21. August 2013 - Ökumenisches Forum Hafencity

21. August 2013 - Beginn des Schuljahres für Lehrerinnen und Lehrer in Hamburg

21. August 2013 von Kirsten Fehrs

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei in uns lebendig. Amen.

Ein neues Schuljahr hat begonnen, es ist gerade drei Wochen jung. Neuen Schwung wünsche ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, mit beiden Beinen fest auf der Erde und den Blick doch in den Himmel gerichtet. Dorthin, wo die Wolken ziehen und wo die Früchte wachsen. Sie halten solche Früchte in der Hand. Schauen Sie sie doch einmal an, als wären sie etwas Besonderes – süße Trauben des Lebens. Und wenn Sie genug geguckt haben, dürfen Sie sie natürlich auch essen und schmecken, wie freundlich Gott ist. Denn er ist der eigentliche Gastgeber. Nicht etwa nur heute. Sein Segen gilt unsere gesamte Lebensspanne hindurch. Mit dem, was uns im Alltag Sorgen oder glücklich macht. Und natürlich mit dem, was uns an den Schwellen des Lebens bewegt, wenn jemand geht oder etwas neu beginnt. Schuljahre zum Beispiel.

Als wir diesen Gottesdienst geplant haben, da haben wir ihn „fruchtbare Schule“ genannt. (Das Risiko, dass jemand beim flüchtigen Blick auf die Einladung stattdessen „furchtbare Schule“ liest, haben wir mal elegant ignoriert…). Denn es ging uns – anders, als es Ihnen vermutlich oft entgegenkommt - um genau diese würdigende Sicht der Dinge, nämlich zu schauen, welche Früchte kann die Schule bringen? Und was ist überhaupt notwendig, damit dort etwas wächst, damit aus „Früchtchen“ eines Tages echte Früchte werden? Und welche Rolle spielen die Lehrerinnen und Lehrer – sind sie die Gärtner? So jedenfalls hat es vor fast 400 Jahren der Pädagoge Johann Amos Comenius aufgeschrieben: „Also sollen auch die Kinder / wenn sie in der Mutter Schoß ein wenig erzogen und am Leibe und Gemüte gestärcket sind /den Baumgärtnern / das ist / Schulmeistern / in ihre Sorge übergeben werden / und geraten alsdann desto besser. Denn ein umgepflanztes Bäumlein wächset allezeit schöner / und Gartenfrüchte sind doch immer besser denn Holzfrüchte.“

Wie der Gärtner die wilden Gewächse hegt und pflegt, dass sie Kultur-pflanzen werden, so soll der Lehrer die Kinder kultivieren. Einerseits ein schönes Bild, finde ich, denn es stellt die Erziehung und die Bildung als etwas Natürliches, Organisches dar. Es geht nicht um ein starres Schema, es geht nicht um das Erreichen abstrakter Lernziele. Ein lebendiges Wesen wächst heran und wird behutsam begleitet. Das braucht Zeit und Geduld und viel Erfahrung – und die innere Freiheit, gerade nichts erzwingen zu wollen.

Und doch hat das Bild von der Lehrerin als Gärtnerin auch seine Grenzen. Denn ein Gärtner hat auch die Macht, aus dem Baum einen Bonsai zu machen. Oder gar einen Obstbaum abzusägen, damit ein anderer besser wachsen kann.

Ich möchte das Bild also gerne ergänzen – und zwar mit dem Psalm, den wir eben gelesen haben. „Wer sich an Gottes Gesetz hält, der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht.“ Gesegnet ist, wer sich einfach nur verlässt. Darauf, dass Gott da ist. Beständig wie ein Baum, der einem Schutz gibt und Schirm vor allem Argen, der einem neuen Atem gibt und Luft und Wasser und Liebeswort und Gedanken – und in all dem des Geistes Gegenwart. Es ist der erste Psalm, in dem das aufgeschrieben steht. Gleich zu Anfang, vor allen 149 Psalmen, die danach kommen. Und das hat für mich auch etwas Programmatisches. Die Psalmen sind ja eine ganze Liedersammlung von Jubel und von Klage, von Rachegedanken und von Lobpreis, alles was einen im Leben bewegen oder umwerfen kann. Aber ganz zu Anfang, da steht, worauf es ankommt: Fest verwurzelt sein wie ein Baum. Gegründet in der Zuversicht, dass Gott uns hält. Oder, wie wir es eben in dem schönen Jesajatext gehört haben, darauf vertrauend, dass der Allerhöchste in unser Leben hineinwirkt, hinein „schneit“, und unsere Gedanken wie Erde feuchtet und sie fruchtbar macht und Gutes und Barmherzigkeit daraus erwachsen lässt.

Doch, mal ehrlich – ist das unsere Wirklichkeit? Das, was wir bei all unseren Erkenntnissen wirklich in uns tragen? Vertrauen auf Gott – und nicht auf Wachstumsprognosen, auf Sicherungssysteme, Heilsversprechungen manch falscher Propheten? Zur Zeit Jesajas jedenfalls waren die Menschen genau davon verführt. Waren nicht mehr in Kontakt mit ihrem Gott und seinen Lebenszeichen, waren ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Mit ihrem Hochhinaus, ihrem Wachstumsirrsinn, der riesige Armut beschert – auch Liebesarmut. Und so endet schließlich wirklich alles im Unheil. Im Exil. Physisch, aber auch metaphysisch sind sie obdachlos, ohne Heimat, fern jeder Quelle, die einen mit Kraft speist und Lebensmut.

„Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum:
als bliebe die Wurzel im Boden…“

So heißt es in einem Gedicht von Hilde Domin. Auch sie war im Exil. Mit 20 Jahren floh die jüdische Dichterin von Land zu Land, immer nur zeitweise geduldet. Aufrecht gehalten hat sie der Glaube an Gott als Glaube an eine innere Heimat. Diese Heimat, sagt sie mit ihrem Gedicht, wächst in uns heran wie ein Baum, der unter den Widerständen der wechselnden Witterung fest und stark wird. Und so tragen wir dieses Zuhause unzerstörbar in uns selbst; aus ihr kann kein Mensch vertrieben werden. Selbst unter den widrigsten Umständen gibt es Halt und Geborgenheit. Deshalb ist es so wichtig, dass Kinder von früh an von dieser Heimat, die Gott heißt, erfahren, dass sie religiös Obdach finden. Und deshalb ist Religionsunterricht mehr als ein Fach. Es ist Lebens-Mittel, Brot des Lebens und süße Traube. Und das gleiche gilt auch für die anderen Fächer. Für den Deutschunterricht, der die Kinder in der Sprache verwurzelt. Für die Sportstunden, in denen Schülerinnen und Schüler ihren Körper erfahren können. Für die Naturwissenschaften, die den Kindern eine Welterfahrung ermöglichen.

Von Kind an doch müssen wir lernen, im "Unterwegs-Sein" zu leben. Wir alle, klein wie groß, sind Wanderer zwischen den Zeiten. Müssen Abschied nehmen, loslassen, weiter gehen. Kommen uns dabei sicherlich manches Mal auch fremd vor. Oder einsam. Deshalb:

Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum:
als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft und wir ständen fest.
Man muss den Atem anhalten,
bis der Wind nachlässt
…und wir zuhause sind,
wo es auch sei,
und niedersitzen können und uns anlehnen…“

Beides also macht die Wirklichkeit Gottes in unserer Welt aus. Wachstum und Verwurzeltsein. Veränderung und nach Hause kommen. Beides ist gesegnet. Von allem Anfang an. Das glaube ich: Wir sind von Gott zärtlich in die Welt geworfen, sie zu erkunden, und – darauf können wir uns verlassen – immer wieder fängt er uns auf. Vom Anfang unseres Lebens bis zum Ende. Wir sind – ganz oft wird das Bild in der Bibel verwandt – Kind Gottes. Nicht im Sinne von kindisch oder kindlich, sondern im Sinne von: aus lauter Liebe geboren. Vom Mutterleibe an mit Segen bedacht, also Lebenskraft versehen. Mit einer Kraft berührt, die gerade nicht aus uns selbst heraus kommen kann. Sondern die von Gott in uns gelegt ist als Lebensfreude und guter Ton, als Liebeswort und Zärtlichkeit, als Musik und herzliches Erbarmen. So dass wir wachsen und werden wie ein großer, blühender, fruchttragender, wunderschöner Baum, unter dem sich Freunde sammeln und singen und erzählen bis zu ihrem Lebensabend.

 

Wir sind Kind Gottes, das gilt für jeden Schüler und jede Schülerin – und auch für Sie, die Lehrerinnen und Lehrer. Wir sind Kinder Gottes – und getragen hin zur Leichtigkeit. Wie ein Baum eben mit seinem filigranen Blätterspiel im Wind, das lebt durch die Tiefe der Gottesbeziehung. Und diese Beziehung trägt reichlich Frucht. Jedes Mal etwa, wenn wir beten und für andere bitten, wenn wir für unser Glück danken und für überstandene Krisen, wenn wir für die Würde eines anderen kämpfen – dann wächst jedesmal eine gute Frucht. Und zugleich strecken wir die Wurzeln zur Quelle, zu Gott hin aus.

Seid so also gesegnet, liebe Schwestern und Brüder, dass im Tiefsten eurer selbst diese Zuversicht stark wird und groß, Zuversicht, die uns verheißen ist und die Gott für uns ersehnt: der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Er bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Fürbittengebet

 

Lebendiger Gott,

du schenkst uns immer wieder einen neuen Anfang. Sagst Ja zu uns und gibst Mut. So ist Dankbarkeit in uns - Wir danken dir für unser Leben, für alles, was wir sind und erfahren dürfen. Für die besonderen Momente der Nähe, die Zuneigung der Kollegin, das rechte Wort zu guter Zeit, das Lachen im Klassenraum. Und wir danken dir für Menschen, die von dir erzählen, die sich zu dir bekennen und Freudenboten deiner Wahrheit sind.

Wir danken dir und auch bitten wollen wir dich, für andere und für uns selbst, damit unser und aller Menschen Leben durchwirkt wird von deinen guten Geist.

Wir bitten dich für alle, die in dieser tobenden Welt den Frieden halten wollen und der Gewalt ein Ende bereiten – in Syrien, Israel-Palästina, Afghanistan, viel zu lange, Gott, dauert das schon! Und heute besonders bitten wir für die Menschen in Ägypten, Christen und Muslime. Durchdringe alle, die dort Verantwortung tragen, mit dem Geist der Versöhnung und Geschwisterlichkeit. Stärke die Kräfte, die sich für Religionsfreiheit einsetzen und Demokratie.

Wir bitten dich, heilender Gott, für die unter uns, die verletzt sind und gebeugt, wir bitten dich für alles, was uns undankbar macht und unfreundlich, für alles Krumme und Schiefe in uns: Hilf uns, dass wir nicht bitter werden, sondern Zutrauen gewinnen in die Kraft, die du uns schenkst.

In der Stille nennen wir dir die Namen derer, die uns am Herzen liegen.

Barmherziger Gott, du bleibst bei uns mit deinem Segen, gerade am Anfang. Auf dich hoffen wir.

Amen.

Datum
21.08.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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