Warum Hamburg seinen „Erzbischof Ansgar“ verloren hat
04. Januar 2015
Hamburg. Er gilt als der „Apostel des Nordens”: Erbischof Ansgar, der vor mehr als tausend Jahren Hamburg missionierte. Jetzt muss die Geschichte umgeschrieben werden, denn Ansgar war gar kein Erzbischof. Aus einem ganz bestimmten Grund hatte er bei seiner Ernennungsurkunde geschummelt.
Gleich auf zwei Erzbischöfe musste das Erzbistum Hamburg in diesem Jahr verzichten. Erst trat Erzbischof Werner Thissen im März in den Ruhestand, und dann stellte eine Ausstellung im Archäologischen Museum auch noch klar, dass der Apostel Ansgar (801-865) gar kein Hamburger Erzbischof war. Doch an der Präsenz und Wertschätzung Ansgars ändert das nichts.
Die bisherige Geschichtsschreibung ist offenbar falsch: Danach gründete Kaiser Ludwig der Fromme 831 einen Bischofssitz in der Hammaburg. Erster Bischof wurde der Missionar Ansgar, der von Papst Gregor IV. angeblich auch gleich zum Erzbischof erhoben wurde. Im Jahre 845 musste Ansgar nach einem Wikinger-Überfall die Stadt verlassen und wurde Bischof von Bremen. 831 war Ansgar, der "Apostel des Nordens", nach Hamburg gekommen, um den Norden zu missionieren.
Erbistum akzeptiert Fälschung
Doch die Urkunde von Kaiser Ludwig war eine Fälschung, wie Wissenschaftler der Universität Bonn herausfanden. Die Gründe dafür waren offenbar politischer Natur. Bremen gehörte ursprünglich zur Kirchenprovinz Köln. Doch mit der Zusammenlegung Bremens mit dem angeblichen "Erzbistum Hamburg" verlor Köln seine Rechte. Erst später wurde Bremen-Hamburg dann tatsächlich zum Erzbistum erklärt.
Die Ausstellung "Mythos Hammaburg" im Archäologischen Museum, die über die jüngsten Erkenntnisse zur Frühgeschichte Hamburgs informiert, wurde im Oktober eröffnet und läuft noch bis zum 26. April 2015.
Das katholische Erzbistum hat die Fälschung umgehend akzeptiert. Es sei ohne Belang, ob Ansgar nun Erzbischof, Missionsbischof oder einfacher Missionar gewesen war, schrieb Diözesanadministrator Ansgar Thim, kommissarischer Leiter des vakanten Bischofsstuhls, in einem Beitrag zur Ausstellung. Entscheidend sei seine persönliche Glaubwürdigkeit als Verkünder des Evangeliums. Als Patron bleibt Ansgar dem Erzbistum erhalten.
Inschrift zu Ansgar-Skulptur bleibt
Die Skulptur von Ansgar steht in der Hamburger Altstadt auf dem Geländer der Trostbrücke, Hamburgs ältester Brücke. Zu seinen Füßen ist "Erzbischof von Hamburg" eingemeißelt. Das Denkmalschutzamt sieht auch keine Notwendigkeit für eine Richtigstellung oder ergänzende Erläuterungen. Die Inschrift sei zu einer Zeit entstanden, als es noch keine Zweifel an der Rolle Ansgars gegeben habe, hieß es.
Die aktuellen Reiseführer über Hamburg bieten ein uneinheitliches Bild. In den Hamburg-Führern von Dumont und dem ADAC ist noch ein "Erzbischof Ansgar" zu finden, während der Baedeker nur von einem "Bischof" spricht. Die meisten Reiseführer verzichten ohnehin auf die Geschichte und widmen sich stattdessen Shopping und Gastronomie.
Wie das Internet reagiert
Seinen Internetauftritt hat das Erzbistum noch nicht geändert. Er sei Missionar in Norddeutschland und Skandinavien gewesen, "später auch Erzbischof von Hamburg", heißt es dort. Die evangelische Kirche in Hamburg, die sich in ihren historischen Wurzeln auch auf Ansgar bezieht, lässt im Internet die eigene Geschichte erst mit Luthers Reformation beginnen.
Das Internet-Lexikon Wikipedia nennt Ansgar in seinem Artikel zum "Erzbistum Hamburg" für seine Hamburger Zeit nur noch "Bischof". Unter dem Stichwort "Ansgar" dagegen wird er von Kaiser Ludwig zum Erzbischof befördert. Wer im Internet "Erzbischof Ansgar" googelt, erhält 21.500 Ergebnisse, "Bischof Ansgar" dagegen nur 3.840 Ergebnisse.
Während im Hamburger Bewusstsein der "Erzbischof Ansgar" noch lange vertreten sein wird, ist auch ein aktueller Erzbischof in Sicht. Es wird damit gerechnet, dass der Vatikan im kommenden Jahr einen Nachfolger für Erzbischof Thissen ernennen wird.