2. Februar 2014 - Festgottesdienst zum 400. Kirchweihjubiläum
02. Februar 2014
Luk 2, 22-35
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt.
Amen
Was für ein Fest heute, liebe Gemeinde, mit all der Musik und den Chören (wunderbar eben das Nunc dimittis als chorischer Dialog!) und der Liedertafel und Posaunen – und mit Ihnen allen, die Sie der Dreieinigkeitskirche zu ihrem 400. Kirchweihjubiläum die Ehre geben. Als wär der Himmel tatsächlich voller Geigen, dachte ich eben – denn nach oben in ihr Himmelsgewölbe geschaut ist einem doch ganz feierlich ums Herz und man möchte der ausgesprochen schönen alten Dame gratulieren und sagen: Glück und Segen, dies zu allererst!
Denn was ist diese Kirche selbst für ein Segen! Schauen wir uns um. Hier ist so viel Strahlen und Geborgenheit und kostbares Detail, im wahrsten Sinne eine goldige Kirche, die Ihnen wert und manchmal auch ziemlich teuer ist... Mit modernen Bildern von Max Grunwald, die uns die biblische Weisheit ins hiesige und wirkliche Leben buchstäblich hinein malen. Und genau gegenüber mit einem Baxmann-Altar, dessen fulminant farbenfrohen Bilder uns hinein nehmen ins 17. Jahrhundert, eine alles andere als farbenfrohe Zeit, in der die Luft brannte mit einem unvorstellbar grausamen 30-jährigen Krieg. Und dieses Alte und Junge, der Chor I hier und der Chor II dort, diese alte und junge Kunst, die im Dialog miteinander eine vierhundertjährige Geschichte erzählen, all dies ist doch mehr als Musik und kunstvolle Malerei. All dies ist eine Sprache des Religiösen. Eine Sprache der Annäherung an den Himmlischen. Mit bildgewordenen Sehnsüchten nach Frieden und Segen. All dies ist eine Sprache, die Trost sucht und Licht und Klarheit. Und den Allerhöchsten selbst. So dass er bitte ein kleines bisschen mehr auf die Erde kommen möge. Kann er einem doch manches Mal so fremd sein und so fern und unverständlich. Viel zu groß, um ihn fassen zu können.
Und da hinein nun der Predigttext des Lukas. Mit dem Bild von einem Simeon, der den ganz, ganz kleinen großen Gott in seinen Armen hält. Zärtlich schaut Simeon auf den so lang Ersehnten herunter. Die Szene ist anrührend still, wie immer, wenn alte Menschen ein neugeborenes Kind kieken. Und Simeon weiß mit dem ersten Blick: Das hier ist der Morgenstern seines Lebensabends. Christus, der Retter ist da. Der Himmel ist mit samt seinen Geigen auf die Welt gekommen, in seine, Simeons, Arme.
Eine wunderschöne Geschichte. Sie singt geradezu: Preis, Lob und Dank sei Gott. Das Warten hat ein Ende. Das Leben hält Einzug. Vorbei ist die dunkle Zeit. Das passt. Denn heute ist Lichtmess, ein ganz altes Fest, das von jeher Aufbruch bedeutet. Werden doch die Tage heller und wacht die Natur langsam auf. Mit Lichtmess wurde neu gerechnet, neu gestartet, wurde einst nach hartem Winter die Arbeit auf den Feldern wieder aufgenommen. Und genau am 2. Februar 1614 wurde die Dreieinigkeitskirche geweiht! Nicht nur ein historisches, sondern ein symbolisches Datum, zu dem immer schon dieses Evangelium des Lukas gehört. Denn hier erkennt der alte Simeon, der so viel Vergangenheit in sich angesammelt hat, dass er die Zukunft der Welt in seinen Armen hält. Und er fühlt: Dies ist die Wende. Nicht nur für ihn. Dies ist das Licht für die Menschheit.
