7. April 2023 | Lübeck, vor der Jugendherberge

18. Ökumenischer Kreuzweg: Bedrohung. Mut. Frieden.

07. April 2023 von Kirsten Fehrs

Karfreitag, Station 4: Jesus wird verspottet und gekreuzigt, Ansprache zu Matthäus 27,37-44

Lesung

Über seinem Kopf hatten sie eine Tafel befestigt, die den Grund seiner Verurteilung angab: Das ist Jesus, der König der Juden. Zusammen mit ihm wurden zwei Räuber gekreuzigt, der eine rechts, der andere links von ihm. Die Leute, die vorbei gingen, schmähten ihn, schüttelten den Kopf und riefen: Du willst den Tempel abreißen und in drei Tagen wieder aufbauen? Wenn du Gottes Sohn bist, hilf dir selbst und steig herab vom Kreuz!

Auch die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten verhöhnten ihn und sagten: Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Er will doch der König von Israel sein. Dann soll er vom Kreuz herabsteigen und wir werden an ihn glauben. Er hat auf Gott vertraut: Der soll ihn jetzt retten, wenn er ihn liebt, denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Ebenso beschimpften ihn die beiden Räuber, die man zusammen mit ihm gekreuzigt hatte.“ (Matthäus 27,37-44)

Ein karges Todesprotokoll. So zynisch. Hilf dir doch selbst! Hilf dir doch – der du da am Kreuz hängst und vor Schmerzen stöhnst.

Diese abgrundtiefe Menschenverachtung, liebe Geschwister, diese Herzenskälte und der Hass, der daraus spricht, so entstehen Kreuzwege. Helft euch doch selbst, die ihr den Panzern und Bomben ausgeliefert seid. Die ihr von Diktatoren gefoltert werdet. Die ihr in den Flüchtlingslagern der Welt verelendet. Helft euch doch selbst? Nein!

Seit Jesus litt auf Golgatha, unser Jesus, den wir lieben, seit Golgatha sind wir niemals mehr unbeteiligt, wenn Menschen einander Gewalt antun. Seit Golgatha sind wir sofort mittendrin, ist unser Widerspruch gefordert und unsere Verantwortung.

Und was? Was tun? Als Christenmenschen? Welche Wege werden wir finden? Welche Worte, welche entwaffnenden Einsichten, welchen unmissverständlichen Widerspruch angesichts eines Angriffskrieges, in dem das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine völkerrechtlich unbestritten bleiben muss? Und wo zugleich der russische Despot in keiner Weise zu Verhandlungen bereit ist, im Gegenteil, in dem die Brutalität jeden Tag zunimmt? Da reißt doch alles auseinander: Glaube, Liebe, Hoffnung. Und Herzen, Menschen, Völkerfrieden.

Wir müssen uns eingestehen, dass wir keine Antwort haben, die sofort alles löst. Aber wir haben einen Auftrag, der uns Hoffnung gibt. Und der lautet: Trotz aller Gewalt vom Frieden her denken. Den Überfallenen Hilfe leisten, der Gewalt wehren, ja gewiss – und doch immer zu wissen: Gott will keine Toten und Verletzten – Hunderttausende sind es schon, guter Gott! – auf keiner Seite. Gott will, dass wir vom Frieden her denken und nicht von der Logik des Krieges. Vom Neuanfang, nicht vom Ende. Von Umkehr und Verwandlung her und nicht von der Alternativlosigkeit.

Das ist doch unsere Kraft als Christen und Christinnen, dass wir über das hinaus glauben, was wir an Schmerz und Trümmer vor uns sehen. Dass wir Hoffnung haben können – manchmal gegen alles Erwartbare und Realistische.

Von wegen, schreien die Zyniker, die ungerührt dem Leiden zusehen. Warum lässt Gott das denn das alles zu? „Wenn du wirklich Gottes Sohn bist, hilf dir doch selbst, steig herab vom Kreuz!

Er hätte die Nägel aus dem Holz gerissen und hätte erhobenen Hauptes die erschrockene Menge durchschritten. Man hätte ihn als Sieger gefeiert! Endlich kein Glaubens – und Gotteszweifel mehr!

Und dann? Wäre er weitergezogen, und man hätte ein Heldenepos geschrieben. Von einem, der auf Händen getragen wird – aber der nicht mich trägt. Mich hier in Lübeck, blank mit all den Fragen und Nöten und friedensethischen Dilemmata, mich Nichtheldin kann der nicht brauchen.

Und ich denke an meine Freundin, die vor einigen Tagen gestorben ist, das Gesangbuch in der Hand. Was hätte ihr ein Gott geholfen, der aus dem Leiden aussteigen kann? Meine Freundin hat es nicht gekonnt.

Und ich denke an sie, die in der Ukraine um ihr Leben, ihre Familien, um ihre Kultur kämpfen, die sich oft so ausgeliefert und ohnmächtig fühlen. Was stärkt da ein Gott, der längst geflohen ist, wenn‘s ernst wird? Der sich nicht in Belarus neben die Geschundenen in die Isolationshaft setzt, um den Peinigern ins Auge zu schauen?

Und ich denke an uns, die wir manchmal so verletzt sind, dass wir nicht vergeben können. Was täten wir ohne sein „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun?“ Immer wären wir allein mit unseren fehlenden Antworten. Der Schuld. Unserer Friedenssehnsucht. Und – untröstlich! – auf dem Friedhof würden die Kreuze fehlen. Die Gestorbenen, die wir geliebt und betrauert, sie wären im Nichts. Gott weiß wo. Verloren.

Jesus – er ist nicht herabgestiegen. Hat sich schlagen lassen, bis ans Kreuz. Weil eben in diesem leidenden Christus Gott auch Mensch war. Wahrlich, ein Mensch. Einer in unserer Lage. Verletzbar, und deshalb so unglaublich nahe. Er hat es ausgehalten, diesen Schmerz. Für uns. Halten wir es jetzt aus, mit ihm. Schauen wir auf die Kreuze unserer Tage und lassen nicht unwidersprochen, wo Unrecht geschieht, wo Macht missbraucht und unschuldiges Blut vergossen wird. Denn Christus ist damals nicht herabgestiegen vom Kreuz. Damit wir uns heute nicht heraushalten. Und Hoffnung teilen. Gott sei Dank.

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