Präses Ulrike Hillmann: "Wieder näher zu den Menschen kommen"
26. Mai 2023
Pfingsten gilt als der Geburtstag der Kirche und damit als Geburtstag der vielen Gemeinden, die das Wort Gottes zu den Menschen bringen. Für das kirchliche Leben in den Gemeinden der Nordkirche ist die Landessynode verantwortlich. Welche Aufgaben sie hat, welche Themen aktuell wichtig sind und wo es in Zukunft hingehen kann, erzählt Präses Ulrike Hillmann im Gespräch mit Kristina Tesch.
Wie erklären sie Außenstehenden die Landessynode der Nordkirche?
Ulrike Hillmann: Eine Synode könnte man vielleicht mit einem Parlament vergleichen. Sie ist verantwortlich für das kirchliche Leben in ihrer Landeskirche - also in unserer Nordkirche. Die Synode soll die Vielfalt unserer Landeskirche widerspiegeln. Das heißt, es geht nicht darum, dass bestimmte Parteien gewählt werden, sondern dass aus jedem Bereich Menschen dabei sind.
Es gibt also in der Landessynode der Nordkirche Synodale aus den Kirchenkreisen, aus den Diensten und Werken, wir haben Jugendliche, Pastorinnen und Pastoren, Mitarbeitende und Ehrenamtliche. Also die ganze bunte Vielfalt.
Vertritt jede Gruppe in der Synode ihre eigenen Interessen?
Nein. Das Interesse aller Synodalen soll das gesamte kirchliche Leben in der Nordkirche sein.
Welche konkreten Aufgaben hat die Landessynode?
Zu den wichtigsten Aufgaben zähle ich die Wahl unser Bischöfinnen und Bischöfe, die zuständig sind für das geistige Leben in unserer Kirche. Es zählt dazu die Wahl der Kirchenleitung, außerdem haben wir die Haushaltsgesetzgebung und auch die übrige kirchliche Gesetzgebung zur Aufgabe. Aber auch Grundlinien kirchlichen Handelns werden in der Landessynode entschieden.
Dass die Kirche über ihre eigenen Gesetze bestimmt, ist eine Sonderstellung - wie weit geht diese Selbstbestimmung?
Die Kirche ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts und hat damit das Recht, ihre Dinge selbst gesetzlich zu regeln. Also alles, was unsere Kirche direkt betrifft: Fragen der Mitgliedschaft, der Kirchensteuer oder des kirchlichen Baurechts. Wir haben ein kirchliches Dienstrecht und eine Arbeitsgesetzgebung in der Nordkirche. Und auch die Ordnung des kirchlichen Lebens gehört dazu.
Wie wichtig ist diese gesetzliche Selbstbestimmung für die Nordkirche?
Ich glaube, es ist weniger für die Funktionalität unserer Kirche wichtig, aber wichtig für die Funktionalität unseres Staatslebens, für die Gemeinschaft zwischen Staat und Kirche und auch für unsere Demokratie.
Weil bei Kirche Menschen aus allen Gruppen mitbestimmen dürfen?
Ja, bei Kirche dürfen alle mitbestimmen. Und ich glaube, wir halten den demokratischen Gedanken sehr hoch. Wir halten aber auch den Gedanken des Priestertums aller Gläubigen sehr hoch, das heißt, dass Ehrenamtliche bei uns eine ganz wesentliche Rolle spielen und in allen Gremien die Mehrheit haben.
Sie selbst sind über das Ehrenamt in die Gremienarbeit gekommen…
Ich bin ein Mensch, der nie weggeguckt hat, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen. In der Kirche ehrenamtlich angefangen habe ich in der Kindergottesdienstarbeit. Dann wurde gesagt: 'Du hast noch andere Gaben, willst Du nicht in den Kirchenvorstand' - damals hieß das noch so (heute Kirchengemeinderat - Anm. der Redaktion). Dann habe ich das gemacht und irgendwann war ich neugierig auf das Weitere und es ist einfach ein spannendes Feld.
Ich finde es wunderbar, mit so vielen Menschen zusammenzuarbeiten, so viele Menschen zu treffen und mich mit so vielen Themen zu beschäftigen. Außerdem habe ich selbst viel in der Kirche gefunden, das möchte ich auch anderen Menschen ermöglichen.
Welche Themen stehen aktuell auf der Tagesordnung der Landessynode?
Im vergangenen Jahr haben wir uns mit dem großen Thema Frieden auseinandergesetzt und die übrige Synodenarbeit zurückgestellt. Es war uns wichtig, uns mit diesem Thema, das viele Menschen sehr beschäftigt, also Frieden, Krieg und Frieden sowie die Auswirkungen, die es in unserer Gesellschaft hat, ausführlich zu beschäftigen und uns zu positionieren. Im Übrigen müssen wir uns natürlich mit der Zukunft unserer Kirche beschäftigen und wir haben uns intensiv mit dem Klimaschutz beschäftigt.
Wie geht es mit so einem Thema wie Frieden nach einer Synodentagung in der Nordkirche weiter?
Wir sind ständig mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben dazu verschiedene Veranstaltungen in den Gemeinden gemacht, es wird in unserer Akademiearbeit weitergedacht und es gab Spendenaktionen. In vielen Gemeinden wird Arbeit mit ukrainischen Geflüchteten gemacht - sehr gute Arbeit. Dort wird sich bemüht, Wohnungen, Arbeit, Kindergartenplätze, Schulplätze für die Geflüchteten zu finden. Es ist für uns ein sehr präsentes Thema.
Gehören zum Thema Zukunft der Kirche auch die sinkenden Mitgliederzahlen?