Simeon hat immer daran geglaubt. Dafür gebetet. Der Tempel war stets sein Hoffnungsort. Wie auch für Hannah. Immer wieder sind sie dahin gekommen. Getrieben von einem inneren, herzzerreißenden Sehnen. Dem Sehnen nach einer besseren Welt, die nicht auseinander reißt und Gott verloren gibt. Eine in diesem Sinne heile Welt, in der es gut zugeht und gerecht. Und – ist uns dies denn so fern, liebe Gemeinde? Wir kennen es doch auch, dieses Sehnen danach, dass das Leben gelingen möge, dass die Kinder in Arme genommen werden und nicht weggestoßen, dass den Kriegstreibern in dieser Welt Einhalt geboten, die Verfolgten Obdach finden in unserer Menschlichkeit und dass die Sorge um unsere Liebsten Trost erfährt. Kirchen sind nicht allein ehrwürdige alte Damen. Sie sind Hoffnungsorte. Orte des Lichtes. Der Bewahrung. Des Friedensgebetes, das auf sich hält. So auch hier. Hier wurde geholfen, wo Not war, hier wurde geliebt, als der Hass regierte und hier wird bis heute gesegnet, was neu geboren werden will.
Wie viele Menschen haben sich in dieser Kirche in den letzten 400 Jahren mit ihrer Klage und ihrem Halleluja aufgenommen gefühlt. Haben hier ihre Tränen über Krieg und Zerstörung, ihre Ängste vor Sturmflut, Katastrophe und Krankheit, ihren Schmerz über den Tod des Geliebten hingetragen. Und so viele haben hier ihre Seligkeit über die gesunde Geburt ihrer Kinder, über die Liebe ihres Lebens, über die gute Ernte, ja überhaupt ihre Dankbarkeit, wie gut es einem geht, zum Ausdruck bringen können.
Kirchen wie diese hier im Dorf sind Hoffnungsorte. Und deshalb sind sie in unserer Gesellschaft von so großer Wichtigkeit. Denn in dem Maße, wie wir heute Lieblosigkeit erkennen, in dem Maße wie Unrecht und Schuld, Friedensferne und Ungeduld uns umtreiben, in dem Maße steigert sich doch das Sehnen nach heilsamer Veränderung. Nach einem versöhnenden Wort. Nach klaren Verhältnissen. Nach einer Wendung. Und liebe Festgemeinde: Wer sich sehnt, bleibt nicht stehen, wo er ist. Wer sich sehnt, geht und entfaltet Kraft.
So wie es diese Gemeinde Allermöhe-Reitbrook ja gerade erlebt. Sie ist im Aufbruch. Wie Simeon. Diese alte Kirche, die so viel Vergangenheit in sich angesammelt hat, beheimatet Gemeinde, die neu in die Zukunft tritt. Die aufbricht zu neuen Ufern, nun ja gar mit einem Pastor, den Sie dankenswerter weise sogar gewählt haben, weil auch ich ihn gut finde… Möge Segen auf der Zusammenarbeit mit Pastor Ostendorf liegen, der ja zugleich den Brückenschlag zu Moorfleet herstellen will! Danke, lieber Pastor Ostendorf, dass Sie heute hier sind, um sich ausführlich besichtigen zu lassen.
Gebe Gott, dass in dieser Gemeinde mit Herz und Liebe und Verstand das Wirklichkeit wird, was nun das kleine Gotteskind für uns ersehnt: Dass wir einander mit Aufrichtigkeit begegnen und Gastfreundschaft gewähren, nicht nur in unseren Häusern, sondern auch in unseren Gedanken. Dass wir uns mit dem Unterschied der anderen befreunden, anstatt ihn zu befürchten. Dass wir schließlich für die Würde vom kleinen bis zum alten Menschen aufrecht einstehen. Seien er – und sie – aus den Vier-, den Marsch- oder afrikanischen Landen. Auf der Suche nach Trost und Seligkeit in die Kirche gekommen oder aus Verzweiflung und Angst.
