28. Juni 2014 - Johannisgottesdienst der Johanniterunfallhilfe
28. Juni 2014
"Gott einen Weg bereiten" Predigt über Jesaja 40, 3 – 8
Liebe Johanniter, liebe Gemeinde,
wir feiern den Johannesgottesdienst der Johanniterunfallhilfe. Aber was sind Johanniter? Viele kennen sie nur als eine Organisation, die Kranke transportiert. Wer aber einmal die Website der Johanniter aufruft, findet dort die Darstellung eines Sozialkonzerns, der von Seniorenhäusern über Mehrgenerationenhäuser, Kindertagesstätten und weitere Kinder- und Jugendeinrichtungen, Krankenhäuser, Rehakliniken, Freizeit- und Tagungsstätten, Hospize und vieles weitere unterhält. Im Zentrum des Ganzen steht der Johanniterorden. Was also sind eigentlich die Johanniter?
Im Jahr 1980, also vor 34 Jahren, kam ich als junger Vikar, 25 Jahre alt, nach Jerusalem. Hier in der Altstadt von Jerusalem, an der Erlöserkirche, habe ich dann ein Jahr lang Dienst getan. Die Erlöserkirche mit ihren Einrichtungen liegt im Muristan, einem recht umfangreichen Areal, das im Mittelalter ein großes Hospital beherbergte. Bis zu 2.000 Menschen konnten dort vor 1.000 Jahren gepflegt und versorgt werden. Und mittendrin in diesem Bezirk liegt, fast unscheinbar, eine kleine Kirche, die dem Täufer Johannes geweiht ist. Hier liegt der Ursprung des Johanniterordens, einschließlich all seiner Einrichtungen. Dieses Hospital hatte der legendäre Bruder Gerhard im 11. Jahrhundert neu geordnet. Bruder Gerhard muss eine sehr selbstbewusste und taffe Leitungspersönlichkeit gewesen sein, aber wohl auch eine Person mit Ecken und Kanten. Unvergesslich ist bis heute, wie er die Kranken behandelte und gleichzeitig Wert darauf legte, dass diejenigen, die mit ihm arbeiteten, ihnen eben aus dem gleichen Geist heraus begegneten. Es waren häufig Schwerstkranke, die in diesem Hospital behandelt wurden. Alte Quellen sprechen davon, dass es täglich bis zu 50 Todesfälle in diesem Hospital gegeben haben soll. Bruder Gerhard nannte die Kranken die „Herren Kranken“ und wollte sie in diesem Geist der Ehrerbietung auch von den Ordensrittern und Helfern behandelt wissen.
Seit nun also etwa 900 Jahren ist ein Bote Gottes, Johannes der Täufer, Namensgeber und Aufgabensteller für den Orden und seine Einrichtungen. Darum feiern wir heute, am Sonnabend nach dem Johannestag, diesen feierlichen Gottesdienst. Wir fragen uns: Was hat uns diese prophetische Figur, Johannes der Täufer, zu sagen?
Der Predigttext am Johannestag ist in diesem Jahr aus dem Alten Testament. Er wirft ein Licht auf den Auftrag, den Johannes der Täufer gehabt hat und in dem sich die Johanniter wiedergefunden haben.
Jesaja 40, 3 – 8:
3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden;
5 denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet.
6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.
7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!
8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Johannes der Täufer gilt ja als der Vorläufer Jesu. Er war mit Jesus verwandt und nur wenige Monate älter. Er hat verkündigt: „Das Reich Gottes kommt! Gott steht vor der Tür! Stellt euch darauf ein!“ Das hat die Menschen erschüttert. Gott kommt! Kann ich ihm dann so, wie ich bin, unter die Augen treten? So hat Johannes eine Bußbewegung ausgelöst. Aus den Stätten und Ortschaften des ganzen Landes Israel kamen große Menschenmengen zu ihm hinaus in die judäische Wüste. Manch einen ging die Botschaft des Johannes zu Herzen und er ließ sich dann von ihm oder seinen Jüngern im Jordan taufen. Johannes hatte ein an den Geboten Gottes geschärftes Gewissen und hat es sich deswegen auch nicht nehmen lassen, den galiläischen Landesherrn Herodes Antipas auf seinen Ehebruch anzusprechen. Diese mutige Erinnerung an Gottes Gebot: „Du sollst nicht ehebrechen!“ musste Johannes allerdings mit dem Leben bezahlen.
