13. Dezember 2013 - Hauptkirche St. Petri Hamburg

13. Dezember 2013 - Impulsvortrag zum Motto des diesjährigen Ökumenischen Anderen Advents: "Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein"

13. Dezember 2013 von Kirsten Fehrs

"Sehnsucht nach dem Anderen Advent"

Liebe Schwestern und Brüder,

heute, am 13. Dezember ist Lucia-Tag.  Ein lichter Tag. Licht ins Dunkel zu bringen, ist im Winter Schwedens, woher der Brauch kommt, lebenswichtig. Vor allem für die Seele. Denn in manchen Gegenden liegen zwischen Sonnenaufgang und -untergang nicht einmal zwei Stunden.  Das Licht ist also ein Fest für sich: 12 Tage vor Weihnachten scheint es im Vorblick auf die Heilige Nacht auf. Und mit ihm die Sehnsucht, dass die Dunkelheit – ja dass die persönlichen Dunkelheiten, die Menschen umfangen können -  ein Ende haben.

Dieses Sehnen und Ziehen nach vorn und nach oben – das macht den Advent so spannungsvoll. Macht ihn so anders, den Advent, als andere Zeiten. Irgendwie spüren die Menschen, ohne dass sie kirchlich sein müssen oder von Gott reden: es ist eine Zeit angekommen, die will, dass wir anders werden. Vielleicht gar zum Segen. Für mein Kind. Für den Einsamen. Für sie, die sich quält mit den durch Unfall und Leid herauf gerissenen Warum-Fragen, die unverstanden auf ihrer Seele liegen.

Es gibt in so vielen Menschen unsrer Tage ein tiefes, manchmal Herz zerreißendes Sehnen nach Licht und Trost und Freude. Ein Sehnen nach einem Segenswort,  das klärt, einem hilft zu verstehen. Das einem sagt, dass es hinter dem Horizont weitergeht. Dass hinter der Dunkelheit auch wieder das Leben wartet.

Und ich verstehe das alles zugleich als ein Sehnen nach einem Gott, der für viele im Dunkel zu bleiben scheint.  Unbegreiflich groß. Unsichtbar. Und irgendwie so - entfernt - vollkommen. Und ich merke bei mir selbst, gerade im Advent, dass meine kleine Erdenseele sich sehnt, teilzuhaben an dieser Vollkommenheit. Mag sein, es geht Ihnen ähnlich. Vielleicht holen wir deshalb Gott mit unseren vielen Lichtern und Kugeln und Marzipankartoffeln manchmal ins allzu Irdische herunter, damit wir Unvollkommenen uns mehr mit uns selbst zu Recht finden, uns vollständiger fühlen. Damit wir die Süße des Lebens schmecken. Und Gottes Nähe. Es ist dies ein Sehnen nach einer besseren Welt, die nicht vor lauter Gewalt auseinanderreißt. Eine Welt, in der Gott nicht unbekannt verzogen ist, sondern neben dir sitzt. Es liegt Begehren in diesem Sehnen und Eros und Schmerz – alles zugleich. Denn in dem Maße, wie mir meine Unvollkommenheit bewusst ist, in dem Maße wie Unrecht und Schuld, Friedensferne und Ungeduld mich umtreiben, in dem Maße steigert sich das Sehnen nach einem heilenden, rettenden  Wort. Nach Veränderung. Nach klaren Verhältnissen. Nach wahrem, nicht falschen Schein. Mehr Licht!

Kein Zufall, dass das Lucia Fest ein echter schwedischer Exportschlager ist. Seliges Entzücken begleitet die Kinder oder jungen Frauen in unzähligen Ländern, wenn sie - einen Lichterkranz auf dem Kopf – durch den Raum schreiten und „Santa Lucia“ singen. Übrigens ist es das Lied eines neapolitanischen  Fischers. Stammt doch die Heilige Lucia, auf Deutsch „die Lichtvolle“, aus Sizilien. Ihre Legende erzählt, dass sie sich tatkräftig einer Heirat widersetzte. Sie wollte lieber etwas Sinnvolles tun J – und hat eine Armen- und Krankenstation gegründet und verfolgten Christen Lebensmittel in ihre Verstecke gebracht. Damit sie dabei auch in der Dunkelheit beide Hände frei hatte, soll sie eben jenen Kerzenkranz auf dem Kopf getragen haben.

