25 Jahre Notfallseelsorge in Hamburg
18. Mai 2025
Matthäus 5,14-16
Liebe Blaulichtgemeinde,
wirklich: Ihr seid das Licht der Welt! Wenn es ein Hoffnungsleuchten gegeben hat, dann eben. Mit euch ideenreichen, engagierten Jugendfeuerwehrleuten. Und dem Blaulicht in allen Varianten. Ich stehe bewundernd davor, dass und wie ihr bereit seid, euch und eure Zeit und Kraft einzusetzen, um für andere da zu sein. Um Menschen zu helfen, deren Leben sich durch ein Unglück buchstäblich von einer Sekunde zur anderen verdunkelt hat.
Ihr habt das eben eindrücklich beschrieben. Wie Menschen dann auf einmal in einem komplett eigenen Tunnel sind. Orientierungslos und angewiesen. Und dann kommt ihr, Gott sei Dank. Ihr Feuerwehrleute, jung, älter, freiwillig und unbezahlbar, dann kommt ihr, all die Krisendienste, Rettungskräfte, Polizisten, Sanitäterinnen, Notärzte, Seelsorgerinnen, dann kommt ihr mit eurem Licht. Eurer Herzenswärme. Mit sicheren Handgriffen, die Leben retten. Mit eurer Ruhe. Ja, ganz praktisch mit Schokolade und einem Taschentuch, wenn Worte fehlen und Ängste zittern. Gott sei Dank, seid ihr, sind Sie da, Hoffnungsleute allesamt, die zeigen, dass die Dunkelheit, die in ein Leben einbrechen kann, nicht das letzte Wort hat.
Deshalb das Blaulicht heute – eine tolle Idee von euch, St. Petri einmal in dieses Licht zu tauchen. Dieses rhythmisch blaue Licht, das sofort so viele Gefühle weckt. Und das mich zugegeben im ersten Moment immer auch ein wenig erschreckt. Mir schießt sofort der Gedanke durch den Kopf: Da ist jemandem etwas zugestoßen. Ein Unfall. Ein Feuer. Ein Verbrechen. Dieser Alarm hat immer etwas Hektisches, Beunruhigendes. Und zugleich lässt Blaulicht ja alle wissen: Hilfe ist vor Ort. Menschen sind da, die das Richtige tun, die retten und helfen. Sehr beruhigend.
So also heute zum Floriansgottesdienst: Blaulicht in der Kirche. Die sonst vor allem das Kerzenlicht kennt. Ein bisschen gedämpft. Tröstlich. Heilsam. Blaulicht und Kerzenlicht, mindestens mal 25, das ist heute genau die richtige Lichtmischung. Denn: Die Notfallseelsorge in Hamburg hat 25. Geburtstag. Und sie feiert, klar, in St. Petri, der Feuerwehrkirche. Zusammen mit der großen Blaulichtfamilie. Buchstäblich mit Posaunen und Trompeten. Wunderbar, dass Sie alle gekommen sind. Denn ein großer Dank gilt an diesem Tag zunächst Ihnen und euch, all den vielen engagierten, mutigen und hilfsbereiten Menschen, die in der Hamburger Feuerwehr und bei der Hamburger Polizei arbeiten.
Vor 25 Jahren habt ihr der Notfallseelsorge die Hand gereicht und seither verlässlich und vertrauensvoll mit den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, seien Sie katholisch, evangelisch oder freikirchlich, zusammengearbeitet. Wer in Hamburg die 112 wählt, ruft seit dem Jahre 2000 gleichzeitig die Notfallseelsorge an. Ökumenisch, herzensweit, pragmatisch, kooperativ – es ist für diese Stadt und für unser Land ein Segen, dass es dieses Miteinander unter Ihnen allen gibt. 24 Stunden, sieben Tage lang.
Mich macht es als Bischöfin auch ein wenig stolz, dies einmal in eigener Sache gesagt, dass all die Notfallseelsorgerinnen so engagiert und fachlich qualifiziert Hunderte Einsätze fahren, Tag und Nacht. Mit steigenden Einsatzzahlen übrigens. Denn klar, die zunehmenden Gefährdungslagen verunsichern die Menschen. Einige Notfallseelsorgerinnen arbeiten hauptamtlich, mit sagenhaft vielen Hintergrunddiensten. Die meisten aber wuppen das neben ihren vollen Kalendern in den Gemeinden. Danke dafür. Danke für jede Nacht, die Sie sich um die Ohren schlagen. Für jede Bereitschaft, die einen immer in Habachtstellung sein lässt. Für jede Seele, die getröstet wurde und für jede Rettung, die glimpflich gelang.
Das ist für mich Hoffnung, liebe Geschwister, konkreter geht‘s nicht. Sie und ihr alle hier mit diesem unglaublichen Engagement – alle seid ihr Licht der Welt. So hat Jesus es im Evangelium gemeint: Jeder Mensch hat die Kraft des Lichtes in sich. Schaut euch um! Das Licht Gottes spiegelt sich in unser aller Angesicht. Mit allen Unebenheiten, Lebensnarben und Lachfalten, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben. Genauso und nicht anders, sagt Jesus, genauso seid ihr das Licht der Welt!
Das müssen wir uns einmal wirklich zu Gemüte führen: Wir sind das Licht der Welt. Ohne Wenn und Aber. Kein: Ihr könntet, wenn ihr wolltet, die Welt ein bisschen heller machen. Nein: Ihr seid. Licht. Richtig Licht! Jetzt, in diesem Moment und mit allem, was in euch ist – auch mit den Dunkelheiten und Widersprüchen im Leben, dem Friedlosen oder Unversöhnlichen.
