28. April 2013 - Dom zu Ratzeburg

28. April 2013 - Festgottesdienst zur Wiedereinweihung der Riegerorgel

28. April 2013 von Kirsten Fehrs

2. Chronik 5, 1.2.7.12-14 Also wurde alle Arbeit vollbracht, die Salomo am Hause des HERRN tat. Und Salomo versammelte alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids. So brachten die Priester die Lade des Bundes des HERRN in den Chorraum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim. Und alle Leviten, die Sänger waren – angetan mit feiner Leinwand – standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es nur einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken den HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: „Danket dem HERRN, er ist gütig und seine Barmher-zigkeit währt ewig!“, da wurde das Haus des HERRN erfüllt mit einer Wolke, so dass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten, denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt! Amen.

 

Kantate! Singt! Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder! Alles, was recht ist, liebe Festgemeinde, dieser Aufforderung wird heute hier im Ratzeburger Dom gründlich nachgekommen!  Wer täte es auch gerade heute nicht gern? Begleitet von dem neuen Klang der großen Riegerorgel, die sich frisch heraus geputzt hat. Wer empfände es gerade heute nicht, dass die Musik des Lebens mit all ihren Registern etwas Wunderbares hat?  So viel Grund haben wir zu danken. Also aufgeatmet und gesungen: Lobet den Herrn! Dankbarkeit ist heute die Grundmelodie.

 

Danken ist eine Melodie. Heute besonders, aber nicht nur. Sie ist eigentlich ein menschliches Grundbedürfnis. Nicht nur von uns Christen. Oder in einem Festgottesdienst. Nein, Dankbarkeit ist ein tiefes inniges Gefühl, das sich öfter Luft machen möchte. Oft geboren im Moment überstandener Krise. Oder im Moment des Glücks, das einen heiß durchfährt.  “Thank you for everything, god!”  „Grazie!“ „Dank dafür, dass wir vor größerem Unheil bewahrt wurden.“ „Danke, Gott, für meine tolle Familie, sagen Nils und Opa“ All diese Sätze habe ich in den Gästebüchern unserer Kirchen gefunden; ich komme ja ziemlich herum.  „Danke“ ist darin mit Abstand das häufigste Wort. Menschen allen Alters und aller Nationalität danken in allen Sprachen – für Bewahrung und Schutz, für Nähe, Trost und das Licht, für ein besonderes Erlebnis, für die Stille, für die „Magnifique église“, für „de warme kark“, dafür, dass der über alles geliebte Schatz tatsächlich nach Lübeck gekommen ist, hat man doch etliche Stoßgebete gen Himmel geschickt.  Und es kann einen regelrecht anrühren zu lesen, wenn ein Mädchen dem Buch anvertraut: „Lieber Christoph, ich vermisse dich. Aber ich freue mich, dass du im Himmel Freude hast. Ich habe eine Kerze für dich angezündet. Ich habe dich sehr doll lieb und ich bin fast acht. Tschüss und grüß da oben alle ganz doll von mir.“

 

All diese Worte lassen ganze Lebensgeschichten ahnen, liebe Gemeinde. Sie zeigen, dass Menschen über die Zeiten hin beten und dem Gebet auch etwas zutrauen. Und sicher erleben Sie es doch mit den Gebetskarten hier im Dom ähnlich?! Die Menschen zeigen, dass sie auf Wunder hoffen und auf ein gesundes Kind, dass sie vor Gott bringen wollen, was sie bewegt: Freude, Staunen, Liebe, Trauer, die oft tiefen Zweifel, die Angst, das Sterben und Friedenssehnsucht für diese Welt - und eben immer wieder der Dank. All dies ausschnitthaft festgehalten, Tag für Tag, Jahr für Jahr, wie eine Chronik, die von vielen Menschen in allen Sprachen der Erde geschrieben wird. Eine Chronik, die viele Stimmen vereint und zusammenbindet zu einem Choral des Lebens.

 

Im 2. Chronikbuch, vier Jahrhunderte vor Christus geschrieben, haben wir eben etwas ganz ähnliches gehört.

 

Zum Festgottesdienst der Tempelweihe – Gott, welch erhabener Bau! – ziehen unzählige Leviten fein gewandet ein. Sie singen in allen Sprachen ihr Kyrie und Gloria, und Sanctus dazu, begleitet von Musik, allein 120 (!) Trompeten, mein Gott, alles geht drunter und drüber vor lauter Glück! Es singt, trompt und rasselt überall. Und mit einem Mal ist da ein besonderer Moment, der über sich selbst hinauszuweisen scheint. Ein Klang, der alles, was auseinander zu driften droht, zusammen hält. Ein Klang, der die Stimmung wandelt und innehalten lässt – so als wäre es nur eine Trompete und nur eine Stimme, die deutlich und ohne Getöse durchdringt und ansetzt zum Dankeschoral. Und genau in diesem Moment des Unisono - wo sich alle einig sind! - da erscheint der Geist Gottes in der Wolke. So unantastbar heilig ist dies, dass selbst die Priester nicht mehr hinzutreten können. Da ist nur noch Raum für ihn, Gott in der Wolke und Gott in diesem einen, unfassbaren, alles tragenden Ton …

 

Danket dem Herrn, mit Psalter und Harfen! So steht es in der Chronik damals und so schreibt es die Ratzeburger Chronik heute fort. Denn immer wieder ist es die Musik der Königin Orgel, die die Menschen allen Alters zutiefst berührt. Kürzlich begegnete ich nach einem Gottesdienst, der auch von einem berühmten Popstar besucht wurde, einem etwa 17 jährigen Mädchen.  Noch nie in ihrem Leben wäre sie in einer Kirche gewesen, sagte sie. Und sie sei so begeistert. Nicht von dem Popstar. Sondern von diesem Raum, von diesem Klang, dieser großen Musik. Noch nie hätte sie so etwas gehört. Sie habe richtig Tränen in den Augen gehabt.  Ihr war, als würde jemand mit ihr reden, der sie liebt.

