24. Mai 2013 - Hamburg

24. Mai 2013 – St. Josef, Große Freiheit, Hamburg – Ökumenischer Gottesdienst

27. Mai 2013 von Kirsten Fehrs

20 Jahre Alimaus Predigt zu Apg 4, 32-35

Liebe Schwestern und Brüder!

Erinnern Sie sich an „Ein Herz und eine Seele“? Eine Kultserie aus den 70er Jahren. Mit einer Hauptfigur: dem „Ekel“ Alfred. Einem kleinen Knurrhahn, der alles andere als ein Herz und eine Seele ist mit der Welt. Insbesondere nicht mit seiner Frau, die er nicht gerade mit Charmeoffensiven überhäuft. Oder mit dem Schwiegersohn, den Schmarotzer von „drüben“ (wie er sagt) oder der mitteilungsbedürftigen Nachbarin Frau Suhrbier, für die er auch keine schmeichelhaften Worte findet…

 

Diese Serie hat vergnügt. Weil scharfe Satire auch etwas Treffendes hat. Und auf humorvolle Weise auf den Punkt bringt, was eine Gesellschaft so richtig gar nicht braucht. Etwa diese Intoleranz und Abschätzigkeit. Auch in den heutigen Wohnzimmern. An den Stammtischen. Auf den Schulhöfen. Die abwertende Haltung gegenüber denen, die anders sind oder langsam oder mit wenig Geld auskommen müssen oder einer anderen Kultur angehören oder gebrechlich sind, die belastet sind und geringgeschätzt. Abschätzigkeit macht Menschen schnell zu Schattenexistenzen und beschämt sie. Und: Die im Dunklen sieht man nicht. Man übersieht sie gern. Weil sie unbequem sind oder aufrüttelnd oder Erschütterndes zu erzählen haben.

 

Ich glaube, Sie hier, die Sie so liebevoll in Alimaus mit arbeiten, wissen sehr viel davon. Erfahren leibhaftig, wie viele Menschen in unserer reichen Stadt eher existieren als dass sie leben. Mich berührt es jedes Mal, wie viele Menschen sich inzwischen bei den Tafeln dieses Landes ein warmes Essen holen, weil man es sich sonst nicht leisten kann. Oder hier bei der Alimaus. Jeden Tag 500 Menschen! Die auf unterschiedlichste Art bekommen, was sie wirklich brauchen. Ohne sich demütigen, anfragen, katalogisieren zu lassen. Und so wird vieles verteilt: Brot und Zuneigung. Ruhe und Segen. Schuhe und Auswege.

 

Wie damals in Jerusalem. Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele, heißt es im Bibeltext. Es war ihnen alles gemeinsam. Und jeder hatte genug. Kein Mangel. Aber Freundlichkeit die Fülle. Was für ein Gegenbild zu unserer Welt, die völlig aus dem Lot geraten ist. In der die wenigsten das meiste besitzen und die meisten am Wenigen verhungern.

 

Wir sind eine so reiche Stadt. Und gerade auch hier gibt es so viele, die nach Brot hungern, aber auch nach Herzlichkeit und Seelenwort. Nach Ruhe. Geborgenheit. Wärme. Schutz. Da sind etwa sie, denen das Leben hart mitgespielt hat. Und da sind die, deren Leben überhaupt noch nicht richtig begonnen hat. Kinder ohne Fußball, Schüler mit Cannabis, Jugendliche ohne Perspektive, Menschen ohne Obdach. Und wir als Christen in dieser Stadt? Als ökumenische Gemeinschaft? Spielt sich da das Leben womöglich ganz beschaulich „im Warmen“ ab? Fern bitterer Realitäten? Das junge Mädchen Alexandra empfand es jedenfalls so. Sie protestierte. Als Christin. Und ihre Mutter hat hingehört. Sie hat sich dazu bewegen lassen, sich auf dem Hauptbahnhof und auf dem Kiez für Drogensüchtige einzusetzen. So begann das hier alles. Mich hat diese Geschichte von der Mitbegründerin Gabriele Scheel sehr berührt. Diese Mischung aus Tatkraft, Hartnäckigkeit und Zärtlichkeit. Alimaus steht dafür. Für die, die sich ein Herz fassen und Seelen verstehen. Die, so jung oder so alt sie sind, soziales Unrecht nicht hinnehmen. So wie Alexandra. Sie starb so früh, nicht aber ihr Kosename. „Deine Alimaus“ schrieb sie in einem Brief an ihre Mutter. Seit der Gründung – gemeinsam mit Pastor Alfons Rohtert und Hans-Peter Strenge, dem damaligen Bezirksamtsleiter in Altona – sind 20 Jahre vergangen. Die Alimaus ist zu einer festen Einrichtung geworden, die von vielen Menschen getragen wird. Gelebte Ökumene der Nächstenliebe. Ein Herz und eine Seele sind Sie geworden. Verbunden durch eine Idee. Die Idee, dass die Wahrheit unseres Glaubens darin liegt, nicht allein das Wort, sondern auch das Brot des Lebens zu teilen. Es steht jedem zu: Essen. Trinken. Familie. Dach. Bettdecke. Klönschnack. Kuchen (!) Freundschaft.

 

So viel du brauchst eben. Die Losung des Kirchentages, den wir hier gerade mit Hunderttausenden so unglaublich fröhlich und auch so nachdenklich gefeiert haben – wo bekommt sie mehr Lebensnähe als hier? Wo Menschen in ihren Wüstenzeiten sich anvertrauen und sagen: ich brauche mehr als ich habe.

 

Gott hat damals in der Wüste den Israeliten Manna geschickt – jeden Morgen neu. So viel wie sie brauchten. Das besondere war, dass alle miteinander erst einmal herausfinden mussten: Was brauche ich und ganz bewusst auch: was brauchst du eigentlich? So, dass wir keinen Mangel spüren, sondern auf einmal denken: Glück gehabt. Und Segen. Himmelsbrot eben. Denn Himmelsbrot steht für das Materielle wie das Immaterielle. Für Brot und Himmel, Wasser und Liebe, Segen und Dank. – Alles Lebens-Mittel, die nicht haltbar, nicht zu halten sind. Und die es hier bei der Alimaus zuhauf gibt. Gott sei Dank, sage ich. Ich danke Gott, dass es Sie gibt – die Schwestern und die vielen Ehrenamtlichen und die Jugendlichen, die sich so hingebungsvoll für die Gerechtigkeit einsetzen. Die ersten Christen haben es damals vorgemacht. So beschreibt es in idealisierter Weise die Apostelgeschichte. „auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam.“

 

Nun, liebe Schwestern und Brüder, auch wenn wir sicherlich so weit nicht gehen werden – eines ist doch leitend: Himmelsbrot ist mehr als ein schönes Wort. Es ist die Gewissheit, dass Gott bei denen ist, die zu teilen verstehen. Zwanzig Jahre schon im Blockhaus. Und viele Jahrzehnte noch in den Herzen und Seelen derer, die hier sind und an die wir denken, in der ganzen Stadt.

So also: Bewahre uns Gott, behüte uns Gott.

Sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei mit uns mit deinem Segen.

Und wir wissen: du gibst ihn täglich neu.

Amen.

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