SCHLESWIG, 12.MAI 2010

Predigt anlässlich des 11. Gottorfer Landmarktes auf Schloß Gottorf

15. Mai 2010 von Gothart Magaard

Liebe Schwestern und Brüder, 
„Schön und prächtig geschmückt ist der Tag“, auch der Landmarkt heute, 
der Himmel lacht ein wenig, unsre Augen freuen sich an Reichtum und Fülle, die die Erde uns schenkt. Ja, Platz für alle hat die Erde, wenn wir gut teilen, es ist wirklich genug für alle da, Brot nicht nur für uns, auch Brot für die Welt, für die ganze Welt. Also lasst uns Loben und Danken. Wir wissen zugleich von der anderen Seite: von Ausbeutung und Unfrieden. Mensch gegen Mensch, Norden gegen Süden, von Hunger und Raubbau, von den bedrohlichen Folgen des Klimawandels schon jetzt. Davon, dass täglich 800 000 Liter Öl in den Golf von Mexiko fließen.

Wir lernen es jeden Tag neu: Alle Dinge sind miteinander verwoben. Unser Energieverbrauch und der ausbleibende Regen im mittleren Afrika. Der Vulkan auf Island und die Pünktlichkeit unserer Flüge. Was die Erde vergiftet, vergiftet auch die Töchter und Söhne der Erde.

Aus der Bibel hörten wir diese uralte und manchmal belächelte Geschichte, wie Gott aus einem Erdkloß den Menschen formt und ihm seinen Atem einhaucht. Sicher:
Solange ich das als Bericht aus grauer Vorzeit höre - solange bleibt das kurios, kindlich, naiv, und natürlich vollkommen unwissenschaftlich.

Aber ich bin überzeugt: die Weisheit der Bibel beginnt zu sprechen, sobald wir dies als ein menschliches Selbstporträt nehmen: als die Beschreibung unseres Mensch-Seins in Relation zu Himmel und Erde, zu Umwelt und Mitwelt.

Zugespitzt gesagt: "Adam" ist nicht der Vorname des ersten Menschen. "Adam" heißt auf hebräisch schlicht "der Mensch". Die Gattung, der so genannte "Homo Sapiens".

Und was sagt die biblische Erzählung über uns, über Dich und mich und unseren Ort in der Welt? Wer sind wir, was sollen wir hier: hineingeworfen in diesen Raum, wo Himmel und Erde sich berühren?

Hören wir es noch einmal:
„Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott setzte ihn in den Garten, dass er ihm bebaute und bewahre.“

Ich will drei Gedanken hervorheben, die mir an diesem Text wichtig sind:

1. Zunächst höre ich: Du Adam, du Mensch bist der Irdische. Das erdverbundene, erdverwurzelte Geschöpf. Nicht Du trägst die Erde, die Erde trägt dich.
Du Adam bist ein Landtier, der Landtreter.
Das Wort Mensch, "Adam", hängt im Hebräischen wiederum eng zusammen mit „Adama“, dem Wort für Erde. Das ist ein ganz wichtiger Fingerzeig. Du Mensch bist erdgebunden, erdverhaftet und wirst am Ende zur Erde zurückkehren.
Sie ist der Boden unter deinen Füßen, sie ist das fruchtbare Feld, wo dein Brot und alle Früchte wachsen, und sie ist der dunkle Schoß, in dem Du zur Ruhe gehst, wenn dein Lauf einmal vollendet ist.

Bedenke das, Adam, Du Erdenkloß, und lebe danach. Erhebe Dich nicht über das, was unter deinen Füßen ist. Die Erde gehört nicht Dir, du gehörst zu ihr. Vergiss es nie : Alles, was Du ihr antust, fällt zurück auf Dich und Deine Kinder. Du bist und bleibst der Erdling. Säge nicht den Ast ab, auf dem Du und Deine Kindeskinder sitzen.

2. Aber dann höre ich Widerspruch: Du bist nicht nur stumpfer Erdenkloß, nicht nur Ton in der Hand deines Schöpfers. Du bist auch Himmelskind. Der Himmel ist Atem und Glück deines Le-bens. Mehr Himmel auf Erden - das ist dein Lebensmotto. Mit jedem Atemzug strömt Himmel in Dich ein. Du bist Kind zweier Welten, eine lebendige Brücke zwischen Himmel und Erde. Immer wieder musst Du zurückkehren auf den Boden der Tatsachen - und bist doch frei, darfst den auf-rechten Gang üben, darfst mit erhobenem Haupt durchs Leben gehen, darfst lieben, lachen, kämpfen, und dabei Himmelsluft schnuppern, so lange dein Atem geht.

Der Himmelsatem des Schöpfers durchströmt dich. Du bist nicht nur passiv
- du bist auch aktiv. Mitschöpfer, Mitgestalter. Stillstand ist nicht deine Sache. In dir leben Ideen, Träume, Visionen. Sie treiben dich an, begeistern zu immer neuen Taten und Werken. Sie sind das Beste an dir, dein göttliches Erbe. Dein Lebensatem, seitdem der göttliche Atem dich inspirierte.

Schöpferischer Geist ist dein Lebensatem, du Mensch, und darum kannst Du Dich nicht einfach davonstehlen und sagen: „nach mir die Sintflut“!
Du bist verantwortlich, mit Einsicht, Freiheit und Gewissen begabt.
Im Guten wie im Bösen ist diese Welt deine Mitschöpfung. Also sieh hin.
Steck den Kopf nicht in den Sand. Sieh hin, was deine Taten und Untaten bewirken. Halte den Blick aus, mit dem der ölverschmierte Pelikan in Louisiana dich ansieht, steh dazu, sage "Ja, ich war’s," und zieh die Konsequenz daraus. Du hast doch Geist, bist kreativ, kannst leben, lieben, kämpfen - worauf wartest Du noch?

3. Die irdische Welt, in die du, Mensch, gesetzt bist - sie ist in Kern und Wesen ein Garten. Kein Supermarkt und kein Experimentierfeld, kein Kriegsschauplatz und auch kein Materiallager, in dem du dich kostenlos bedienen darfst.

Sie ist und bleibt der Garten des Lebens.

Es ist deine Bestimmung, als Mitgärtner diese Welt so zu hüten und zu pflegen, wie sich das ihr Eigentümer gedacht hat. Du bist in den Garten gesetzt als Gast, als Verwalter, du sollst ihn bebau-en und bewahren.

Und was heißt das?
Geh nicht den falschen Göttern mit ihren maßlosen Versprechungen auf den Leim. Besinne Dich auf die Weisheit des biblischen Glaubens. Nicht was einer hat, zählt, sondern was einer ist.
Nicht die Warenwelt der Supermärkte sind unser Schatz und Reichtum,
nein: - es sind Glaube, Hoffnung und Liebe, und die sind nirgends käuflich.

Lerne Dich und die Welt neu verstehen- im Licht von Glaube, Hoffnung, Liebe.
Lass dich davon im Leben und Denken inspirieren.
Sag Ja zu deiner Verantwortung -- vor Gott und den Menschen.

Sage und lebe: „Mehr Himmel auf Erden“. Setz dich ein für Frieden unter den Völkern, für Gerech-tigkeit in dieser Welt -- auch für Klimagerechtigkeit. Und tritt ein für die Bewahrung dieses wunder-baren Planeten.

Sage und lebe, was das meint: „Gottes Garten", sage „Gottes Schöpfung" und setze dich für ein nachhaltiges Wirtschaften ein, verantwortliches Haushalten mit den Schätzen, die uns geschenkt sind.

Sage darum: Ja, ich will diesen Garten „bebauen und bewahren".
Setze dich dafür ein - folge der Bestimmung deines irdischen Lebens und setzte alles einen. Deinen schöpferischen Geist, deine Erfindungsgabe, deinen Mut, deine Unruhe und deinen langen, geduldigen Atem.

Liebe Schwestern und Brüdern,

Gott gab uns Atem, damit wir leben, / er gab uns Augen, dass wir uns sehn.
Gott gab uns Ohren, damit wir hören. / Er gab uns Worte, dass wir verstehn.
Gott will nicht diese Erde zerstören. / Er schuf sie gut, er schuf sie schön. 

"Mehr Himmel auf Erden" ist das Motto der Glaubensinitiative unserer Kirche, die heute eröffnet wird. Hier, an dieser Stelle, auf dem Gottorfer Landmarkt, unter freiem Himmel und im Angesicht des wunderbaren Reichtums und der verschwenderischen Fülle, den die Erde uns schenkt. Ich kann mir keinen besseren Platz dafür vorstellen:
Schöpfungsglaube und Weltverantwortung lassen sich nicht trennen.

Mehr Himmel auf Erden tut Not -- in unseren Köpfen, unseren Herzen und unseren Händen. Amen

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