 

Ich wünschte, sie wäre auch heute hier. So imposant ist der neue Klang der Orgel! Und so viele haben daran mitgetan. Bis zum letzten Moment. Was liegt näher als zu danken? Danke, sage ich von ganzem Herzen, für die neu klingenden Trompeten, Zungen, Pfeifen und Mixturen. Dank denen, die das ermöglich haben durch ihre großzügigen Spenden, dank denen, die das zustande gebracht haben durch ihre fachkundige Begleitung und Beratung, dank denen, die mit ihrer Kunst das Instrument zum Klingen bringen, dank den SängerInnen und der wunderbaren Chormusik -  und vor allem: Dank dem, dem die Orgel zum Lobe gespielt wird. Denn solche Musik gibt Gott die Ehre. Sie gibt dem Unsagbaren Ausdruck. Sie klagt und heilt und lobt und befremdet wie das Heilige selbst. Musik ist eben kein schmückendes Beiwerk zum Wort, oder gar zur Predigt oder zu den „Priestern“. Sie ist selbst eine eigene Sprache des Evangeliums. Und so vermag die Musik oft für Menschen die eine Stimme zu sein, die die aufgewühlte Seele erreicht mit Gottes Wort und seinem Trost. Sie vermag die eine Stimme zu sein mit klarem Ton, die uns auf einer Ebene berührt, wo das Sehnen ist und das Hoffen. Musik weckt die Zuversicht, eingebunden zu sein in ein größeres Ganzes, das einen gnädig umfängt und Sinn gibt. Und liebe Gemeinde, diese Sprache des Glaubens können wir nun mit allen Registern verkünden, die die Riegerorgel wieder zu bieten hat. Sie sei wieder eingeweiht, nun und hier, einschließlich des Registers der Lebensfreude. Legt sich doch stets, sobald der Zimbelstern erklingt, ein Lächeln über die Gesichter …

 

Und es war, als wäre es nur einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken den Herrn. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den Herrn lobte: „Danket dem Herrn, er ist gütig und seine Barmherzigkeit währt ewig!“, da erfüllte die Herrlichkeit des Herrn das Haus Gottes.

 

Musik belebt, ja erfüllt den Menschen und mit ihr nimmt – manchmal ganz unvermutet – auch Gott in uns Platz. So beschreibt es wunderschön dieser alte Text aus der Chronik. Und genau an dieser Stelle hat Johann Sebastian Bach in seiner Bibel einen Satz notiert, der auf den Punkt bringt, worauf es ihm ankommt und mir in dieser Predigt auch: „In jeder andächtigen Musike ist Gott in seiner Gnaden Gegenwart.“

 

Hören Sie? Gott in seiner Gnaden Gegenwart. .`Andächtige Musike´ kann einen so ruhig machen. So klar. So friedensleis.  Es ist, als würden Angst und Bestürzung über die Schrecken der Welt in dem Maße weichen, wie der Ton Gottes Raum gewinnt. In diesem Dom. Aber auch in uns selbst. Es ist dies die andere Wirklichkeit, die die Welt durchdringt. Eine Wirklichkeit, die in uns das Sehnen weckt nach Licht und Glück. Eben die Wirklichkeit Jesu Christi, der uns liebt und sagt. „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“

 

Deshalb sollen wir singen. Gottes Ton in uns hineinholen.  Damit wir erquickt werden. Kraft bekommen für den Weg, der vor uns liegt.

 

Deshalb sollen wir singen. Gottes Ton hinaus bringen in die tobende Welt. Damit all die Mühseligen unserer Zeit hören von der Gnade, die einen wieder hoffen lässt.

 

Deshalb sollen wir singen: Gott ist gegenwärtig. Mit jedem Atemzug der Seele. Seine Gnade verlässt dich nicht. In Dunkelheit nicht und im Schmerz nicht und in der Liebe nicht.

 

„Gracias, lieber Gott“, schreibt Maria, „ich habe schlimme Zeiten überstanden.“ So wie sie haben es viele Menschen in den Chroniken der Moderne, und so hat es auch Bach bezeugt. Gracias. Aus den vielen Worten, die gesprochen und geschrieben sind, verdichtet sich´s in diesem einen Wort. So wie die vielen Pfeifen, Zimbeln und Zungen sich fanden in dem einen Ton: Gracias - danke, und gratias, die Gnade – Dank und Gnade sind eins.

 

So danke ich dir, o Gott,

für deiner Gnaden Gegenwart

immer schon da

und jeden Moment neu.

Jeden Morgen, den du werden lässt,

will ich loben und dir danken

– dies zuallererst – 

zuallererst will ich dir singen,

bevor der Alltag seinen Reigen spielt.

Und die Angst und das Verzagen

mögen vergehen durch deinen Segen

kann ich doch – so ist das Spiel –

beim Loben und Danken

einfach nicht vergessen,

was du mir Gutes getan hast.

Gerade heut.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus.

Datum
28.04.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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