Lutz Jedeck. Das werde das nächste Projekt: per Endoskop und kleiner Kamera auf der Suche nach weiteren Schätzen durch jedes Schlüsselloch zu schauen.
Info
Die Ausstellung „Die Macht der Bilder oder Ökumene des Volkes“ kann bis zum 17. Juli 2017 täglich zu den Öffnungszeiten der Kirche (10 bis 18 Uhr) besichtigt werden. Die historischen Objekte sind zum Schutz vor dem Tageslicht in schwarzen Zelten in Glasvitrinen aufgebaut.