8. Mai 2021 | Evangelische Stiftung Alsterdorf, an der "Stolperschwelle"

Gedenken am 8. Mai 2021

08. Mai 2021 von Kirsten Fehrs

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist eben nicht allein ein Stolperstein. Es ist eine Stolper-Schwelle, die uns das ungeheuerliche Ausmaß des Schreckens vor Augen führt und an die Schwelle der Vorstellungskraft bringt. Aushaltbar letztlich nur, weil wir uns heute und hier vereint sehen in dem Glauben an einen Gott, der unerschütterlich festhält an der Würde eines jeden Menschen, ja aller Menschen, die entrechtet, verletzt und getötet werden. Der Gott, auf den wir hoffen, ermutigt zu Versöhnung und Neuanfang. Der Gott, mit dem wir lieben, steht zu seiner Menschenfreundlichkeit, auch und gerade wenn sie mit Füßen getreten wird.

Diese Zuversicht lässt hier und heute dem ins Auge blicken, was eigentlich nicht auszuhalten ist: Unfassbar bleibt die abgründige Grausamkeit ausgerechnet hier in Alsterdorf, wo man sich doch den Schutz und die Pflege behinderter Menschen zum Ziel gesetzt hatte! Und auch mehr als 80 Jahre später ist die ideologische Vergiftung ausgerechnet einer christlichen Einrichtung durch den Ungeist des Nationalsozialismus unerträglich.

Leben, das „lebensunwert“ genannt wurde. Menschen, die ausgeschlossen und zur Vernichtung freigegeben wurden. Nur wer gesund ist, sollte Kinder zeugen dürfen – all das ein Irrsinn und moralische Bankrotterklärung!

Noch unbegreiflicher aber finde ich: Wie konnten so viele christlich erzogene, zum Teil tief gläubige Menschen diese menschenverachtende Ideologie unterstützen, ja, sich zu eigen machen? Schwestern und Pfleger, Ärzte und Pastoren haben es nicht nur zugelassen, sondern aktiv daran mitgewirkt, dass die ihnen anvertrauten Menschen wie Vieh verladen und in Arbeits- und Vernichtungslager abtransportiert wurden. Und das in einer Einrichtung, deren Gründungsgeist Heinrich Sengelmann so treffend beschrieben hatte: „Wir haben es nicht mit ‚Fällen‘ zu thun, sondern mit Mitmenschen, in denen auch eine Seele wohnt.“ Menschen eben mit unantastbarer Würde. Auf dem Weg in die Vernichtungslager bekamen sie ein Schreiben mit: „Wir bitten bei einem eventuellen Ableben des Patienten um Zusendung des Gehirns für unsere Sammlung.“

Das Herz stolpert – was für ein Abgrund! Und es bleibt nur die Bitte: Mögen die Betroffenen und ihre Angehörigen, möge die Welt und möge Gott es seiner Kirche verzeihen, dass sie in entscheidender Stunde so dermaßen versagt und so unendlich viel Schuld auf sich geladen hat. Dass sie nicht klarer Christus bekannt und deutlicher widerstanden und inniger gegen diese Menschenfeindlichkeit angeliebt hat. Lasst uns nicht aufhören, daran zu erinnern.

Sondern: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ Dieses Bibelwort hat Heinrich Sengelmann viel bedeutet. Dem ist er gefolgt und dem folgen auch wir heute. Indem wir erinnern: an die Menschen, die in Alsterdorf ihrer Würde beraubt und um ihr Leben gebracht wurden. Und indem wir erinnern an Gottes Geist, der dem Ungeist jeder Menschenverachtung widerspricht und uns dafür in Verantwortung nimmt. Immer. Dazu helfe uns Gott.

Datum
08.05.2021
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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