Was für eine Botschaft in einer Stadt, in der gegen ein Hospiz in der Nachbarschaft geklagt wurde. Was für eine Botschaft aber auch in einer Stadt, in der monatelang die Menschen Mitgefühl und in riesiges zivilgesellschaftliches Engagement für Flüchtlinge – und zwar nicht allein aus Lampedusa - gezeigt haben. Einer Stadt auch, in der so viele Ehrenamtliche für die Hamburger Tafel unterwegs sind, weil sie angerührt sind von der Not armer Menschen.

Hier sind Menschen herzens-bewegt. Das macht mir Mut und Hoffnung. Und die heißt: sei es auf dem Kiez ebenso wie in den Elbvororten -  wir haben alle die Kraft, anderen zum Segen zu werden. Es liegt auch an uns, dass es lichter wird in dieser Gesellschaft. Vielfältig. Vielfarbig. Vielstimmig. Weihnachten inmitten des Marktes der Welt. Wir haben so viel zu geben. Und das mag uns innerlich dafür öffnen, auch für uns etwas anzunehmen:  Gute Tat und Segen für die persönlichen Dunkelheiten.  

Der so tief verehrte Nelson Mandela – gesegnet, unzähligen zum Segen zu werden  - Nelson Mandela wird in seiner Antrittsrede als Präsident 1994 ein großartiger Licht-Text zugeschrieben. Auch wenn diese Worte nicht von ihm selbst stammen, ist in ihnen all das, wofür er gekämpft und gelebt hat. Dieser Segenstext ist mein Lucia-Kranz heute. Ich möchte Ihnen den zum Abschluss mit auf den Weg geben:

Unsere größte Angst ist nicht, unzulänglich zu sein. Unsere größte Angst besteht darin, unermesslich mächtig zu sein. Unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, ängstigt uns am meisten.

Wir fragen uns, wer bin ich überhaupt, um strahlend, bezaubernd, begnadet und phantastisch sein zu dürfen?

Wer bist du denn, dass du das nicht sein darfst?
Du bist ein Kind Gottes.
Es dient der Welt nicht, wenn du dich klein machst.
Sich herabzusetzen, nur damit unsere Mitmenschen sich nicht verunsichert fühlen, hat nichts mit Erleuchtung zu tun.
Uns allen ist es bestimmt, wie Kinder zu strahlen.
Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes in uns zu verwirklichen.
Es ist nicht nur in einigen Menschen, sondern in jedem von uns.
Und wenn wir unser Licht leuchten lassen,
geben wir damit anderen unwillkürlich die Erlaubnis, dasselbe zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst losgelöst sind,
wird unsere Anwesenheit – ganz ohne unser Zutun – andere befreien. (von Marianne Williamson)

Gehen wir dem Licht entgegen, das in uns leuchten will. Es wartet darauf gesehen zu werden. Damit der Advent ganz anders wird. Und die Welt dazu. Amen

Musik + Vaterunser

Segenswort:

Herr, unser Gott, du kommst uns nahe,

du willst einziehen bei uns. So bitten wir dich

Herr Jesus Christus,

lass die Liebe wirksam werden,

dass kein Kind hungert an gesunder Nahrung und an Herzensliebe.

Gott des Heils

Wir beten um Gesundung für die Kranken,

wir beten um Erfüllung für die Verliebten,

wir beten um Treue in der Freundschaft.

Jesus Christus, Friedenskönig,

rühre uns mit deiner Liebe an-

jede Seele auch im Dunkeln,

jeden Menschen in seiner Würde,

jede Nation in ihrer Fähigkeit zum Frieden.

So segne euch der dreinige Gott.  (Aaronitisch)

Datum
13.12.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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