FREGATTE MECKLENBURG-VORPOMMERN

13. Mai 2012 - Ökumenischer Gottesdienst anlässlich des Hafengeburtstags

14. Mai 2012 von Kirsten Fehrs

1. Timotheus 2, 1-6a Der Friede Gottes sei mit uns allen! Ich grüße Sie, liebe Schwestern und Brüder, zu diesem besonderen Gottesdienst. In der Tat ist es für mich das erste Mal, an Bord einer Fregatte zu sein – nun denn mit dem Friedenssegen als erstes Wort, das uns einlädt, die Friedenssehnsucht zu teilen. Anlass dieses Gottesdienstes ist ja, dass der Eröffnungsgottesdienst zum Hafengeburtstag im Michel wegen der zeitgleichen Einlaufparade für so viele von Ihnen nicht möglich ist zu besuchen. Nun denn, wenn Sie nicht zu uns kommen können, kommen wir nun halt zu Ihnen… In der evangelischen Kirche steht der 5.- Sonntag nach Ostern unter dem Proprium oder Motto: Rogate! Betet. Deshalb: Gott, wir brauchen das Friedensgebet in einer aufgestörten Welt. Wir bitten dich, wecke unsere Stimme und lass uns von der Hoffnung singen, die in uns ist. Durch Jesus Christus, unseren Herrn und Bruder. Amen

So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.

Die Liebe Gottes, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei in uns lebendig. Amen

Liebe Schwestern und Brüder!

„Bitte an Bord kommen zu dürfen!“ so heißt es doch Seemanns- und Marine-Knigge? „Bitte an Bord kommen zu dürfen!“ sage ich also mit einem herzlichen Dank für die Einladung und echter Freude, Ihnen zu begegnen. Bitte an Bord kommen zu dürfen – an Bord einer Fregatte! Ich gestehe offen, liebe Gemeinde: Für mich als evangelische Bischöfin mit einer persönlich engen und langen Bindung an die Friedensbewegung ist das nicht selbstverständlich. Deshalb habe ich, zugegeben, bei der Anfrage zunächst gezögert.

Dennoch bin ich gern gekommen. Denn es geht um mehr als meine persönliche Geschichte. Es geht darum, dass wir in unserer Gesellschaft beieinander bleiben. In Respekt voreinander, die wir hier und andernorts vielleicht Unterschiedliches denken – aus unseren Überzeugungen heraus. Es braucht generell heutzutage viel häufiger die Bitte, an Bord des jeweils anderen kommen zu dürfen. Denn unsere Gesellschaft, ja unsere Welt droht in immer tiefere Spaltungen zu geraten: zwischen Süd und Nord, Arm und Reich, Ost-West, global, regional, zwischen denen, die Frieden wollen ohne Waffen und mag sein denen, die ihren Dienst auf dieser Fregatte tun. Gegen all diese Spaltungstendenzen: Wir müssen beieinander bleiben, ich bitte Sie! Den Dialog wagen. Erkennen und verstehen, dass wir uns in einem Boot befinden, das Erde heißt. Ein Boot, das jetzt schon Mühe hat, die Balance zu halten, weil sich in ihm so viele Konflikte abspielen. Wir alle wissen es: Unzählige Dilemmata durchziehen unsere Realität. Dilemmata, die eine innere Logik haben: Gleich, was man tut, um sie zu lösen, man richtet immer auch etwas an. Es gibt nicht nur Lösung, sondern auch Verletzung. Nicht nur Rettung, auch Gefährdung. Piraterie ist ein naheliegendes Beispiel. Die Geiselnahmen ängstigen sehr, wem erzähle ich das hier. Und zugleich wissen wir, dass wir es mit einer organisierten Kriminalität zu tun haben, die die Armut der Ärmsten schamlos ausnutzt. Der Versuch, sich auf See zu schützen – und nun einen Kilometer, zwei Kilometer an Land dazu? – gefährdet wiederum Zivilisten. Was für ein Dilemma!

