18. November 2023

Predigt anlässlich der Ordination im Dom zu Schleswig

18. November 2023 von Nora Steen

Predigttext Mt 15,22-33

Der Friede Gottes sei mit euch allen,

in den Herbstferien haben wir uns – wie schon oft – ein Ferienhaus in Dänemark gemietet. Diesmal aber mit einem besonderen Luxus: Ein Haus mit eigenem Pool. Der Hintergrund: Unser fünfjähriger Sohn sollte endlich schwimmen lernen. Unser Plan: Unsere Töchter haben sich alle Mühe gegeben, seine Angst abzubauen und immer vor ihm herzuschwimmen, mit Blickkontakt, so dass er sich von Tag zu Tag immer mehr getraut hat. Und tatsächlich: Am letzten Tag konnten wir alle Teile seines Schwimmrings entfernen und er konnte eigenständig schwimmen. Unsere Tochter immer vor ihm, mit ständigem Blickkontakt, so dass er auf sie zuschwimmen konnte. Und so ging es, einmal längst durchs Becken, 10 Meter. Er konnte es. Große Freude!

In seinem Überschwang ist er dann ganz allein ins Wasser gesprungen, wollte losschwimmen. Aber er ging sofort unter. Die Angst hatte ihn überwältigt, er stellte jede Bewegung ein. Das Wasser schien für ihn so uferlos, so schier unendlich tief. Man konnte ihm richtig ansehen, wie er sich von einer Sekunde auf die nächste selbst verloren hat und dann einfach nach unten gesunken ist. Und das, obwohl seine Arme und Beine die Bewegungen richtig konnten! Aber: Ohne das Vertrauen, dass da jemand ist, die auf ihn aufpasst und ihn ansieht, ging es nicht. Unsere Blicke, unser Zutrauen, unser Dasein – hielten ihn buchstäblich über Wasser. Dieses schiere Dasein machte den ganzen Unterschied.

Ich lese den Predigttext aus dem Matthäusevangelium:

Mt 15,22-33

Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. 26 Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. 33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Mir geht es heute um diesen einen, diesen winzigen Moment. Den Moment der Entscheidung. Den Moment, in dem Petrus seinen Fuß aufs Wasser setzt. Den Moment, der alles ändert.

Petrus, dieser verrückte Jünger. Der dann auch noch der Fels unserer Kirche geworden ist, der erste Bischof. Und der zugleich der ist, der immer wieder scheitert. Einschläft, obwohl Jesus ihn darum bittet, wach zu bleiben im Garten Gethsemane, in seiner letzten Nacht. Und dann verleugnet er ihn auch noch – drei Mal. Obwohl er Jesus so heiß und innig verehrt.

Und auch hier – er steigt aus – und er sieht den Wind – und sinkt. Gerade Petrus. Der, der mit seinen eigenen Ansprüchen immer wieder scheitert.

Trotzdem hat er zu Recht so eine große Bedeutung innerhalb der Jüngerschaft Jesu. Denn: Er zeigt uns, was Vertrauen, was Glaube bedeutet. Er bleibt nicht im Boot, sondern er lässt sich drauf ein auf diesen Ruf Jesu. Er geht auf volles Risiko.

Und dieser Moment ist für mich viel wichtiger, als dass er dann doch nochmal Zweifel bekommt und versinkt. Das ist menschlich. Glaube ist ein Auf und Ab. Worauf wir aber nicht verzichten können, ist diese Entscheidung: Ja, ich lasse mich drauf ein, ich steige aus dem Boot und vertraue darauf, dass das Wasser mich trägt.

Mir geht es um diese Entscheidung, meinen Fuß aufs Wasser zu setzen. Ins vollkommen Unbekannte. In der Nacht. Im Boot. Im Sturm. Alles in mir schreit nach Sicherheit, nach Frieden, nach einem warmen Bett und Ruhe. Aber nichts davon. Um mich herum Aufruhr, Panik. Ein Geist auf dem Wasser.

Und trotzdem bin ich so verwegen und traue dem Wort dieser Gestalt da auf dem Wasser. Wage ich diesen Schritt. Raus. Ich weiß nicht was passiert, ich lasse alle Schutzmechanismen hinter mir. Und schaue nur auf diese Gestalt da, vertraue ihren Worten. „Komm her!“. Und ich gehe. Und das Wasser trägt.

