Kongressmesse "Leben und Tod"

Palliativexperte: Bei Demenzkranken gerät der Tod in Vergessenheit

Altenheim-Bewohnerin mit Schutzengel in einer Glaskugel (Symbolbild).
Altenheim-Bewohnerin mit Schutzengel in einer Glaskugel (Symbolbild).© epd-bild / Werner Krueper

16. Mai 2013 von Simone Viere

Bremen/Hamburg. Die Reaktion demenzkranker Menschen auf den Tod eines nahen Angehörigen kann nach Informationen von Experten zu erheblichen Irritationen führen. "Angehörige erleben es als Affront, dass ein demenzkranker Menschen nicht trauert, weil er vergessen hat, was der Tod bedeutet", sagte der Palliativexperte Jochen Becker-Ebel am Rande der Bremer Kongressmesse "Leben und Tod". Der Hamburger Theologe gehört zu den Referenten der zweitägigen Messe, die am Donnerstag begonnen hat.

Rund 1,4 Millionen Männer und Frauen in Deutschland sind derzeit von einer Demenz betroffen, die zum Orientierungsverlust führt. Mit fortschreitender Krankheit erkennen sie Angehörige nicht mehr und verlernen auch Alltagskompetenzen wie etwa das Laufen oder Essen. Die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft schätzt, dass ihre Zahl bis 2050 auf voraussichtlich drei Millionen steigen wird. Jahr für Jahr treten nach ihren Daten fast 300.000 Ersterkrankungen auf.

Deutsche Alzheimer-Gesellschaft: 300.000 Ersterkrankungen pro Jahr

Da es deutlich mehr Neuerkrankungen als Sterbefälle gibt, nimmt die Zahl der Demenzkranken kontinuierlich zu. "Obwohl sie aufgrund ihrer Krankheit über den Tod eines Angehörigen nicht mehr reflektieren, fühlen sie doch: Irgendwas Gewohntes fehlt, irgendein Geruch fehlt", erläuterte Becker-Ebel.

Demenzkranke reagieren nach seinen Beobachtungen aufgrund dieses unklaren Gefühls unsicher und auch aggressiv. "Sie haben das Gefühl, ihnen wurde irgendetwas weggenommen, sie wissen nur nicht was." Die Angehörige unterstellten ihnen ihrerseits aufgrund der fehlenden Trauer möglicherweise so etwas wie Herzlosigkeit. "Da ist die tiefere Einsicht wichtig: Das ist eben die Krankheit."

Unklares Gefühl - Irgendwas fehlt

Um aggressiven Reaktionen zu begegnen, rät Becker-Ebel dazu, einen Todesfall im Umfeld eines demenzkranken Menschen nicht schnell zu übergehen. So könnte es hilfreich sein, den Stuhl, auf dem der Tote immer gesessen habe, eine zeitlang leer zu lassen und stattdessen die Jacke des Gestorbenen über die Lehne zu hängen. Wichtig sei es auch, den Tod im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen: "Indem man zusammen mit dem Demenzkranken den Toten anfasst."

Info: Die Bremer Kongressmesse "Leben und Tod" ist noch am Freitag, 17. Mai, von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Ort: Messe Bremen/Halle 6, Findorffstraße 101, 28215 Bremen

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