Offensichtlich hat das alttestamentliche Prophetenwort, das wir gerade gehört haben, Johannes selbst und wohl auch der urchristlichen Gemeinde seinen Auftrag verdeutlicht. Damals war ein großer Teil des Volkes Israel nach Babylon ins Exil geführt. Im 6. Jahrhundert vor Christus tritt nun der zweite Jesaja auf. Er spricht von einer Stimme, die er gehört hat. Zwischen Babylon und dem gelobten Land Israel liegt eine große Wüste. In dieser Wüste soll Gott ein Weg bereitet werden. Dazu sollen die Täler aufgeschüttet und die Berge und Hügel abgeflacht werden. Die ersten Hörer werden es sich kaum vorgestellt haben können, wie eine solche Straße für die göttliche Majestät in der Wüste gebaut werden sollte. Aber das Ziel ist klar. Alle Bedingungen sollen so geschaffen werden, dass „die Herrlichkeit des Herrn offenbart werden soll“. Alles Lebendige soll es sehen können, dass der Herr kommt (vgl. 5).
Wenn Gott in diese Welt kommt, dann bedarf es des entsprechenden Raumes, damit Gott sich in seinem heilsamen Wirken entfalten kann. Das hebräische Wort für Herrlichkeit heißt Kabod und wird am besten mit „Machtglanz“ übersetzt. Wenn Gott kommt, dann sprüht er über von seiner herrlichen, kräftigen Macht, die alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Deswegen wird noch einmal extra betont, dass alles Fleisch, also alle Menschen, es miterleben werden. Das Kommen Gottes in diese Welt ist unübersehbar.
Der Glaube ist keine Winkelangelegenheit. Vielmehr wird der Glaube sichtbar. Er ist schön und attraktiv. Die Menschen möchten dabei sein. Der Glaube strahlt aus und zieht die Menschen an. Hier muss man noch einmal wahrnehmen, dass Gott durch die Wüste in diese Welt hineinkommt. Die Wüste ist nicht nur ein bestimmter geographischer Ort. Die Trockenheit, die Abwesenheit der Fruchtbarkeit, das Vorherrschen der Farben von grau und braun, von Abgestorbenem und von Mangel ist zeichenhaft. Die Wüste steht für eine Existenzweise ohne Gott, ohne den Schöpfer. Die Wüste ist die Situation der Gottferne. Wer in der Wüste einen Weg für Gott bahnt, der baut das ab, was sein Kommen hindert.
Die Wüste macht auch noch einmal deutlich, dass unser Leben vergänglich ist. Alles, was Menschen sich aufbauen, vergeht. Da schaust du heute in den Spiegel und siehst ein junges, frisches Gesicht mit kräftigen, dunklen Haaren und wenig später siehst du im gleichen Spiegel einen Menschen mit Falten, weißen Haaren und vielleicht kraftlosem Ausdruck. So schnell vergeht, was wir gerade noch bewundert haben. Menschen verlieren ihren Reichtum innerhalb kurzer Zeit. Ruhm verblasst schneller, als man es sich vorstellen kann.
Deswegen sagt diese gleiche Stimme, die dazu aufforderte, einen Weg für Gott zu bereiten, „du hast eine Botschaft und predige sie“. Der Prophet fragt zurück: „Was soll ich predigen?“ Und er erhält die Antwort: „Alles Fleisch ist Gras und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein“ (V. 6 f). Das hatten die alten Israeliten jedes Jahr aufs Neue wieder erlebt. Die wenigen Monate, in denen es in Israel regnete, machten das Land grün. Schnell schoss das Gras hoch und standen Blumen auf den Wiesen und Feldern. Aber dann musste nur einmal der heiße Wüstenwind, des „Herrn Odem“, dort hineinblasen, dann vertrocknete innerhalb weniger Stunden alles, was grün war, und das Land war wieder grau und braun. Genau diese Erfahrungen nimmt der Prophet auf und fährt fort: „Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“(V. 8).