Und ich denke an euch – Anna, Jacqueline, Christian. So unterschiedlich ihr auch seid, eins verbindet euch: Diesen Schritt ins Pfarramt, den habt ihr bewusst getroffen und dafür bewusst andere Optionen hinter euch gelassen. Ihr habt schon im Vikariat erlebt, wie es ist, den Fuß rauszusetzen aufs Wasser. Darauf zu vertrauen, dass es tragen wird. Das erste Trauergespräch, der erste Gottesdienst, das erste Mal einen Menschen segnen. Ihr habt schon viele solcher Schwimmhilfen abgelegt.

Und trotzdem ist dies jetzt nochmal ein neuer Schritt. Pastorin, Pastor sein. Das habt ihr alle drei schon in den ersten Tagen im Amt so empfunden. Das ist nochmal was ganz Anderes. Euch wird viel zugetraut. Ihr tragt Verantwortung für eure Gemeinden – für euren Auftrag. Auch, wenn das in manchen Bereichen noch gar nicht so wirklich sichtbar ist, wie genau sich das eigentlich gestalten soll. Ganz konkret – wie kann ich eigentlich arbeiten, wenn ich noch gar kein eingerichtetes Büro habe? Wenn es keine Verteiler gibt? Wenn noch kein Pastorat gefunden ist?

In diesen Wochen mischen sich diese kleinen, ganz praktischen Fragen mit großen geistlichen Fragen, die vor all den praktischen Dingen manchmal in den Hintergrund zu geraten scheinen. Ich möchte euch heute deshalb ermutigen: Vergesst die großen Fragen nicht. Welche Wege möchte ich gehen? Wo möchte ich mich raustrauen ins bislang Unbekannte? Worauf möchte ich mich einlassen in meiner Gemeinde, mit Haut und Haaren? Und wo brauche ich einfach Schutz, damit meine Seele keinen Schaden nimmt?

Heute ruft euch Jesus wieder. Sagt: „Ich bin’s, fürchte dich nicht. Komm her.“ Eure Ordination ist so ein Moment der Entscheidung. Ich lasse mich auf diesen Weg ein – mit Gott, mit dieser Kirche, mit den Menschen, die mir lieb sind. Auch, wenn ich überhaupt nicht weiß, was mich erwarten wird. Auch wenn es sein kann, dass es harte Zeiten geben wird. Dass ich zweifle, mit dem Amt hadere, am liebsten alles hinschmeißen möchte.

Ich kann euch heute nur sagen: Ihr seid nicht allein unterwegs, wir sind eine große Gemeinschaft der Ordinierten in dieser Kirche. Und wir haben spannende Zeiten vor uns, denn das Bild unserer Kirche wird sich wandeln. Immer wieder werden wir vor der Herausforderung stehen, aus dem Boot des Altbekannten und eigentlich so gemütlichen da Vertrauten zu steigen. Aber: Wir sind nicht allein.

Und: Wir haben ein Gegenüber. Ohne Christus in unserer Mitte wären wir auf dem Wasser tatsächlich verloren. Alle Strukturreformen und alles Verwaltungs-Know-how sind natürlich wichtig, aber sie werden uns nicht ermutigen, auf dem Wasser zu gehen und neue Wege zu wagen.

Christus ist da. Spricht uns zu: Fürchte dich nicht. Komm her.

Mein Sohn kann nur schwimmen, wenn es ein Du gibt. Wenn er ein Gegenüber hat und sich nicht allein im endlosen Wasser fühlt. So sehr er auch technisch das Schwimmen beherrscht, das reicht halt nicht.

So ist es auch im Pfarramt. Technisch das Handwerkszeug beherrschen ist wichtig, reicht aber nicht. Deshalb wünsche ich auch euch Menschen, die euch ihren Blick schenken. Die euch mitziehen. Rausziehen. Die euch zutrauen, über Wasser zu laufen.

Ich wünsche euch – Jesus. Der da auf diesem Wasser steht und der euch zutraut, aus dem Vertrauten rauszugehen. Aus dem Boot raus, ins Unbekannte.

Seid getrost, ich bin’s. Fürchtet euch nicht. Kommt her!

Amen

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