Ich bitte Sie, zu Ihnen an Bord kommen zu dürfen, liebe Gemeinde, auch mit diesen ernsten Gedanken, die mich als Christin derzeit umtreiben. Der Predigttext aus dem 1. Timotheusbrief selbst bittet gewissermaßen darum. Darum, das Dilemma ins Gebet zu nehmen. Den inneren Streit gerade nicht zur Seite zu legen, sondern auszusprechen. So liegt dem Schreiber des Timotheusbriefes daran, dass der Mensch betet. Dass er wieder lernt zu bitten. Für sich selbst. Und natürlich für andere. Fürbitte, die alle und alles einschließt. Die Mächtigen wie die Ohnmächtigen. Die Freude über das Leichte eines sonnigen Hafengeburtstages ebenso wie das Leiden an der Widersprüchlichkeit.

Denn Beten hilft allen, sagt er. Es ist etwas Wechselseitiges zwischen Gott und Mensch. Der Mensch denkt, zweifelt, lacht und macht sich Sorgen. Und Gott, Gott hört zu. Er hört, wenn wir bekennen, was uns belastet, aber auch, wer unsere Sonne ist und unser Glück. Er hört, wie sich unser Herz nach Liebe sehnt, aber auch wie wir mit bösartigen Gedanken kämpfen. Er hört, wenn wir zu jemanden sagen: Ich denke an dich! – eigentlich aber meinen: Ich bete für dich. Und wenn wir in einer Kirche still eine Kerze anzünden, dann hört er, dann hören wir in diesem Schweigen so viele Namen so vieler Menschen, für deren Gesundheit, Kraft, Linderung, Erlösung gebetet wird. So erlösend ist es, liebe Gemeinde, über sie und über uns die Wahrheit auszusprechen. Erlösend, weil es ein stilles Einvernehmen zwischen Gott und Mensch gibt, das auch das Friedlose in uns und das Unlösbare aufnimmt. Und so bete ich und erkenne dabei: Im Handeln, im Denken, im Wollen bin ich begrenzt. Erlösungsbedürftig. Ich bete, also bin ich - Mensch. Und deshalb kann ich beten: Dein Wille, Gott, geschehe.

Denn Gottes Wille will, bitte, an Bord kommen. In unsere Mitte.
In dieser Woche, am 8. Mai jährte sich der Tag des Kriegsendes 1945. Es ist auch der Tag, - heute an Muttertag geht es mir besonders nach -, an dem meine Mutter nach traumatischer Flucht das erste Mal seit Langem wieder etwas zu essen bekam. Und dann, die Füße in Stiefeln bei fast 30 Grad, hat sie getanzt. Sich so lebendig gefühlt. Auch weil sie das erste Mal wieder hat richtig beten können: Dein Wille geschehe…

Denn zwölf Jahre geschah sein Wille nicht. Zwölf Jahre wurde er mit Füßen getreten. Es hat gedauert, bis man, bis wir „zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen sind“, wie es im Predigttext heißt. Uns die entsetzlichen Verbrechen eingestanden haben. Zum Beispiel mit Worten, die im Oktober 1945 vom Rat der EKD vor Gästen aus der Ökumene ausgesprochen wurden:
„….Mit großem Schmerz sagen wir: …Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt, nicht brennender geliebt haben. Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden.

Für mich ist dieses Stuttgarter Schuldbekenntnis eines der aktuellsten unserer Kirche. Besonders berührt mich dies: „Dass wir nicht treuer gebetet haben“, dass wir nicht – mit unserem Predigttext gesprochen – für alle gebetet haben, insbesondere nicht für die Obrigkeit. Damit sie zur Besinnung kommt! Denn Beten hat verändernde Kraft. Wer betet, findet sich nicht ab, sondern denkt nach. Darüber, was Gottes Wille ist. Wer betet, widersteht der Gottlosigkeit. Widersteht ihr überall dort, wo bis heute Terror und Rassismus herrschen, wo es viel zu viel Waffen gibt und viel zu wenig Brot. Wo der Krieg Kindersoldaten gebiert und Flüchtlinge in Booten zu Tausenden untergehen.

Bitte an Bord kommen zu dürfen – sagt mit ihnen Christus selbst. An Bord unserer Seele, dass sie empfindsam bleibe. Und an Bord unseres Gesellschafts-Schiffes, damit wir beieinander bleiben und uns verständnisvoll ins Gebet nehmen. Und so mögen dann wir bitten: Komm an Bord, du Gott der Hoffnung, dass unter uns Segen blüht und Maientanz, Freundschaft und Barmherzigkeit. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Zum Anfang der Seite