In Frieden. In Frieden sollen wir uns lassen. Das ist die Quintessenz des Predigttextes. Und meint damit alles andere als Gleichgültigkeit. Sondern im guten Sinne fromme Lebensart. Wie Simeon. Wir sollten uns von ihm anstecken lassen! Denn er hat unbeirrbar festgehalten an seinem Gott. Inmitten all der Verirrungen und Gewaltexzesse und Bedrückungen. Gott ist Leben, nicht Verzweiflung, singt er. Er ist Liebe, nicht Ausbeutung. Er ist Friede, nicht Gewalt. Er ist die eigentliche Größe in unserem Leben, dieses kleine Kind.
Deshalb hat er gewartet. Ein ganzes Leben, Tag für Tag hat er im Tempel auf Gott gewartet! Kluger Prophet, der er war, hoffte und sehnte er sich durch alle Enttäuschungen und Rätselhaftigkeiten hindurch und hat daran fest gehalten, dass Gott ihm nahe kommen wird. Früher oder später. Doch wie nahe, hätte er sich nicht träumen lassen. Und als es endlich, endlich geschieht, singt er in einer Bachkantate so unvergleichlich schön: „Ich habe den Heiland, das Hoffen der Frommen, auf meine begierigen Arme genommen.“
In seine begierigen Arme hat Gott sich geschmiegt. Was für ein Bild! Simeon hat dieses kleine, zerbrechliche und unsagbar strahlende Gotteskind im wahrsten Sinne herbei-gesehnt. Nun kann er getrost gehen. Er ist selig. „In Frieden läßest du deinen Diener nun fahren…“.
Er muss nicht mehr fragen, erklären, predigen, kämpfen. Das Strahlen bleibt in der Welt, wie es in ihr auch toben mag. Und Simeon weiß, es wird auch ihn unendlich sanft hinüber geleiten, dieses Licht. Still. Voller Trost wird Gott bald ihn in die Arme nehmen.
Nun, liebe Gemeinde, können wir uns nicht heut, erfüllt von Licht und Gottes Wort, für einen Moment zurücklehnen und uns freuen über das Geschenk des Lebens? Können wir nicht wahrhaftig feiern, mit tiefer Freude? Denn Gott ist uns, doch gerade hier und jetzt, so nahe. Er glaubt an dich so sehr, viel mehr als du hoffst. Er liebt dich so tief, wie du es nicht ermessen kannst. Und könnte genau dies nicht auch uns selig machen. Oder gar glücklich. Und dankbar allemal?
Ich jedenfalls bin es. Ich bin dem Herrgott dankbar für Sie alle, die Sie der Liebe Gottes auf die Welt helfen. Die sagen: wir sind nach wie vor da für die Sinnsuchenden, für Kind und Kultur, für die Einsamen und Lebenslustigen, für den Greis und für die, die uns gern einmal ihre Meinung geigen. Wir stehen in der Welt, der Dorfwelt im Namen des Christuskindes für die Würde der bedrohten Kreatur. Stehen für Vielfalt der Kulturen, für Nächstenliebe in allen Lebenslagen, für Dialog und die Gerechtigkeit. So viele engagierte, verdiente und liebevolle Menschen tun ja daran mit. Taten es über viele Jahrhunderte! Sie bauten und bauen bis heute an diesem Hoffnungsort. Denn Kirche ist immer auch ein Haus aus lebendigen Steinen. Sozusagen „Rolling Stones“ im Namen des Herrn…
Ich bin Gott dankbar für sie, die hier über die Jahrzehnte hin gewirkt haben: Haupt- und Ehrenamtliche, noch und noch. Und es ist mir ein Bedürfnis stellvertretend Ihnen zu danken, lieber Pastor Preuß, (Pastor Lundius) und lieber Pastor Meyer-Träger und lieber Kirchengemeinderat samt Festausschuss, und besonders auch dem Kantor und seiner Musik, lieber Volker Schübel! Ich wünsche Ihnen allen, liebe Festgemeinde, Glück und Segen für die Zukunft mit all ihren Veränderungen. Damit steht das Wichtigste zuerst und zuletzt: Segen mindestens für die nächsten vierhundert Jahre – in Frieden!
Denn der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen