16. Mai 2013 - Katholische Kirche Neustrelitz

16. Mai 2013 - Predigt im ökumenischen Gottesdienst

16. Mai 2013 von Andreas von Maltzahn

Micha 6,6-8 und Lk 24,13-35

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

 

Ein Thema gibt der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen Orientierung: „Mit Gott gehen“  – eine Formulierung, die Fragen weckt, Gedanken anregt.

- Wie sehr sind wir auf dem Weg mit Gott?

- Wie stark bewegt uns die Sehnsucht nach seinem Reich?

- Sind wir wirklich ‚Bewegung‘ – als Gemeinde, als Kirche? Oder sind wir mehr Institution, Verein von Gleichgesinnten, als ‚Bewegung‘?

 

Ich bin überzeugt: Bewegung sollen wir sein. Jesu Ruf in die Nachfolge meint doch, sich bewegen zu lassen von seinem Geist, aufzubrechen, heraus aus Gewohnheit und Ichbezogenheit – hinein in ein Leben, in dem Jesus Christus Herr ist und er unser Sinnen und Trachten, unser Tun und Lassen gestaltet. Bewegung sollen wir sein auch im Miteinander verschiedener Kirchen, in der Ökumene. All dies bedenken wir heut Abend im Licht von Gottes Wort.

 

Wie sollen wir uns Gott nahen? Der Prophet Micha hat Menschen vor Augen, die sich geradezu hineinsteigern in eine unglaubliche Opferbereitschaft: Kälber, tausende Widder, ja, sogar der erstgeborene Sohn wird Gott da zum Opfer angeboten! Micha jedoch sagt nüchtern:  „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.“ Nicht besondere religiöse Leistungen werden von uns erwartet, sondern ein Leben, das in allen Bereichen Gottes-Dienst ist: „Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.“

 

Was heißt das – in unserem persönlichen Leben wie im Leben unserer Gemeinden und Kirchen?

 

„Den Weg gehen mit deinem Gott“ – da ist es wieder: das Weg-Motiv. Und auch das heutige Evangelium erzählt eine Weg-Geschichte. Die Geschichte von den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus ist uns als Ostertext vertraut. „Brannte nicht unser Herz?“, sagten die beiden Jünger rückblickend. Kleopas und der andere, sie gehörten nicht zum engsten Kreis; und doch waren auch sie ganz gefangen von der Dramatik der Ereignisse. Ihre Augen waren „gehalten“. Sie erkannten nicht, wer sich auf dem Weg zu ihnen gesellt hatte. Sie verstanden nicht, was geschehen war. Sie verstanden nicht, was in den Schriften geweissagt worden war. Da musste erst der Auferstandene kommen und ihnen die Augen öffnen.

 

Als er ihnen das Brot brach, geschah es. Ihre Augen wurden geöffnet. Sie erkannten ihren Herrn. Und sie hatten wieder ein Gefühl für das Feuer, das in ihnen gewesen war, als sie miteinander auf dem Weg waren und er ihnen die Schrift öffnete. Nicht die Erklärung Jesu brachte den Durchbruch – sondern dass sie beieinander blieben und das Brot miteinander brachen.

 

„Brannte nicht unser Herz?“ Es könnte auch eine Überschrift für die ökumenische Bewegung sein. Nach Jahrhunderten tiefer Trennungen zwischen unseren Kirchen gab es – Gott sei Dank! – einen ökumenischen Aufbruch. Mit brennendem Herzen machten sich Christinnen und Christen in beiden Konfessionen daran, das Gemeinsame zu suchen und zu stärken. Wichtige Fortschritte wurden erreicht. Z. B. die Rechtfertigungslehre, die in der Reformationszeit noch zur Kirchenspaltung führte, muss uns nicht mehr entzweien. Wir anerkennen gegenseitig die Taufe. Es gibt ökumenische Trauungen und eine gemeinsame Bibelübersetzung.

 

Wer aber gehofft hat, dass sich auch alle anderen Trennungsgründe schnell als nicht mehr so gewichtig herausstellten, wurde enttäuscht. Das Verständnis von Amt und Kirche weist nach wie vor große Unterschiede auf. Und gerade das, was den Emmaus-Jüngern die Erleuchtung bringt, dass Christus ihnen das Brot bricht, ist keine Erfahrung, die wir miteinander teilen. „Brannte nicht unser Herz?“ – manche werden diesen Satz im Blick auf die ökumenische Bewegung auch etwas traurig und müde sagen.

