Erklärung zur Flüchtlingspolitik: Individuelles Recht auf Asyl ausgehöhlt
15. Dezember 2015
Schwerin. Die Erste Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) hat auf ihrer jüngsten Sitzung eine Erklärung zur Flüchtlingspolitik beschlossen. Sie anerkennt die politischen Bemühungen, sieht „die beschlossenen und derzeit geplanten Gesetzesänderungen im deutschen Asylrecht allerdings mit großer Sorge“, heißt es in dem Papier, das an die 156 Mitglieder der Landessynode in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern verschickt wurde.
Das ursprüngliche Ziel der politisch Verantwortlichen, ein beschleunigtes Verfahren zu ermöglichen, werde nicht erreicht, heißt es in dem von Landesbischof Gerhard Ulrich als Erstem Vorsitzenden der Kirchenleitung unterschriebenen Schreiben weiter. Stattdessen höhlten diese Maßnahmen das individuelle Recht auf Asyl aus. Etliche Neuerungen im Asylrecht verstoßen nach Ansicht der Ersten Kirchenleitung gegen Grundrechte.
Weiter heißt es in der Erklärung: „Für geradezu unmenschlich hält die Erste Kirchenleitung, dass Abschiebungen nach Ablauf der Ausreisepflicht nicht mehr angekündigt werden dürfen. Dies wird vermehrt zu nächtlichen Abschiebungen führen. Für die betroffenen Menschen bedeutet dies eine ständige Angst und Unsicherheit, mitunter über Jahre.“ Im Namen der Ersten Kirchenleitung appelliert Landesbischof Ulrich an die politisch Verantwortlichen, „ihren Bemühungen um Schutz und Integration geflüchteter Menschen auch in der Gesetzgebung Ausdruck zu verleihen“.
Die Erklärung im Wortlaut:
Die Erste Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) anerkennt die politischen Bemühungen, sich den Herausforderungen des Schutzes und der Integration der großen Zahl nach Deutschland geflüchteter Menschen zu stellen. „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ (3. Mose, 19.34)
Die Erste Kirchenleitung sieht die beschlossenen und derzeit geplanten Gesetzesänderungen im deutschen Asylrecht allerdings mit großer Sorge. Deren vorrangiges Ziel – die Beschleunigung der Verfahren – wird nicht erreicht. Vielmehr höhlen diese Maßnahmen das individuelle Asylrecht aus und verschlechtern die Rechtsstellung insbesondere für Asylsuchende aus den sogenannten sicheren Herkunftsländern erheblich. Zudem verstoßen nach Ansicht der Ersten Kirchenleitung etliche der Neuregelungen gegen Grundrechte. So wird der Familiennachzug deutlich erschwert, und die Leistungen werden zum Teil unter das vom Bundesverfassungsgericht definierte Existenzminimum gesenkt. Für geradezu unmenschlich hält die Erste Kirchenleitung, dass Abschiebungen nach Ablauf der Ausreisepflicht nicht mehr angekündigt werden dürfen. Dies wird vermehrt zu nächtlichen Abschiebungen führen. Für die betroffenen Menschen bedeutet dies eine ständige Angst und Unsicherheit, mitunter über Jahre.
Die Erste Kirchenleitung appelliert an die politisch Verantwortlichen, ihren Bemühungen um Schutz und Integration geflüchteter Menschen auch in der Gesetzgebung Ausdruck zu verleihen.