Landessynode beschließt Erprobung neuer Grundlinien kirchlichen Handelns
16. November 2019
Lübeck-Travemünde. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) will neue Wege bei Taufen, Abendmahl, Konfirmationen, Eheschließungen und Bestattungen erproben. Eine entsprechende dreijährige Erprobungsphase beginnt am 1. Januar 2020. Das hat die Landessynode heute (16. November) auf ihrer Tagung in Lübeck-Travemünde beschlossen.
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt hatte bereits gestern bei ihrer Einbringung als Vorsitzende der Kirchenleitung daran erinnert, was Menschen bei Taufe und Abendmahl, bei Konfirmationen, Trauungen und Trauerfeiern erleben: „An einem wichtigen Punkt im Leben wird etwas spürbar davon, vom Grund allen Lebens, von Gott selbst gehalten, geborgen, begleitet zu sein. Menschen erleben, dass sie nicht alleine sind, wenn ein neuer Schritt getan, ein neuer Weg gegangen werden soll. Dass die eigenen Hoffnungen einen Horizont und die Angst einen Anlaufpunkt bekommen, das legt sich wie ein wärmender Mantel über Seele und Sinne derer, die dabei sind.“
Die Kirchenleitung setze mit den Grundlinien „einen Impuls für Offenheit und Aufbruch“, betonte die Landesbischöfin. „Wir wollen eine einladende Kirche sein. Eine Kirche, die die Türen weit aufmacht. Eine Kirche, die Christus verkörpert – mit weit ausgebreiteten Armen.“ Bereits in ihrer Einleitung zu den Grundlinien hatte die Landesbischöfin dazu ermutigt, die Freiräume darin „im Vertrauen auf Gottes Liebe selbstbewusst, fröhlich und kreativ“ zu nutzen: „Lassen Sie uns bewahren, was uns kostbar ist, indem wir es weitergeben. Lassen Sie uns in der Begegnung und im Gespräch mit anderen immer wieder neu entdecken, dass wir als Kirche der Liebe Gottes und der Freiheit von Christenmenschen etwas zutrauen. Denn wir haben hier die große Chance, die religiöse Suche von Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, Fragen und Sehnsüchten neugierig und offen wahrzunehmen und zu begleiten – und freigiebig und großzügig die Antworten, die unser Glaube in evangelischer, in lutherischer Tradition bietet, zur Verfügung zu stellen.“
Auch die gestern den Synodalen vorgestellte Studie „Kirche im Umbruch – Projektion 2060“ hatte gezeigt: Gottesdienste zu Taufen, Konfirmationen, Eheschließungen und Bestattungen sind Anlässe, zu denen besonders viele Menschen, auch solche ohne kirchliche Bindung, mit Kirche und ihrer Botschaft in Berührung kommen.
Die Landesbischöfin rief die Synodalen auf: „Lasst uns Experimente wagen. Nicht um des bloßen Experimentes willen, sondern um besser zu verstehen, wie Menschen heute ihrem Glauben an das Evangelium Ausdruck verleihen wollen. Und lasst uns dabei nicht eine Kultur des argwöhnischen Zweifelns pflegen, was das denn wohl ‚bringen‘ wird, sondern eine Kultur der gegenseitigen Unterstützung und Förderung. In der wir an konkreten Erfahrungen lernen, ohne schon von vornherein genau zu wissen, was daraus wird und wie es wird. Mit erprobungsfreundlicher, biblisch begründeter Zuversicht: Prüfet alles und das Gute behaltet!“
Erprobt werden sollen dabei die „Grundlinien kirchlichen Handelns bei Taufe und Abendmahl sowie bei Gottesdiensten anlässlich der Konfirmation, der Eheschließung (Trauung) und der Bestattung“, die den Synodalen heute von der Kirchenleitung vorgelegt wurden. Mit der Fusion der früheren Nordelbischen Kirche mit den Landeskirchen Mecklenburgs und Pommerns zur Nordkirche im Jahr 2012 war eine Vereinheitlichung der Regelungen zu Sakramentsverwaltung und kirchlichen Amtshandlungen erforderlich geworden. Mit den Grundlinien will die Nordkirche Gottes Handeln als Kern von Sakramenten und Kasualgottesdiensten betonen sowie mehr Gestaltungsvielfalt ermöglichen. Ziel ist es auch, kirchenfernen und religiös suchenden Menschen Zugänge zu Sakramenten wie Amtshandlungen zu erleichtern.
Die Grundlinien kirchlichen Handelns waren seit 2017 entworfen und in einem Meinungsbildungsprozess überarbeitet worden. Daran waren neben Kirchengemeinden, Kirchenkreisen, Einrichtungen, Regionen, Gremien und Einzelpersonen aus der Nordkirche auch die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) sowie die Union Evangelischer Kirchen (UEK) beteiligt. Im Erprobungszeitraum sollen Erfahrungen mit den neuen Grundlinien gesammelt und an die VELKD weitergegeben werden, damit sie mit den Grundlinien in die Überarbeitung der „Leitlinien kirchlichen Lebens“ der VELKD einfließen. Daran ist mit Dezernent Mathias Lenz auch das Dezernat Theologie, Archiv und Publizistik des Landeskirchenamtes der Nordkirche beteiligt. Die Nordkirche habe mit der Entwicklung der Grundlinien eine Vorreiterrolle in der VELKD und darüber hinaus eingenommen, so die Landesbischöfin.
In der Erprobungsphase können Kirchengemeinden der Nordkirche wählen, ob sie die Grundlinien für ihren Bereich anwenden möchten. Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt: „Die Kirchenleitung und auch ich persönlich wünschen uns sehr, dass sich möglichst viele Gemeinden beteiligen. Ich bin überzeugt, dass wir mit den Grundlinien auf einem guten und richtigen Weg sind; und deshalb ist es von großer Bedeutung, dass viele an der Weiterentwicklung mitwirken, sich einbringen. Vor Ende des Erprobungszeitraums sollen die Erfahrungen ausgewertet werden, wobei auch diejenigen Gemeinden, die sich nicht an der Erprobung beteiligt haben, um Stellungnahme gebeten werden.“