 

Aber vielleicht ist es ja die Emmaus-Geschichte selbst, die uns stärkt und neu mit auf den Weg nimmt. Auch die Emmaus-Jünger schlugen sich herum mit Fragen des Verstehens. Sie waren hin- und hergerissen zwischen ihren Zweifeln und ihrer Leidenschaft für die Sache Jesu. Sie kannten die Schriften gut, aber sie fanden keinen Ansatzpunkt für eine überzeugende Deutung. Sie blieben jedoch im Dialog und sahen das Gespräch als eine Möglichkeit, mit ihren Zweifeln und Fragen umzugehen. Sie taten das in der Gegenwart Christi – der Autorität, die schließlich das Verstehen eröffnete. Sie hielten fest an ihrer diakonischen Berufung: Sie luden den Fremden ein, über Nacht ihr Gast zu sein. Sie blieben gastfreundlich untereinander und hielten Tischgemeinschaft.

 

Genau durch dieses Zusammenspiel – der deutenden Gegenwart Christi im Gespräch und der Gegenwart Christi im Brotbrechen – wurden ihnen die Augen geöffnet. Das ermutigte sie, zurückzukehren an die Orte der Gewalt und des Leidens, um ein Zeugnis ihrer Hoffnung zu geben, ihrem Nächsten zu dienen und für Gerechtigkeit zu arbeiten.

 

Schwestern und Brüder, auch wir sind gerufen, diesen Weg zu gehen:

- nach der Wahrheit zu fragen, nach dem rechten Verständnis der Schrift und unserer eigenen Erfahrungen,

- miteinander auf dem Weg zu bleiben und im Gespräch, bis Christus uns die Augen öffnet,

- darauf zu vertrauen, dass im Hören auf Gottes Wort, im Feiern des Herrenmahls, dass in der Gastfreundschaft, die wir uns heute schon gewähren können, uns Zugang geschenkt wird, zu verstehen, wie wir leben sollen.

Auch wir sind gerufen, ein Zeugnis unserer Hoffnung zu geben und die Liebe Gottes unter die Leute zu tragen. Denn wir haben einen Auftrag zu erfüllen.

 

Um es mit Worten Papst Benedikts XVI. zu sagen: „Das bereits Erreichte stärkt unsere Zuversicht, im Dialog weiterzugehen und so auf dem gemeinsamen Weg zu bleiben, auf dem Weg der letztlich Jesus Christus selber ist. Insoweit ist die Verpflichtung der katholischen Kirche zur Ökumene . . . keine bloße Kommunikationsstrategie in einer sich wandelnden Welt, sondern eine Grundverpflichtung der Kirche von ihrer Sendung her.“

 

Schwestern und Brüder,  Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit unserem Gott“ – das können und sollen wir gemeinsam tun. Wir können dabei auf bewährtes Miteinander zurückgreifen:

- Während der Nazizeit widerstanden hier in Neustrelitz Geistliche beider Konfessionen gemeinsam der NS-Propaganda und wurden gleichermaßen von der Gestapo bespitzelt. Auch heute haben wir allen Grund, gemeinsam gegen menschenverachtende, ‚braune‘ Vorstellungen anzugehen!

- Erfahrungen zu DDR-Zeiten haben uns erkennen lassen, das wir zusammengehören: Als ich als Schüler einen Partner suchte, der Lust hatte, mit mir die Bibel von Anfang bis Ende durchzulesen, da war es ein katholischer Mitschüler, der sich bereitfand und durchhielt.

 

Lassen Sie uns nicht immer nur auf das schauen, was uns noch als Gemeinsamkeit verwehrt ist, sondern das tun, was schon jetzt möglich ist:

- Z. B. füreinander zu beten: Es bleibt nicht ohne Folgen, wenn katholische und evangelische Gemeinden regelmäßig füreinander Fürbitte halten. Beten wir auch für die Erneuerung unserer Kirchen, denn es kann uns nicht gleichgültig lassen, dass so viele Menschen in Mecklenburg Gott für ihr Leben noch nicht entdeckt haben.

- Lassen Sie uns gemeinsam Taufgedächtnis feiern! Vielleicht hilft uns ja ein vertieftes Taufverständnis zu Fortschritten auf dem Weg zur Einheit.

- Erzählen wir einander, was uns bewegt. (Pastorale Räume)

- Gehen und gestalten wir ökumenische Pilgerwege!

 

Schon diese wenigen Beispiele zeigen: Es ist viel, was wir tun können. Die schon jetzt bestehenden Möglichkeiten sind noch lange nicht ausgereizt. „Brannte nicht unser Herz?“ Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit unserem Gott“ – das soll uns bewegen. Das sei unser gemeinsamer Gottes-Dienst! Stärke uns Gott auf unserem gemeinsamen Weg!

 

Amen.

 

Und der Friede . . .

Zum Anfang der Seite