Bei allem Wechsel, bei allen Veränderungen, bei allen Abbrüchen und Neuanfängen gibt es etwas, was beständig bleibt: Das ist die Wahrheit des Wortes Gottes.
Wir kennen den steten Wandel, die Abbrüche und den Tod. Natürlich möchten wir, dass etwas bleibt. Es ist das Wort Gottes, das bei allem Wandel zuverlässig bleibt.
Johannes der Täufer mag seinen Auftrag der Wegbereitung für Gott so verstanden haben, wie der alttestamentliche Prophet ihn beschreibt. Aber wo kommen wir heute vor? Haben wir auch einen Auftrag? Was ist der Auftrag der Johanniter? Wer einmal etwas von Gott verstanden hat, alle die, die getauft sind, oder die, die im Reiche Gottes eine Aufgabe übernommen haben, sie haben Anteil an der Johannesaufgabe, Platz zu machen für Gott, damit Menschen einen Zugang zum Glauben finden.
Wir leben in einer Welt, in der es viele Hindernisse gibt, die Menschen vom Glauben abhalten. Da ist zum einen das Leid, das wir erfahren und das nicht wenige an der Güte und Liebe Gottes irrewerden lässt. Da ist zum anderen die Geschichte der Kirche, die leider auch viele Teile beinhaltet, die keinen Zugang zum Glauben wecken, sondern ihn eher verstellen. Und dann geschieht auf einmal ein Wunder, wenn ein Mensch, vielleicht völlig unerwartet, eine helfende Tat, ein gutes Wort oder eine zurechtbringende Unterstützung erfährt. Und auf einmal werden diese Menschen wieder offen, auf das verkündigte Wort Gottes zu hören. Sie verstehen es, wie sie es noch nie verstanden haben, und es erschließt ihnen ihre Wirklichkeit.
Liebe Johanniter, das ist Ihre Aufgabe, diese Tat zu tun oder dieses Wort zu sagen oder diese Unterstützung zu leisten. Ihre Aufgabe ist der Johannesdienst, Gott den Weg zu bereiten. Die Menschen, mit denen Sie es zu tun haben, sind ja häufig gerade die, die die Vergänglichkeit am eigenen Leib erfahren. Der Dienst, den viele von Ihnen tun, ist deswegen nicht leicht. In der Notfallseesorge für andere da zu sein, am Sterbebett den Menschen beizustehen, in der Pflege zupackendes Handeln zu zeigen. Und weil dieser Dienst nicht leicht ist, ist es großartig, dass Sie ihn übernommen haben. Ganz ausdrücklich möchte ich mich an dieser Stelle bei Ihnen dafür bedanken. Und gleichzeitig machen Sie und eben auch die Ihnen anvertrauten Menschen die Erfahrung: „Das Leben rinnt uns durch die Finger!“ Da ist es gut, wenn Sie auf etwas Bleibendes hinweisen können. Genau das ist die Botschaft des alttestamentlichen Propheten, die Botschaft Johannes des Täufers und die der Johanniter.
Es mag alles in dieser Welt vergehen, Gottes Wort erweist sich als zuverlässig und bleibt ewig. So ist es gut, wenn die Menschen wahrnehmen, wie die helfende Tat ein Hinweis auf Gott werden kann. Gott kommt. In Jesus Christus ist er schon in diese Welt gekommen. Johannes hat es erlebt und die Bibel berichtet es uns. Aber Gott kommt für alle Menschen am Ende der Zeiten wieder. Es wäre schade, wenn wir ihn verpassen würden, weil wir nicht darauf vorbereitet sind. So nehmt die Hindernisse weg und stellt die Menschen vor Gott. Gottes Zukunft kommt ja nicht über uns, wie ein gewaltiger Regenschauer. Nein, diese Zukunft Gottes will bejaht, angenommen und geglaubt werden. So ist es; so bleibt es und so führt uns Gott in seine Ewigkeit. Amen.