"Kirche der Stille" feiert zehnjähriges Bestehen
19. Februar 2019
Sie war als Experiment gestartet, inzwischen hat sie jährlich mehr als 16.000 Besucher. Jetzt feiert die Kirche der Stille in Hamburg-Altona ihr zehnjähriges Bestehen.
Vor zehn Jahren drohte der schmucken neugotischen Christophorus-Kirche der Verkauf. Der Gottesdienstbesuch war gering, und die Kirchengemeinde Altona-Ost hatte mit der Friedenskirche und der Kulturkirche St. Johannis zwei repräsentative Gotteshäuser. Doch Gemeindepastorin Irmgard Nauck (61) wollte nicht tatenlos zusehen und entwickelte mit einem Team das Konzept für eine Meditationskirche. Nicht Predigt und Lesungen sollten im Mittelpunkt stehen, sondern meditative Andachten, in denen viel gesungen und geschwiegen wird.
Handauflegen, Herzensgebet und Kontemplation
Zum zehnjährigen Jubiläum feiert die Kirche der Stille (Helenenstraße 14A, 22765 Hamburg) eine Woche mit einem vielseitigen Programm.
Kirchenbänke, Kanzel und Altar wurden entfernt, und ein heller, weiter Raum mit Sitzkissen und Stoffmatten entstand. Aus der Christopherus-Kirche wurde die "Kirche der Stille", die bundesweit einzigartig ist. Hier zählen Handauflegen, Kontemplation, Zen und das Herzensgebet zu den spirituellen Angeboten. An Werktagen beginnt um 18 Uhr eine halbstündige "Atempause vor dem Abend". Schulklassen entdecken in besonderen Angeboten die Stille als große Herausforderung. Allein, dass die Jugendlichen ihr Handy abschalten müssen, ist für viele schon befremdlich.

Innerlich zur Ruhe kommen
Mit ihrem Konzept knüpft die "Kirche der Stille" an die christliche Mystik an, wie sie Meister Eckhart oder Teresa von Avila gelehrt haben. Die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers und des eigenen Atems hilft, innerlich zur Ruhe zu kommen. Vielen Menschen falle es schwer, einfach still zu sein, hat Pastorin Nauck beobachtet. "Manche fühlen eine Riesentraurigkeit." Doch oft entdeckten sie in diesem inneren Dunkel einen Grund, der ihr Leben trägt. Es ist ihr ein "Herzensanliegen", Menschen auf diesem Weg zu begleiten.
Offener Raum für Menschen, die auf der Suche sind
Pastorin Melanie Kirschstein (58), die seit zwei Jahren an der "Kirche der Stille" tätig ist, fasziniert vor allem die spirituelle Weite. Die Kirche biete einen "offenen Raum" für Menschen, die auf der Suche seien. Die Stille eröffne neue Formen des Gebets. So sei die Zen-Meditation ursprünglich eine buddhistische Meditationsform, die aber auch Christen eine innere Einkehr ermögliche. Vielen Menschen falle es schwer, die Stille auszuhalten. "Stille ist nichts für Feiglinge." So bieten die beiden Pastorinnen auch seelsorgliche Gespräche zu Lebenskrisen an.
Sehnsucht nach "Heil und Heilung"
Das Publikum sei etwas jünger als in den Ortsgemeinden, hat Kirschstein beobachtet. Es würden evangelische und katholische Christen kommen, aber auch Nicht-Religiöse, Buddhisten und Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind. "Sie alle suchen etwas, was sie im Innersten berührt." Es gebe in der heutigen Zeit eine tiefe Sehnsucht "nach Heil und Heilung". Die christliche Tradition biete viele verborgene Schätze, die es zu entdecken gelte.