Kirche am Markt Hamburg Niendorf

17. März 2013 - Ordinationsgottesdienst

17. März 2013 von Kirsten Fehrs

Predigt zu Markus 10, 35-45

Ja, so haben sie sich das gedacht, die zwei. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.  Schnell also ziehen Jakobus und Johannes an den anderen Jüngern vorbei . Sie erheben Anspruch auf die Ehrenplätze links und rechts neben dem Thron des Gottessohnes. Platzreservierung auf der Ehrentribüne, Poleposition im Himmelreich. So stellen sie sich das vor.

Dass die anderen 10 in der Gruppe vor Wut schäumen, stört sie nicht. Wutschaum von heute ist morgen Schnee von gestern. Was man hat, das hat man. Die Frage ist nur: Was haben die zwei wirklich?

Haben sie eine Ahnung, wie ernst die Lage eigentlich ist? Dass es bei Jesus buchstäblich um Leben und Tod geht – und dass ihr Begehren, bedeutend und groß zu sein, ungemein kleinlich wirkt?

Ja, vielleicht haben gerade sie diese Ahnung. Waren sie doch, so erzählt es der Evangelist zuvor, gemeinsam mit Jesus auf dem Berg Tabor. Es war eine so besondere, eine Sternstunde. Der strahlende  Jesus ganz dicht neben ihnen nimmt ihnen jeden dunklen Gedanken von der Seele. Vor sich das weite Land, durchflutet sie Klarheit. Hoffnung.  Gott. Und dann hören sie eben seine Stimme!  Das ist mein lieber Sohn, sagt Gott, den sollt ihr hören.

Ihn sollt ihr hören.

Es war eine besondere, eine Sternstunde während unserer Ordinationsrüstzeit, liebe Ordinandinnen und Ordinanden. Als wir gewissermaßen auch auf dem Berg standen und in das weite Land vor uns blickten. So verheißungsvoll offen. Bei allem, was natürlich auch als Mühen der Ebenen  erkannt worden ist in jeder Ihrer neuen Wirkungsstätte – bei allem, was gut „vikariatisch“ natürlich auch nach Abgrenzung und Nein-Sagen ruft – es war eine besondere Kraft im Raum , als Sie anfingen zu erzählen, wozu Sie JA sagen wollen. Dass und wozu Sie sich berufen fühlen. Wie Sie in Ihrem Leben eben auf ihn gehört haben. Oder neu gelernt haben auf ihn zu hören.

So etwas sie, die von Kind an Behütete – sie sagt mit ihrem Leben; ich bin berufen zu halten. Berufen, das Geborgensein zu ergründen für die, die drohen den Boden zu verlieren. Zu segnen, die ein Dach über ihre Gedanken brauchen.

Oder er, der von der Gebrochenheit des Todes  Aufgewühlte – er sagt: ich bin berufen zu trösten. Selbst getröstet dadurch, dass wir trotz kluger Theologie eben nicht alles ergründen können. Getröstet darin, dass das klagende Warum? manchmal das einzige Gebet ist.

Oder sie, die von Gegensätzen immer wieder hin- und Hergeworfene –  sie ist berufen zusammen zu bringen: Tradition und Moderne,  altes Lied und neues Lied, Kultur und Kultur. Frei und ohne Vorbehalt.

Oder die andere vielseitig Begabte  – sie ist berufen, Verbindung zu schaffen: Zwischen Kirche und Kultur, Musik und Sprache, Frage und Antwort, Gemeinde diesseits und jenseits von (Straßen) Grenzen.

Oder er, der immer wieder Geprüfte – er ist berufen zu würdigen. Berufen,  die zu achten, die mit Ängsten kämpfen und tiefe Täler durchschreiten. Damit auch sie nicht bitter werden und  Lebensfreude empfinden.

Oder sie, die von unzähligen Umwegen und weiten Gedanken Geprägte, sie ist berufen das Kreuz manchmal quer zu denken. Um denen einen Weg zu eröffnen, die immer suchten, doch nie fanden.

Und schließlich er, der weit gereiste und innerlich Angekommene – er ist berufen zu ermutigen, sich zu trauen. Hinaus aus zu engen Gedankengebäuden. Hinaus aus müdem Streit. Hinaus aus alter Kränkung.

Denn: Ja, sagt er. Mit voller Überzeugung. Wie sie alle. Wir sind das Salz der Erde. Licht der Welt. Das ist unser Auftrag, seit er, der Gottessohn, Licht war auf dem Berge.

Ihn also wollen wir hören, sagen Sie, liebe Ordinandinnen und Ordinanden mit Ihren so unterschiedlichen Lebens- und Glaubensgeschichten. Und alles tun, damit seine Botschaft verstanden wird.

Jakobus und Johannes haben verstanden.