„Ihr seid das Licht der Welt!“ Licht in der Nacht und in der Not, das gilt heute und hier besonders für diese Blaulicht-Gemeinschaft, die sich eben gemeinsam für die Werte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit einsetzt. Inmitten all der Brechungen und der Mauern in den Köpfen, die derzeit die Welt so zertrennen.
Und Licht der Welt sein, liebe Geschwister, heißt: Wir dürfen uns nicht scheuen, unser Licht zu zeigen inmitten dieser Welt. Nützt ja nix. Rauf damit auf den Leuchter. Wir alle, auch wir als Kirche, müssen mittendrin sein. Mit unserer Mitmenschlichkeit in dieser Gesellschaft. Mittendrin Mensch sein, wenn Alarm die Leute aufschreckt. Alarm, weil doch insgesamt so viel Not ist und Krise im Moment. Das merken wir allerorten, wie aufgewühlt die Menschen und wie breit die Gräben sind. Wie lang die Schimpftiraden und wie kurz die Zündschnüre geworden sind. Allemal Sie als Rettungskräfte erleben das, nicht nur an Silvester. Und so nervös die einen, so verloren und einsam die anderen. Einsamkeit ist die große Not unserer Tage. Da wird ja nicht selten die Polizei oder die Feuerwehr gerufen, um überhaupt mal wieder mit jemandem zu reden. Es ist mir sehr nachgegangen, als ich vor einigen Jahren zu Heiligabend bei einer Feuerwache zu Besuch live und in Farbe miterlebt habe, wie viele Einsätze letztlich gefahren wurden, weil Menschen in ihrer Einsamkeit große Not litten.
Unglück hat viele Facetten. Und deshalb braucht es einerseits Leitern und schweres Gerät, Notfallsanitäter, Ärzte und Polizistinnen mit ihrem großen Knowhow. Aber es braucht oft eben auch gute Worte, eine Decke, eine warme Hand, Nähe. Leute, die gelernt haben, das Unaushaltbare mit auszuhalten. Seelsorge neben der Leibsorge. Und deshalb bin ich so dankbar, dass wir gemeinsam – Kirchen, Feuerwehr und Polizei – an der Seite derer stehen, die Schreckliches erleben. Die ganz plötzlich dem Tod ins Gesicht schauen und wo man merkt, wie in diesem Moment eine Welt einstürzt. Die Unfälle und Verletzte sehen und plötzlich konfrontiert sind mit dem Schmerz und der Verwundbarkeit eines Menschen. Da braucht es Raum und offene Ohren für die Sprachlosigkeit. Für all die Gefühle der Überwältigung und Trauer: für Liebe und Zorn, Ohnmacht, Schuld und Vorwürfe, für Fassungslosigkeit und die verzweifelte Suche nach einem Weg, irgendwie weiterzuleben. Nach einem neuen Licht in der zusammengebrochenen Welt.
Wie gut: Ihr seid das Licht der Welt! Das Licht für Menschen in Not. Ein verlässliches Hoffnungsleuchten. Nach dem Anschlag in Magdeburg, in der Ahrtalflut und hier in Hamburg. Für alle ein Licht, egal, was sie glauben, woher sie kommen, egal, wo sie wohnen, egal, wer sie sind. Ohne Ansehen der Person. Mit Ihrer großen Menschenfreundlichkeit tun Sie so viel Gutes in dieser Stadt! Das wissen viele gar nicht. Auch deshalb rauf damit auf den Leuchter, liebe Geschwister. Damit es besser gesehen wird. Und immer mehr Menschen erkennen, dass mit Ihnen unser Land sein soziales Gesicht gewinnt.
Und rauf auf den Leuchter – das muss heute sein dürfen – die Verdienste unserer Feuerwehrpastorin. Seit mehr als 25 Jahren: Erneli! Ich danke Gott von Herzen, dass er dich mit einer solchen Energie, so viel Unternehmensgeist und Klugheit, Neugier und Offenheit, Frustrationstoleranz, Humor und vor allem mit so viel Wärme und Menschenliebe gesegnet hat. Und mit der Gabe, immer mit allen so lange zu reden und zu quatschen, bis sich alle dann doch irgendwie in die richtige, in Ernelis, Richtung bewegen. Von Herzen Danke für dein Wirken in der Feuerwehr, in der Einsatznachsorge, in der Begleitung von haupt- und ehrenamtlichen Feuerwehrleuten, bei der Aus- und Fortbildung und den Führungskräfteschulungen, bei der Vernetzung in der Psychosozialen Notfallversorgung, dem Zivil- und Katastrophenschutz und, und, und, und natürlich: für die Notfallseelsorge.
Die Schnittmenge, hast du mal gesagt, zwischen Blaulichtmenschen und Kirchenmenschen, die ja manchmal doch sehr unterschiedlich unterwegs sind, ist immer: Es geht um Leben und Tod, wenn die blauen Lichter sich drehen und Feuerwehr, Notfallseelsorge und Polizei sich auf den Weg machen. Sie gehen raus. Setzen sich aus. Begleiten in den Raum des Todes. Grenzgänger. Mit verschiedenen Begabungen. Und immer mit der Bereitschaft, bis zum letzten alles zu versuchen.
Wahrlich: Ihr seid das Blaulicht der Welt hier in Hamburg. Wie gut, dass es heute ausgiebig leuchtet! Happy Birthday, Notfallseelsorge! Gottes Segen für die nächsten 25 Jahre! Und happy Florianstag! Feiern wir gemeinsam, dass es eine solche Blaulichtfamilie gibt – damit eben nicht die Hoffnung zuletzt stirbt, sondern zuallererst lebt.
Amen