Die Landessynode hat sich schon im November 2019 damit befasst. Damals ist die Freiburger Studie vorgestellt worden und die haben wir auch in der Synode vorgestellt. Darin wurde ausgerechnet, dass wir bis 2060 etwa die Hälfte unserer Mitglieder verlieren würden und damit auch Kirchensteuereinnahmen. Es wurde aber auch gesagt, dass die Zeit noch so ist, dass im Moment genug Geld da ist, um gegenzusteuern.
Die Synode hat damals einen Zukunftsprozess auf den Weg gebracht. Der erste Abschnitt ist fertig und im zweiten Abschnitt befassen wir uns natürlich damit, wie wir wieder näher an die Menschen kommen.
Und wie möchte die Nordkirche das konkret machen?
Mein Gefühl ist, dass die Menschen sich nicht von der Kirche an sich abwenden und schon gar nicht von den Inhalten, die wir vermitteln. Ich glaube, dass Glaube und Spiritualität in der heutigen Zeit einen hohen Stellenwert haben. Und wir merken auch, dass wir gefragt sind, bei Segenshandlungen wie Trauungen und Taufen, aber das wird nicht mehr unbedingt mit der Mitgliedschaft verbunden. Wir suchen also nach Wegen, das wieder in Einklang zu bringen.
Wie kann ein solcher Weg aussehen?
Der wesentliche Punkt ist, dass wir das Thema der Spiritualität, des Glaubens noch näher an die Menschen bringen müssen. Es geht immer darum, den Menschen einen Zugang zu geben in ihrem heutigen Umfeld, in ihrer heutigen Sprache, mit ihrer heutigen Musik.
Musik ist zum Beispiel etwas, mit dem wir noch ganz viele Menschen ansprechen. Unsere Kirchenmusik hat rund 80.000 Menschen, die aktiv mitmachen, die ehrenamtlich mitmachen. Und auch eine Fußballweltmeisterschaft oder ein Stadtfest sind Gelegenheiten, wo wir bei den Menschen sein können. Und ich weiß auch, dass ganz viele Menschen inzwischen im Digitalen Kontakt zu unserer Kirche suchen.
156 Synodale arbeiten bei den Tagungen an all diesen Themen und Gesetzen der Nordkirche - ist das noch zeitgemäß?
Also ich glaube, Gremienarbeit ist etwas, das wir generell überdenken müssen. Wir müssen vielleicht über die Größe, noch mehr aber über die inhaltliche Arbeit der Gremien nachdenken. Ich glaube, viele Menschen, die bei uns Verantwortung übernehmen, wollen das für gemeindliches oder geistliches Leben auf Kirchenkreisebene oder in der Landeskirchen. Ob sie sich aber immer mit Gesetzen, Haushalts- oder Baufragen beschäftigen möchten, das ist ein anderes Thema.
Ich als Juristin habe Spaß an Gesetzen, aber das geht nicht allen so. Ich glaube, dass es darum geht, diese Arbeit wieder so zu gestalten, dass Ehrenamtliche wieder richtig Lust haben, sie zu machen. Neben der gewollten Mitbestimmung bei Gesetzen oder dem Haushalt muss genug Zeit für die inhaltliche Arbeit sein.
Wird es bei sinkenden Mitgliederzahlen nicht auch schwieriger, Menschen für die Landessynode zu gewinnen?
Wir haben schon mal über die Verkleinerung gesprochen, aber jetzt sind weitere Quotierungen beschlossen worden, zum Beispiel zehn Prozent junge Menschen bis 27 und die Parität der Geschlechter. Zusätzlich zu den bestehenden Quotierungen war dann eine Verkleinerung zur kommenden dritten Landessynode in der Kürze der Zeit nicht mehr möglich. Frühestens in sechs Jahren, wenn es ein neues Landessynodenbildungsgesetz geben wird, kann das passieren.
Dann muss auch über ein insgesamt einfacheres System nachgedacht werden. Ich glaube, das ist möglich, wenn wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir die Vielfalt des kirchlichen Lebens abbilden und keine Interessengruppen bilden sollen.
Welche Zahl stellen Sie sich vor?
Ich würde mir vorstellen, dass es unter 100 Synodale sein sollten. Das hat auch Kostengründe, Synode ist ein teures Unternehmen. Diese Anzahl würde es auch ermöglichen, in kirchlichen Häusern zu tagen und nicht ausschließlich im Hotel.
Außerdem glaube ich, dass die Arbeit, die dann da ist, mit 100 Menschen gut zu schaffen ist und man eine gute Gemeinschaft pflegen kann. Und auch die Repräsentanz aus all den Bereichen unserer Nordkirche ist mit dieser Anzahl möglich.
Würde es nicht ausreichen, wenn aus jedem Bereich eine Person in der Landessynode ist?
Das könnte man schon machen, aber die Pastorenschaft muss vertreten sein. Die Frage ist nur, ob es aus jedem Kirchenkreis ein Propst, eine Pröpstin oder ein Pastor, eine Pastorin sein muss. Oder ob es nicht reicht zu sagen: aus jedem Sprengel ein Propst, eine Pröpstin und drei Pastorinnen oder Pastoren. Ich finde, da sind der Fantasie fast keine Grenzen gesetzt, denn es geht wirklich nur darum, die Vielfalt der Nordkirche darzustellen.
Für die Landessynode steht als Nächstes die Wahl einer bischöflichen Person im Sprengel Schleswig und Holstein an (24. Juni) - wie blicken Sie auf die Wahl?
Ich freue mich sehr darauf und finde, wir haben mit Friedemann Magaard und Nora Steen zwei super Kandidat:innen gefunden. Und ich stimme einer Stimme aus den sozialen Medien zu: 'Gewinnen wird auf jeden Fall die Nordkirche.'