"Wunderbar gemacht": Gottesdienst in der Bäckerei
19. Februar 2020
Gottesdienst einmal an einem anderen Ort: Pastorin Josephine Teske feierte ihn unter dem Titel „beyoutiful“ in einer Bäckerei in Büdelsdorf. Und es kamen viel mehr Interessierte als gedacht.
Jede und jeder, der zur Tür hereinkam, sollte einen Umschlag bekommen, 60 hatten Pastorin Teske und ihre Praktikantin vorbereitet, am Ende reichten sie nicht aus: „Ich dachte mal, dass vielleicht so 30 Menschen kommen. Jetzt sind es ungefähr 100, damit habe ich nicht gerechnet“, so Teske.
Werbung auf Instagram
Alt und Jung sind gekommen, zum Teil sogar von weit her. Aus Hamburg und Bad Segeberg haben sich Freunde und Verwandte aufgemacht. Auch die 81-jährige Helga aus Haddeby ist mit ihrer Enkelin aus Lüneburg hergekommen, um zu sehen, was die jungen Leute heute so bei Kirche machen: „Man muss ja auf dem neusten Stand bleiben, ich bin froh, dass wir gemeinsam hergefahren sind“. Ihre Enkelin hat auf Instagram von dem Gottesdienst erfahren, sie ist eine der mehr als 16.000 Followerinnen, die Josephine Teske mit ihrem Profil seligkeitsdinge_ dort hat. Mehr als 100 Menschen verfolgten den Gottesdienst auch in der Liveübertragung in dem sozialen Netzwerk.
„Was findest Du schön an Dir?“
Gemeinsam mit ihrer Praktikantin Miriam Hackländer aus Bonn hat Pastorin Teske den Gottesdienst vorbereitet, in dem vieles nicht wie gewohnt ist: Das Liedblatt ist per QR-Code zu lesen. Applaus während der Veranstaltung gestattet. Popmusik mit Gitarrenbegleitung von Sven Lasse Petersen aus Kropp statt Orgel. Der Auftakt eingespielte Sprachnachrichten aus den Lautsprechern, Antworten auf die Frage „Was findest Du schön an Dir?“. Denn das war das Thema des Gottesdienstes: Die Liebe Gottes, aber auch die Selbstzweifel des Einzelnen.
Bitten an Gott
In Liedform greifen die beiden Frauen auf, welche Wünsche die Menschen umtreiben, wer, was oder wie sie gerne wären. Der Refrain: „Es ist nicht immer leicht, ich zu sein. Manchmal ist es sogar sauschwer“. Formulieren die Bitte an Gott „Ich möchte mich doch sehen, so wie du es kannst. Ich möchte mich doch lieben, zumindest irgendwann“.
Gemeinde singt auch ohne Textblatt mit
Die Liedauswahl ist treffend: Sarah Connor mit „Wie schön Du bist“ und „Applaus, Applaus“ von den Sportfreunden Stiller singt die Gemeinde auch ohne Textblatt mit. Die Atmosphäre in der Bäckerei gleicht der in einer kleinen Bar bei einem gemütlichen Konzert, von außen wirkt die mit bunten Lichtern schummrig beleuchtete Bäckerei wie eine Lounge in einer Großstadt.

Psalm 139: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin“
Drinnen legen sich Pastorin und Praktikantin mit einem Poetry Slam ins Zeug: „Klar gibt es Dinge an mir, die mir nicht gefallen. An manchen kann ich arbeiten, an anderen nicht. Doch weil ich nicht perfekt bin, kann ich mich nicht lieben? Ist das nicht traurig?“ fragt Praktikantin Hackländer nach einer gefühlt endlosen Liste von Dingen, die Menschen nicht an sich mögen. Immer wieder unterbrochen von dem Kehrvers „Spieglein, Spieglein an der Wand“ predigt sie zum Psalm 139, in dem es heißt „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin“.
Schön durch Liebe
Um sich selbst zu lieben brauche es manchmal den Zuspruch von anderen, so Hackländer. Noch größer als deren Liebe aber sei die Liebe Gottes: „Was oder wen auch immer Gott im Spiegel sieht, es ist nicht der Mensch, den ich vor Augen habe. Das ist der Mensch, der ich wirklich bin und der sehr wohl liebenswert ist. In diesen Augen bin ich schön. Schön durch die Liebe“. Wie man wissen könne, dass Gott einen wirklich liebe? Dass die Menschen um einen herum einen wahrhaftig schön fänden? „Wissen kann ich es nicht, ich glaube daran und für den Glauben brauche ich Vertrauen. Auf Gottes Liebe. Liebe, durch Gott. Schön, durch die Liebe. Liebe, durch Vertrauen“. Pastorin Teske schließt mit dem abgewandelten Kehrvers: „Spieglein, Spieglein gib nur acht, ich bin wunderbar gemacht“.
Spiegelkarte für die Besucher
Nach dieser Predigt in ungewohnter Form dürfen die Besucherinnen und Besucher auch endlich den Umschlag vom Anfang öffnen: Darin finden sie eine Spiegelkarte mit der Überschrift „Hier siehst Du das Wertvollste auf der Welt“. Rundherum freudige Gesichter, schmunzelnde und leise lachende Menschen. Gemeinsam sprechen alle den einzigen Teil des Abends, der allen bekannt und vertraut sein dürfte: Das Vaterunser.
Das Evangelium dringt durch
Auch Clemens Drews, der Chef der Bäckerei, ist nach der Veranstaltung sehr zufrieden: „Eigentlich bin ich nicht für Kirche zu haben, die Missstände sind nicht wegzudiskutieren", sagt er. "Aber Josephine hat mich schnell überzeugt von ihrer Idee, meine Zusage habe ich nicht bereut: Der Abend ist ganz großartig!“ Auch für Propst Matthias Krüger ist klar: „Ein spannender Gottesdienst in einer super Location, bei der trotz aller weltlicher Impulse das Evangelium durchdringt – davon können wir gern mehr haben“. Und wie bei jeder wirklich guten Feier, bleiben viele Menschen noch länger, bei einem Berliner, einem Glas Wein und einem guten Gespräch.