Hamburger Propst Claussen wird neuer Kulturbeauftragter der EKD
20. Januar 2016
Über Kunst, Kultur und Christentum hat er schon Bücher geschrieben, als er noch auf seiner Hamburger Kirchenkanzel stand. Jetzt darf sich Johann Hinrich Claussen hauptamtlich mit seinen Hobbys befassen - als Kulturbeauftragter der EKD in Berlin.
Entspannt sitzt Johann Hinrich Claussen in seinem Hamburger Amtszimmer und lächelt fein. Nein, konkrete Pläne habe er noch nicht, das werde sich ergeben, sagte der 51-Jährige im Interview. Noch sei er Propst und Hauptpastor in Hamburg, sein Abschied werde erst am 24. Januar in der Hauptkirche St. Nikolai gefeiert. Dann sei es immer noch eine Woche bis zu seinem Dienstantritt als Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und neuer Leiter des EKD-Kulturbüros in Berlin.
"Es ist ein besonderes Privileg, sich die neuen Aufgaben weitgehend selber definieren zu dürfen", sagt Claussen. Deutschland zähle zu den reichsten Kulturlandschaften Europas und der Welt. Er habe keinerlei Sorge, dass ihm die Themen oder gar die Ideen ausgehen könnten. Zuerst werde er vermutlich Amtsvorgängerin Petra Bahr besuchen. Sie war 2006 die erste EKD-Kulturbeauftragte und hatte das Berliner Kulturbüro aufgebaut. Im September 2014 wechselte sie zur Konrad-Adenauer-Stiftung - seitdem ist die Leitung des EKD-Kultur-Ressorts vakant.
Religiöser Interpret und theologischer Übersetzer
Religiöse Themen würden in der Öffentlichkeit sehr oft sehr emotional verhandelt - Skandale, Tabu-Brüche, Dauerpolarisierungen im Meinungsstreit. "Doch es muss nicht immer provozierend sein", sagt Claussen. Auch der ganz normale Alltag sei vielfach von Religion durchdrungen. Eine seiner Hauptaufgaben werde darin liegen, als religiöser Interpret und theologischer Übersetzer aufzutreten, Netzwerke zu knüpfen und Inspirationen zu suchen.
"Ich muss nicht alles neu erfinden", sagt Claussen. Das kulturelle Leben diesseits und jenseits der Kirchenmauern in Stadt und Land sei reichhaltig und etabliert. Es gebe Andachten in Kunsthallen und Museen, langjährige und kreative Kooperationen zwischen Kirche und Film wie im Hamburger Abaton-Kino, große Ausstellungen und Symposien in Evangelischen Akademien und anderswo über Kunst und Musik, Literatur und Theater. Claussen: "Das Feld ist reich bestellt."
Ungewöhnlich bunt und zielstrebig verlief schon sein bisheriger Lebensweg. 1964 in Hamburg geboren, studierte Claussen evangelische Theologie in Tübingen, Hamburg und London. Vor seinem Vikariat ging er 1990 für ein Jahr als Landpfarrer nach Argentinien. Danach promovierte er in Hamburg über den Theologen Ernst Troeltsch und war ab 1996 für fünf Jahre Gemeindepastor in Reinbek (bei Hamburg).
Bunter Lebensweg
Mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft nahm sich Claussen ab 2001 eine wissenschaftliche Auszeit und habilitierte sich an der Universität Hamburg über das Thema "Glück und Gegenglück". Wie aus dem Nichts tauchte er Ende 2003 wieder auf - als Propstkandidat im damaligen Kirchenkreis Alt-Hamburg. Er gewann die Wahl und wurde 2004 von Bischöfin Maria Jepsen als Propst eingeführt.
Vier Jahre später wurde er auch Hauptpastor an der St. Nikolaikirche, parallel übernahm er Lehraufträge als Privatdozent im Fach Systematische Theologie an der Uni Hamburg. Seit 2011 ist der Theologe auch Präsident des bundesweiten Evangelischen Kirchbautages.
Wie schafft man es, angesichts dieser Aufgabenfülle sogar noch Bücher zu schreiben? "Mit Disziplin und Lust an der Arbeit und am Stoff", sagt Claussen - und man muss es ihm glauben. Die Bandbreite seiner Themen ist groß. Auf das Jugendbuch "Moritz und der liebe Gott" (2004) folgte sogleich ein Werk über moderne Lyrik und Religion ("Spiegelungen"). 2006 waren es "Die 101 wichtigsten Fragen - Christentum", das in dritter Auflage vorliegt und 2010 auch auf japanisch erschien.
Weiterhin und Bücher und Kolumnen schreiben
"Ich glaube noch immer an das Gute am Buch", sagt Claussen. In kaum einem anderen Medium habe man soviel Platz, Gedanken wohlformuliert darzulegen - allenfalls noch im Radio, in den dritten Programmen und auf den Info-Kanälen. Doch natürlich nutzt Claussen auch andere Medien. Auf seine Kolumnen und Beiträge in der "Süddeutschen" oder im "Spiegel" will er auch als Kulturbeauftragter nicht verzichten.
2010 widmete sich der dreifache Familienvater dem Thema der Kirchenarchitektur und schrieb über "Gottes Häuser oder die Kunst, Kirchen zu bauen und zu verstehen". 2014 folgte unter dem Titel "Gottes Klänge" eine Geschichte der Kirchenmusik, die sogar den TV-Entertainer Harald Schmidt zum "Jauchzen und Frohlocken" verführte. Derzeit wird das Buch ins Chinesische übersetzt.
Claussen behält mit Familie eine Wohnung in Hamburg
Claussen will nicht komplett nach Berlin umsiedeln, dafür sei sein Leben zu sehr in Hamburg verwurzelt. Zwei seiner Kinder gehen hier noch zur Schule und stehen kurz vorm Abitur. Seine Frau arbeitet in Hamburg als Germanistin. Aus dem Nikolai-Pastorat in Harvestehude ist die Familie aber schon ausgezogen und hat eine Wohnung im Stadtteil Hoheluft gefunden. Vorträge und Publikationen könne er genausogut und in aller Ruhe in Hamburg schreiben, sagt Claussen: "Die ICE-Flotte der Bahn macht manches möglich."
Info
Abschied aus Hamburg: Bischöfin Kirsten Fehrs will Propst Claussen an diesem Sonntag (24. Januar, 15 Uhr) in der Hauptkirche St. Nikolai (Klosterstern) aus seinen bisherigen Ämtern verabschieden
Ort: Hauptkirche St. Nikolai, Harvestehuder Weg 118, 20149 Hamburg