20. Januar 2014 - Grußwort zur Buchpublikation „Artists in the Parish“
30. Januar 2014
Liebe Frau Dr. Lüders,
liebe Hauptpastorin, Pröpstin und Gastgeberin Dr. Ulrike Murmann, lieber Oberkirchenrat Heiko Naß, liebe Künstlerinnen und Künstler, liebe Gäste aus den Gemeinden –
Liebe alle,
wunderschön und stattlich ist er geworden, der Band „artists in the parish“, von dem wir eben einen ausführlichen Eindruck bekommen haben. Es macht Lust, darin zu blättern, und ich danke Ihnen, liebe Frau Lüders, ausdrücklich für die gelungene Dokumentation. Sie ist mit entscheidend dafür, dass man sich auch als jemand, die nicht alles live und in Farbe miterleben konnte, hinein genommen fühlt: Hinein genommen in ein offenkundig aufregendes Gespräch, das über Wochen in den Gemeinden stattgefunden hat. Und mich hat ehrlich fasziniert, was sich eben alles von den künstlerischen Projekten mitgeteilt hat, die jetzt in diesem schönen Kunstband versammelt und dokumentiert sind!
„Die Kirche gibt schon Halt, das mit dem Glauben ist gut“ steht da etwa zu lesen (Renate Schürmeyer, S. 30) und das findet – Sie werden sich nicht wundern – meine außerordentliche Zustimmung. Zumal das Thema „Erinnerung“ so plastisch wird, als Dialog auf dem alten Sofa (S. 33). Beeindruckend auch Volker Langs Aufhebung (im wahrsten Sinne!) der geschlechterspezifischen Trennung, die wie eine Antwort auf die Frage wirkt, die die Opernregisseurin Nadine Hellriegel mit der Jugendoper „Adam und Eva“ aufwirft. Dann Payos´, aber auch Thomas Klockmanns Bogen vom Himmel zur Erde, vom Aufgang und der Niedergedrücktheit in menschlichem Leben, auch dem Leben kleiner Menschen.
So beeindruckend auch finde ich die Antworten, die auf die Frage „Was ist mir heilig?“ gegeben werden. Etwa der „heilige Strohsack“, der für eine von der Künstlerin Befragte das erste eigene Bett nach Jahren im viel zu engen Bett der Mutter war, und mit dem sich heute schönste Kindheitserinnerungen und das Gefühl von Geborgenheit verbinden (Valérie Wagner, S. 21). Aber auch die uralten Vorstellungen von Ikonen und Reliquien werden neu und überraschend angefüllt (Joy Eva Kröger, S. 84) - z.B. mit jugendlicher Wertigkeit (Barbara Lorenz-Höfer, S. 61ff). Und Schirmbälle, die zwischen Himmel und Erde schweben, geben ein anschaulich buntes Bild für die Vielfalt des Segens (Paule Dugonic Payo, S. 39ff). Thomas Paczewski schließlich mit seiner Summe aller Teile, einem Mosaik, das im großen Gesamt dennoch der einzelnen Seele Gesicht verleiht. Wie genial, dass all die Teile dann durch Verkauf eine Summe ergaben – und zwar für Hinz und Kunzt.
Mir ist mehr als einmal der Gedanke gekommen, dass wir hier die Dokumentation mindestens eines Trialogs vor Augen geführt bekommen (haben). Menschen –im wahrsten Sinne: aller Couleur - im Gespräch mit der Kunst und mit dem Raum, dem Raum der Gemeinde oder dem heiligen Raum. Raum, der ebenfalls eine eigene Sprache einbringt. Und gerade diese Beziehung zwischen Mensch, Kunst und heiligem Raum hat in einem besonderen Geist stattgefunden, ist wahrlich“ inspiriert“ gewesen von einem Geist, der Freiheit atmet. Und gerade das lässt mich dankbar sagen: ein wirklich gelungenes Experiment!
Zumal dieser Trialog der Freiheit sich nachgerade fortsetzt. In diesem Moment, aber auch, wenn ich es bei unserem letzten Zusammentreffen von Etlichen richtig verstanden habe, in weiter bestehenden Projekten, weiteren Kontakten und mancherorts gar Freundschaften zwischen den artists and the parishes.
