1. Dezember 2013 - St. Georgskirche Hamburg

1. Dezember 2013 - Grußwort bei der Veranstaltung der AIDS-Seelsorge Hamburg am Welt-AIDS-Tag 2013

01. Dezember 2013 von Gerhard Ulrich

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Brüder und Schwestern in Christus!

 

„leben und lieben“ – unter diesem Leitwort der AIDS-Seelsorge Hamburg und verbunden mit dem Zeichen der AIDS-Schleife sind wir hier heute in der St. Georgskirche zusammen – und es ist mir eine Freude, an dem diesjährigen Welt-AIDS-Tag bei Ihnen zu sein! Schön, dass einige Künstler des Musicals RENT uns zusammen gebracht haben – RENT in God´s Haus also, im Gotteshaus in St. Georg! Ein guter und richtiger Ort allemal für leben und lieben, so meine ich. Denn „leben und lieben“, das ist doch eine durchaus richtige und gute Kurzfassung dessen, was in der Bibel als das „Doppelgebot der Liebe“ überliefert wird seit Jahrtausenden in der jüdisch-christlichen Tradition.

 

Jesus fasst zusammen, was Gott will, dass nämlich Leben und Lieben eins sind, nicht zu trennen: „…du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften» (5. Mose 6,4.5).

Das andre ist dies: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst» (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese beiden.“ (aus: Evangelium nach Markus, Kapitel 12)

 

Darum geht es auch heute am 1. Advent: „bereitet dem Herrn den Weg“! Bearbeitet den Grund, auf dem Leben und Lieben wachsen und sich entfalten können.

Leben und lieben also, Gott lieben und die Menschen lieben – darum geht es ganz fundamental. Und diese frohe Botschaft ist es, die die Kirche zu verkündigen hat in Wort und Tat. Das – und nichts anderes! – ist der Auftrag, den Jesus Christus seiner Kirche gegeben hat – darum ist sie da! Darum ist sie unverzichtbar! Wenn sie aber ganz etwas anders täte, dann wäre sie überflüssig, die Kirche.

Überflüssig und nutzlos, das wollen wir aber nicht sein – und das sollen wir auch nicht sein! Also reden und tun wir weiter das, was als unser „Kerngeschäft“ uns aufgetragen ist: leben und lieben – Mit Christus leben und ihn lieben – mit den Menschen leben und sie lieben – alle! Ohne Ausgrenzung und ohne Vorurteile! Also weiter mit Gottesdienst, Predigt, Seelsorge, Diakonie – Kirche mittendrin im Quartier, Kirche für andere – darum geht es immer und immer wieder.

Leben und Lieben: das heißt auch leben und lieben lassen! Jesus selbst liebt die Menschen ohne jede Bedingung. Er geht auf sie zu, hat keine Scheu vor Berührungen. Er ruft die Schwachen, er ist bei den Kranken. Er ist bei denen, die abseits stehen und erst recht bei denen, die abseits gestellt werden, immer noch und immer wieder stigmatisiert.

Mitten hinein gehört eben auch die Arbeit der AIDS-Seelsorge. Hineinziehen die Menschen und Gott – in das Leben und Lieben. Hier und weltweit, heute am Welt-AIDS-Tag wird das die Botschaft an alle, die nach Leben und Liebe rufen, sich sehnen.

II

Darum auch dürfen wir nicht nachlassen mit diesem Dienst an den Menschen. Denn wir sind verantwortlich nicht nur hier vor Ort, nicht nur in diesem Land, sondern wir leben zusammen in dieser einen Welt: Leben und Lieben – das gilt und muss gelten weltweit und grenzenlos. Solidarität darf nicht Privileg einiger weniger Menschen sein, darf nicht abhängig sein davon, ob einer reich ist oder arm. Im Namen der Ev. Luth. Kirche in Norddeutschland sage ich Dank für die AIDS-Seelsorge. Danke für diese Verkündigung des Wortes Gottes – in der Tat!

In der Arbeit der AIDS-Seelsorge geht es um die Fragen zum Leben mit HIV und AIDS. Das können Fragen sein nach Beziehung und Partnerschaft, nach Sexualität, nach dem Sinn des Lebens; Fragen zu dem, was danach kommt; Fragen der Trauer, der Wut, der Angst. Auch Fragen der Scham.  
Mit der AIDS-Seelsorge in Hamburg stellt sich die evangelisch-lutherische Kirche seit 1994 deutlich sichtbar auf und an die Seite der Menschen mit HIV und AIDS. Zum Glück tut sie das. Und Sie, liebe Pastorinnen und Pastoren, sie alle liebe Mitarbeitende der AIDS-Seelsorge fragen bei der Erfüllung Ihres Dienstes eben nicht gleich herum: Gehörst Du auch zu uns? Glaubst du auch – wenigstens irgendwas? Bist Du getauft? Wo ist Deine Steuererklärung? Wie gut, dass Sie das alles eben nicht tun, sondern sich solidarisch zuwenden denen, die mit der Bitte um Hilfe, Rat und Unterstützung zu Ihnen kommen! Wir brauchen diese Weite im Denken und Glauben auch an anderen Stellen unserer Kirche dringend. Sie alle hier sind auf vielfältige Weise ein gutes Stück unserer Kirche.

Ihre Seelsorge ist auch darin frei, dass sie bedingungslos frei angeboten wird. Kirche ist nur Kirche, wenn sie Kirche für andere ist, sagt Dietrich Bonhoeffer. Ja, das sind wir, die wir von Jesus und seinem Wort und seiner Liebe angesteckt sind: für die Menschen, mit ihnen. Und das weiß ich seit Jahrzehnten – da kommt eine Menge Gutes bei rüber! Nicht zuletzt das, was heute hier bei RENT in  God´s House und auch anschließend passiert auf dem Candle-Light-Walk. Herzlichen Dank sage ich dafür – und Gottes Segen für all Ihr Tun!

Die AIDS-Seelsorge arbeitet im Zeichen des Regenbogens, ein nicht nur biblisches Zeichen von Hoffnung und Solidarität. Für die AIDS-Seelsorge heißt das: offen Partei zu ergreifen und gleichzeitig einen geschützten Rahmen für die individuelle Zuwendung zu bieten – „leben und lieben“ also, und das sollen alle Menschen dürfen! Daher haben wir eben auch noch viel vor uns – wir wissen es doch alle:

-          weltweit ist es noch immer nicht erreicht; dass die lebensrettenden HIV-Medikamente überall für die betroffenen Menschen zugänglich sind und bezahlbar. Es ist schlicht ein todbringender Skandal, dass der Schutz von Patenten offensichtlich mehr zählt als die notwendige medizinische Hilfe für Millionen von AIDS-Infizierten weltweit. Menschen teilhaben zu lassen an der Medizin hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun, auch etwas mit Freiheit und Selbstbestimmung, auch etwas mit Gemeinwohl.

-          die medizinische Versorgung infizierter Menschen in Deutschland verbessert sich ständig. Für die allermeisten Betroffenen ist eine gute Versorgung mit Unterstützung der Krankenkassen gewährleistet. Gleichzeitig hat dies in psycho-sozialer Hinsicht konkrete Folgen: in der ersten Zeit von AIDS (seit Anfang der 1980er Jahre) haben sich die infizierten Menschen meist mit ihrem Status geoutet und offen zu ihrer Infektion gestanden, auch weil sie keine hohe Lebenserwartung mehr hatten.Heute sprechen Mediziner von einer “normalen” Lebenserwartungfür die Betroffenen und von AIDS als der Infektion wie einer “chronischen Erkrankung”. Deshalb gehen immer mehr PatientInnen den Weg, nur mit ihrem behandelnden Arzt über ihre Infektion zu sprechen. Die Angst vor gesellschaftlicher Ablehnung, Ausgrenzung, Diskriminierung ist groß. Diese Betroffenen leben ständig mit der Angst, als HIV-positiver Mensch “entdeckt” zu werden und nutzen aber zugleich auch entsprechende AIDS-Beratungsmöglichkeiten kaum, weil sie befürchten, bei einem Besuch solcher Einrichtungen von anderen “erkannt” zu werden. Auch hier brauchen wir mehr Freiheit und Solidarität! Auch hier brauchen wir die Offenheit, ohne die Liebe und Leben nicht zu haben sind.

-          Der Umgang von uns Kirchen mit gleichgeschlechtlich liebenden Menschen war über weite Strecken mit Schuld beladen und beschämend. Wir haben da als Evangelische Kirche keinen leichten Lernweg hinter uns – und wir sind noch mittendrin im Lernen – im Leben und Lieben. Ich stehe dafür ein, dass die Hochschätzung einer Lebensform nicht Ausdruck finden darf durch die Herabwürdigung anderer Lebensformen! Die klare Positionierung der früheren Nordelbischen Kirche und seit 2012 der neu gegründeten Nordkirche hat der AIDS-Seelsorge hier und an anderen Orten zusätzlich Gewicht gegeben - bis in eine Szene hinein, die sonst den Kontakt zur Kirche fast gänzlich verloren hat (Schwule Community). Die neueren Diskussionen im Zusammenhang mit der Fusion zur Nordkirche um die Segnung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und um die Möglichkeit, als homosexuelle Frau oder Mann in unserer Kirche leben und arbeiten zu können, werden völlig zu Recht aufmerksam verfolgt – und unsere Position ist klar: Ich habe des Öfteren auch öffentlich gesagt, dass es für mich ein Zurück hinter die ehemals Nordelbischen Beschlüsse zu Lebensformen und Segnungshandlungen nicht geben kann. Vor allem Diskriminierung, Ausgrenzung wollen wir nicht! Der Rahmen ist klar und weit gefasst – es ist sehr viel möglich in unserer Kirche. Ein Glück, meine ich!

 

 III

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, leben und lieben heißt auch feiern: Feiern mit Gott, der in Jesus erschienen ist und immer wieder neu erscheint als Gott der Liebe und der Gerechtigkeit. Darum geht´s im Advent und an Weihnachten: Fürchtet euch nicht, diese Botschaft der Engel bei den Hirten, Schafen und Ziegen damals auf den Feldern von Bethlehem, sie ist unverändert aktuell: Es gibt wahrlich viele Gründe, sich zu fürchten, natürlich auch dann, wenn ich weiß, dass ich das Virus in mir trage… Und dennoch, dann und auch sonst ist diese Botschaft eine, die für alle Menschen gilt: Fürchte dich nicht, Du Mensch. Gott hat dich bestimmt zu einem Menschen, der lebt und liebt und geht mit aufrechtem Gang! Und Gottes Regenbogen wölbt sich über Dir und allen, damit wahr werde, was verheißen ist: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!“

Datum
01.12.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Gerhard Ulrich
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