21. Juni 2014 - Ökumenischer Gottesdienst auf dem Mecklenburg-Vorpommern-Tag 2014
21. Juni 2014
Predigt zu Jesaja 65, 17-25
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Leute, die ihr euch heute zum MV-Tag versammelt habt,
Schwestern und Brüder in Jesus Christus!
am Ende unseres Studiums mussten meine Frau und ich uns entscheiden: Wollten wir in Berlin als Pastoren arbeiten oder in Mecklenburg? Für mich kam nur meine mecklenburgische Heimat in Frage. Darum war ich froh, als meine Frau sagte: „Nach Mecklenburg kann ich gut mitgehen. Da ist der Himmel der Erde so nah.“
Ja, da berühren sich Himmel und Erde. In den sommerlichen Landschaften Mecklenburg-Vorpommerns ist das unübersehbar. Reifende Kornfelder versprechen gute Ernte. Kornblume und Klatschmohn verwöhnen das Auge. Blau-weißer Himmel breitet sich weit über das Land. Es ist schön hier zu leben.
Da berühren sich Himmel und Erde – das sage ich auch von Tanz und Musik. Wir Menschen leben auch von der Schönheit. Anmutige Bewegungen und beschwingte oder melancholische Melodien – sie geben unserem Leben Freude und Tiefe.
Da berühren sich Himmel und Erde – das gilt auch für unsere Kirchen. Was wäre die Landschaft unserer Heimat ohne die vielen alten Kirchen?! Mit der Erde sind sie fest verbunden. Seit Jahrhunderten geben sie Orientierung und sind innere Mitte ihrer Orte. Die Türme der Kirchen weisen in den Himmel, als wollten sie sagen: „Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als du denkst.“
Ja, ‚Himmel und Erde‘ gab es bei uns in Mecklenburg und auch in Vorpommern sogar zu Mittag: Äpfel und Kartoffeln zusammengekocht, am besten mit Speck oder Leberwurst. Die Älteren werden es noch kennen. Nicht jedermanns Sache, ich weiß. Aber es half zu überleben.
Himmel und Erde berühren sich auch im christlichen Glauben. Da geht es zum einen um Fragen unseres Alltags:
- Was lässt das ganz normale Leben gelingen?
- Was hilft uns, gut zusammen zu leben?
- Wie können wir in Krisen klarkommen?
- Was gibt uns Hoffnung?
Im Glauben geht es jedoch auch um die großen Themen:
- Hat dieses Leben einen Sinn und worin besteht er?
- Worauf soll ich das Vertrauen meines Lebens gründen?
- Was wird bleiben, wenn anscheinend alles aus ist?
- Gibt es einen Gott, und wie kann ich ihn mir vorstellen?
Das alltägliche Leben wie die großen Fragen – beides findet Raum im christlichen Glauben. Auch hier berühren sich Himmel und Erde . . .
Wofür wollen wir leben? Und worauf hofft Gott?
Jesaja, der Prophet, verheißt im Namen Gottes nicht weniger als einen neuen Himmel und eine neue Erde:
- ein Leben, das lang und erfüllt sein soll, weil es gesegnet ist. „Als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt.“
- Arbeit wird fruchtbares Arbeiten sein, nicht vergebliches Mühen.
- Gott wird uns nahe sein, näher als wir uns selbst. „Ehe sie rufen, will ich antworten“, spricht der Lebendige.
- Der Friede Gottes wird sein – nicht nur in der Menschenwelt, sondern in der ganzen Schöpfung. „Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.“
Wolf und Löwe als Vegetarier – sie können einem fast leid tun. Ist das alles nicht Inbegriff unrealistischer Traumtänzerei?
In der Übertreibung liegt Verdeutlichung! Und Orientierung! In diese Richtung soll es gehen:
- Menschen sollen nicht sterben vor der Zeit, sondern nach einem erfüllten Leben;
- gute Arbeit soll es geben – Arbeit, von der man leben kann;
- Feindschaft kann überwunden werden, Streit mit friedlichen Mittel beigelegt werden;
- Gott kann uns vertrauter werden, als wir es für möglich halten.
So soll es sein. Unsere Wirklichkeit jedoch ist noch nicht so weit. Kein Himmel auf Erden! Es gibt viel Schlimmes, was Menschen einander antun. Man muss nur Nachrichten schauen. Also alles nur ein frommes Ammenmärchen? Vertröstung auf ein besseres Jenseits?