Sie sind hingerissen. Und sie wissen genau: diese Stunde dort auf dem Berg war Gott ihnen nahe wie nie.  Und das wird sie verändern.  Worte hatten sie viele gehört, manche sogar begriffen, doch dieser Moment mit dieser unerhört väterlichen Zärtlichkeit, der  hat sie gerufen. Dieser Moment hat sie „verstanden“. Nie werden sie das vergessen. Nie werden sie von Jesu Seite weichen. Auch im Tod nicht. Und im Leben danach.

Und so empört es Jesus gar nicht, dass sie offen zeigen, wie es in ihnen aussieht. Dass sie mit fast kindlichem Gemüt fordern, da zu sein, wo Jesus ist. Und so erklärt er es ihnen halt wie Kindern, warum es nicht so einfach geht, was sie sich wünschen. Der Gastgeber unseres Lebens ist eben ein anderer, sagt er. Unverfügbar. Größer als jede Hierarchie. Ohne Sitzverteilungsplan. Ohne Macht, die Ohnmacht gebiert.

Ihn sollen wir hören, sagt Jesus uns.

Ihn, und also nicht die, die als Herrscher gelten. Die durchsetzen statt zu verhandeln. Die mit Gewalt regieren und sich der Wehrlosen bemächtigen. Mit atomarer Drohung, Bombenterror und ruinöser Moral – damals in Rom. Heute in Nordkorea und Ungarn – da wird einfach eine Verfassung ausgehebelt! Oder in Kenia. Iran. In Homs.

Gott sollen wir hören – und deshalb ihm eine Stimme geben. Worte leihen. Gebete denken. Von Hoffnung singen. Den Frieden glauben.

Für die anderen. Für die Welt. Aber auch für uns. Insbesondere für den Frieden unter den Geschwistern, Glaubensgeschwistern allzumal. Wie sehr können einen der eigene Bruder oder die eigene Schwester auf die Palme bringen! Neid, Konkurrenz, tiefe Kränkung – Geschwister sind einem einfach zu nahe. Deshalb können sie einen treffen. Und es geht ja meist um viel. ES geht um die Liebe des Vaters. Um die Geborgenheit der Mutter. Die Achtung der Schwester. Die Würdigung der eigenen Existenz.

Es geht auch in unseren Weltgemeinden oft genau darum. Um Herzensdinge und Glaubensfragen. Wessen Dinge und Fragen bedeutender sind. Herzensnäher. Glaubenstreuer. Nicht zufällig geht es oft so ungemein heftig zu  in der Gemeinschaft der Heiligen. Der Wunsch einander zu einen, vorzugsweise die oder den anderen „zu einen“, endet mit tiefer Verletzung. Da führt manch Brückenbau zum Grabenkampf,  manch Fusion zur Konfusion…

…Und Jesus rief die Streitenden zu sich und sprach zu ihnen: Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Lösegeld gebe für viele.

Es ist wahrlich revolutionär  -auch und gerade für die  Institution Kirche – dass hier jedes hierarchische Denken auf den Kopf gestellt wird. Die Freiheit des Christenmenschen ereignet sich im Dienen. In der Kunst sich zurückzunehmen, ohne sich aufzugeben. In der inneren Haltung, nicht um Liebe ringen zu müssen, weil ja längst geliebt, begnadet, beschenkt von Gott selbst.

Ich empfinde das als echte Herausforderung und Verheißung  zugleich, ohne Vorbehalt und aufrecht als Gottes Kind zu leben, aus sich heraus frei. Nicht angewiesen darauf, dass andere einem sagen, wer und was man zu sein hat. Sich nicht verführen zu lassen durch Machtallüren, Hetzredner, Schmeichler und die falschen Propheten unserer Zeit…

Ihn sollen wir hören.

Auch in unserem ganz menschlichen Bedürfnis nach Anerkennung. In den traurigen, einsamen Momenten. In den friedlosen Zeiten, die, liebe OrdinandInnen, unser Amt als das Amt der Versöhnung mit sich bringen kann.

Aber – auch darin leben wir im Herrn. Wir erweisen uns als DienerInnen Gottes, wenn wir  zusammen halten, was uns innerlich immer wieder in Spannung versetzt. Was die ganze Welt zu zerreißen droht in ihren Krisen. Ihn sollen wir da hören. Und von ihm sollen wir reden.  Als SeelsorgerInnen in dieser Welt, die etwas verstehen von den Dunkelheiten, die Menschen durchleiden.

Aber auch als PastorInnen, die die unerhörte Freiheit geschenkt bekommen haben, an jedem neuen Tag das Fenster zum Himmel zu öffnen. Auch um das Land vor sich zu sehen. Dafür ist Christus gestorben und auferstanden: dass wir nicht bei uns selber und all den drängenden Problemen verharren, sondern dass wir uns lösen. Das wir die Weite schauen und das Unvergängliche, das Ewige. Und ich bin sicher, so wie ich Sie kennen gelernt habe: Mit dieser inneren Perspektive können Sie anderen Menschen zum Segen werden: dass auch im sichtbar Bedrängenden etwas wirklich Großes wirksam ist: Gottes kraftvolle und heilsame Gegenwart.

Es ist ein schönes Amt, das auf Sie wartet!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Datum
17.03.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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