Viel ist in Bewegung gekommen – schon allein dadurch, dass man sich in welcher Gestaltung auch immer, ob durch Wort oder Skulptur, an das annähert, was der Mensch glaubt. Noch glauben kann. Oder nicht glauben mag. Und es ist mir in diesem Bildband immer wieder eindrücklich bewusst geworden, dass geist-bewegte Religion eine Art Musik ist, die einen eigenen Swing entwickelt: dann nämlich, wenn man die Religion heraus holt aus jeglichem Dogmatismus und sie wagt, nicht „richtig“ sein zu lassen (das ist meist eher langweilig…), sondern wahrhaftig. Glaub-würdig im wahrsten Sinne.
So, wie sich hier Religion und Kunst verbinden, wird äußerlich sichtbar, was im Innersten zusammengehört. Und es zeigt sich: Kunst und Religion haben viel gemeinsam, um nicht zu sagen: sie haben ein Verhältnis. Sie besitzen die Eigenschaft zu überraschen, Perspektiven zu verrücken oder gar auf den Kopf zu stellen. Darin haben sie eine große inspirierende Kraft. Und mehr noch: So wie jede religiöse Äußerung eine Ausdrucksform braucht, die auch künstlerisch gestaltet wird, haben umgekehrt Kunstwerke vielfach auch eine transzendente Dimension. Kunst und Religion stehen dabei beide für menschliche Grundeigenschaften: Die Sehnsucht nach Transzendenz und den Drang zur kreativen Äußerung. In der Verbindung von beidem steckt ebendie Kraft, die Welt und das Leben neu zu verstehen, ja sich selbst in dieser Welt neu zu verstehen, und heilig und unantastbar zu lassen, was uns als Geheimnis auch Grenzen des Erfassens aufgibt. Und so machen religiöse Empfänglichkeit und künstlerische Gestaltung jeweils auf ihre Weise das Geheimnis der Welt zugänglich, ohne es letztgültig ergründen zu können.
Sowohl Kunst als auch Religion setzen auf diese Weise der vertrauten Welt etwas Fremdes gegenüber. Auch hier wieder der Trialog. Nur dass hier die Religion uns mit dem Fremden, dem Heiligen vertraut machen will, während die Kunst das Vertraute verfremdet, um neue Sichtweisen zu ermöglichen. Und voilà: Vertrautes und Fremdes begegnen uns in diesem Band auf Schritt und Tritt!
Dass in diesem ungewöhnlichen und faszinierenden Projekt etwas von dieser inneren Verwandtschaft zwischen Kunst und Religion deutlich werden konnte, dafür danke ich allen Beteiligten von Herzen. Zunächst danke ich Ihnen, Frau Dr. Lüders, der Herausgeberin, sehr herzlich für Ihr Engagement und die sachkundige Begleitung dieses Unternehmens.
Ich danke aber auch den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern, für ihre Lust zum verbalen und nonverbalen Dialog. Danke, dass Sie uns Anteil haben nehmen lassen an Ihrer Kreativität, an Ihrer Fähigkeit zum kreuz-und-quer-Denken, für die Infragestellung des Unsagbaren, die Freude an der Kunst und ihre Frage nach Gott. Ich danke für Engel und Filme, Skulptur und Wagnis. Danke auch den Kirchengemeinden, die sich auf ein ungewöhnliches Unternehmen eingelassen haben und „Artists“ in ihre „Parish“ aufgenommen haben! Bei manchen wurde es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Danke, dass Sie sich haben fragen lassen und nachdenklich machen, wie wir als Christen in dieser Welt eigentlich verständlich von Gott reden – oder vielleicht gerade nicht nur reden sollten….
Ihnen allen Danke für Zeit, Mut, Engagement und Experimentierfreude! Ich danke auch den Mitgliedern der Jury, Heiko Naß vom Landeskirchenamt und allen Organisatoren, die dazu beigetragen haben, diese einzigartige Verbindung von Inspiration und Religion, von Kreativität und Neugierde, von Kunst und Kirche zu ermöglichen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn es Anschlussprojekte für weitere „Artists in the Parish“ geben könnte. Vielleicht bietet ja die Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum dazu Gelegenheit, etwa wenn für 2015 das Themenjahr „Bild und Bibel“ ausgerufen wird. Doch das kommt später, jetzt kommen erst einmal das Büffet und die Gelegenheit zu manch Trialog. Darauf freue ich mich und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!