Ich will mit einer kleinen Geschichte darauf antworten:
Ein junger Mann betrat im Traum einen Laden. Hinter der Theke stand ein Engel. Hastig fragte er ihn: „Was verkaufen Sie, mein Herr?“ Der Engel antwortete freundlich: „Alles, was Sie wollen.“ Da begann der junge Mann aufzuzählen: „Dann hätte ich gern das Ende aller Kriege in der Welt, bessere Bedingungen für die Randgruppen der Gesellschaft, Beseitigung der Elendsviertel, gute Arbeit für alle, mehr Gemeinschaft und Liebe in der Kirche und . . . und . . .“
Da fiel ihm der Engel ins Wort: „Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen.“
Ich gestehe: Diese Geschichte hat mich zunächst ein bisschen enttäuscht. Die Herzenswünsche des jungen Mannes werden nicht einfach erfüllt. Dabei waren sie doch keineswegs egoistisch.
Aber dann habe ich entdeckt: Immerhin, es gibt die Samen. Wir wissen, in welche Richtung es gehen soll mit unserer Gesellschaft, mit unserer Welt. Wir haben etwas in der Hand, was wir tun können. Die Verhältnisse müssen nicht bleiben, wie sie sind. Und wir haben Gott dabei auf unserer Seite!
- Wir können etwas tun für mehr Gerechtigkeit, indem wir Produkte kaufen, die fair gehandelt wurden oder aus unserer Region stammen! Oder wir unterstützen Initiativen und Parteien, die sich glaubhaft für mehr Gerechtigkeit einsetzen.
- Wir können etwas tun für mehr Mitmenschlichkeit, indem wir Flüchtlinge bei uns willkommen heißen. Niemand verlässt seine Heimat gern. Meine Mutter war Flüchtlingskind aus Ostpreußen. Manchen von Ihnen wird es ähnlich ergangen sein. Sie wissen, wie sich das anfühlt. Und gleichzeitig können wir einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass Menschen in ihrer Heimat Hoffnung auf Zukunft gewinnen. Mit Spenden für ‚Adveniat‘ oder ‚Brot für die Welt‘ können wir gezielt helfen.
- Wir können etwas dafür tun, dass Menschen in Würde alt werden können: Wo es möglich ist, dass wir unsere Eltern zu uns nehmen. Wo es nicht möglich ist, dass wir Sie im Heim nicht allein lassen. Und wer keinen Verwandten hat – es ist eine ehrenvolle und auch dankbare Aufgabe, Menschen zu besuchen, die sonst einsam wären. Zugleich braucht es dringend bessere Rahmenbedingungen für die Pflege! Bestärken wir die Verantwortlichen, dieses Thema ganz nach oben zu setzen!
Gewiss, mit all dem retten wir nicht die Welt. Aber wir machen sie ein wenig menschlicher. Wo das geschieht, ist Gott nicht fern. Da erfahren wir etwas von ihm. Da berühren sich Himmel und Erde.
Wir können etwas tun. Den Samen haben wir. Manchmal ist es nicht so sehr die materielle Not, sondern vor allem die menschliche Entbehrung, die das Leben bitter macht. Aber gerade dies ist Möglichkeit für uns, Gutes zu tun, unser Leben zu teilen. Um es mit einem Erlebnis zu verdeutlichen:
Mit einem Hilfstransport hatten wir LKW-Ladungen voller Kleidung und Medizin in die Ukraine gebracht. Damit die Hilfe auch wirklich ankommt, hatten wir auch Pakete gepackt, die wir in abgelegenen Dörfern selbst übergaben. Lebensmittel, Kleider und Blumensamen waren darin. Ein Freund brachte solch ein Paket auch zu einem alten Mütterchen, deren ärmliche Behausung zum Erbarmen war. Als sie die Sachen auspackte, wusste sie mit dem Kleid nicht so recht etwas anzufangen und sagte: „Ich hab’ doch schon ein Kleid“, – nämlich das, was sie tagaus tagein auf dem Leibe trug. Aber als sie die Blumensamen sah, da strahlte sie voller Freude. Diese kleine Geste hatte ihr Herz erreicht.
Wir leben in einem wunderbaren Land. Ein menschlich reiches Leben – das ist der Segen, den wir von Gott empfangen. Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit – das ist der Segen, den wir weitergeben sollen. Dazu stärkt uns Gott und verheißt uns, dass solch ein Leben erfüllt und glücklich sein wird. Die Samen der Mohnblume, den Sie mit Ihrem Liedblatt bekommen haben, mag Sie daran erinnern. Wo wir in Gottes Sinn leben, berühren sich Himmel und Erde.
Amen.