Solidarität mit Belarus: Nordkirche setzt Zeichen für demokratische Grundrechte
26. Februar 2021
Kiel. Die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche (Nordkirche) hat heute (26. Februar) eine Solidaritätserklärung mit den protestierenden Menschen in Belarus verabschiedet. Damit reagieren die 156 Synodalen aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern auf die humanitäre Krise, die das Land seit den Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020 erfasst hat.
Bis zu 250.000 Menschen haben in den vergangenen sechs Monaten auf den Straßen für demokratische Grundrechte demonstriert und sich dabei in die Konfrontation mit der staatlichen Gewalt begeben. Das Hauptargument des Protestes ist der Vorwurf des Wahlbetruges gegen Machtinhaber Alexander Lukaschenko.
In dem Antrag des Ausschusses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, den Vorsitzender Friedemann Magaard einbrachte, heißt es dazu: „Die Synode der Nordkirche zeigt sich ausdrücklich solidarisch mit jenen, die aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert, gefoltert, vergewaltigt oder ermordet wurden, die exmatrikuliert, entlassen, erniedrigt, bedroht oder ins Exil gedrängt wurden, die Menschenrechte und Menschenwürde als Grundlage des Zusammenlebens verteidigen, die eine sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen fordern, die sich für freie und faire Neuwahlen auf der Grundlage der Verfassung einsetzen, die für den friedlichen Übergang ihres Landes zur Demokratie persönlich viel riskieren.“
Oppositionelle Tichanowskaja dankt der Synode für Solidarität und Gebete
Die Oppositionsführerin des Landes, Swetlana Tichanowskaja, übermittelte den Landessynodalen der Nordkirche per E-Mail einen persönlichen Gruß auf Englisch aus ihrem aktuellen Exil Litauen.
In der deutschen Übersetzung heißt es: „Im Namen des Belarussischen Volkes begrüße ich die Solidarität der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland mit den mutigen Demokratinnen und Demokraten in meinem Land. Ich freue mich besonders über Ihre Gebete und Aktionen für die politischen Gefangenen.“
Rund 250 Frauen und Männer zählen aktuell zu den politischen Gefangenen in Belarus, wie die Synodalen aus einer Video-Dokumentation erfuhren, die der Ausschuss in Kooperation mit dem Referat für Friedensbildung in der Nordkirche erstellt hatte. Dem Freiheitswillen der Protestierenden stehen starke politische Repressalien gegenüber: etwa 33.000 Menschen wurden inhaftiert, etwa 1.400 Menschen haben physische oder sexuelle Gewalt erfahren oder wurden erniedrigt. Sechs Menschen sind bis dato spurlos verschwunden, acht verloren ihr Leben. Gegen 2.000 Menschen laufen strafrechtliche Ermittlungen.
Menschenrechtlerin Vasilevich: „Protest kann nur gewaltfrei sein“
Angesichts dieser erschreckenden Zahlen sei es umso beeindruckender, dass die belarussische Bevölkerung friedlich demonstriere, würdigte Präses Ulrike Hillmann die Protestbewegung in ihrem im Vorfeld aufgezeichneten Gespräch mit der Theologin, Politikwissenschaftlerin und Juristin Natallia Vasilevich. Sie ist Sprecherin der Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des belarussischen Koordinierungsrates, einer zivilgesellschaftlichen, konfessionsübergreifenden Plattform. „Der Protest gegen die Repressalien ist ein Protest gegen das Wesen der Gewalt; gegen seine Sprache, seine Logik und seine Methode, zu erpressen, zu demütigen, zu brechen, zu nötigen. Deswegen kann der Protest nur gewaltfrei sein. Man kann nicht die Wahrheit durch die Lüge erreichen, die Rechtmäßigkeit durch die Gesetzlosigkeit, die Freiheit durch die Unterdrückung“, erklärte die Theologin in dem Interview.
In ihrem Land regiere „die Logik des Privilegs“. Das Gesetz habe nur eine „dekorative Bedeutung, in dem die Norm so verändert, interpretiert oder angewendet wird, wie es dem Regime passt“, so Vasilevich weiter. Der Arbeitskreis Christliche Vision sammelt Dokumentationen von Menschenrechtsverletzungen und veröffentlicht diese mehrsprachig auf der Website https://belarus2020.churchby.info/.
Natallia Vasilevich freut sich über das Interesse der Landessynodalen der Nordkirche an der Situation in Belarus. „Worte der Unterstützung sind jetzt sehr nötig. Tröstende Worte, klare Worte des Evangeliums und prophetische Worte, die motivierend sind und Geist und Gewissen stärken.“ Viele Theolog*innen hätten ihren Studienplatz verloren, Priester und Gläubige mussten flüchten, Wissenschaftler*innen und Dozenten seien entlassen worden, berichtete Vasilevich. „Menschen schöpfen Hoffnung in erster Linie voneinander, durch Solidaritätszeichen und durch die Hilfe, die sie bekommen. Jeder Brief an die politisch Gefangenen ist bedeutend. Jede weiße Socke mit einem roten Streifen, jeder Artikel in der ausländischen Presse. Die Zuversicht, dass wir auf der Seite der Wahrheit sind.“