Ökumenischer Kreuzweg Lübeck

29. März 2013 - Karfreitag - „gemeinsam glauben - gemeinsam handeln“

29. März 2013 von Kirsten Fehrs

Predigt zu Mt 27, 47-50.54

Station 5: Jerusalemsberg. Jesus stirbt am Kreuz

 

Wir sind angekommen.

Am Berg Jerusalems.

Und, geht es Ihnen nicht auch so, liebe Schwestern und Brüder, dass diese eben gehörten Verse einem immer unter die Haut gehen?

Man fühlt geradezu die Dunkelheit.

Den Durst nach Leben.

Das bebende Entsetzen.

 

Was für ein tiefes Tal!  Und wir müssen es wohl, ach Gott, durchschreiten,  bevor wir übern Berg sind. Und ich schaue uns alle an, nachdenklich und durchgefroren, Euch, die Kinder und Erwachsenen, Jung und Alt – und bin so beeindruckt davon, dass wir alle hier stehen und vor diesem Tal nicht fliehen. Sondern dass wir gemeinsam aushalten, was eigentlich unaushaltbar ist. Der Schmerz. Die Angst. Das Erschrecken vor diesem Tod. All dem sind wir mit dem Kreuzweg im wahrsten Sinne nachgegangen. Mit Freundinnen und Freunden, der Familie an der Seite, wie damals bei Jesus.  

Und wir sind den Weg gegangen mit Gott an der Seite. Damals – und heute. Oft unerkannt. Und doch so nah. Dort nämlich am Kreuz starb sein Sohn. Und dort am Kreuz litt er selbst. Wer also könnte die Trauer, die wir hier unter uns tragen, besser verstehen?

Kein Leid, kein Kreuz der Welt ist bedeutungslos, seit Gott Mensch geworden ist. Nicht ob jemand traurig ist oder mit blanker Armut kämpft, ist bedeutungslos. Nicht ob Menschen hungern. Nach Brot. Nach Zuneigung. Nicht ob Krieg ist oder Frieden, in der Welt und in uns selbst. Nichts davon ist bedeutungslos.

Nicht gegenwärtiges,  zukünftiges,  nicht vergangenes Leid.  Wie besonders in Lübeck das der fünfhundert KZ-Häftlinge, der vier Märtyrer und der achtzehn anderen, die verfolgt wurden. Ihr Leidensweg kreuzt seinen, Jesu Weg. Und angesichts ihres Foltertodes kann es im Namen des Gekreuzigten gar nicht oft genug gesagt, gezeigt, erinnert und auf diesem alten Lübecker Kreuzweg in Skulpturen gemeißelt werden: Niemals! Niemals wieder ein Kreuz mit Haken. Niemals wieder Rassenwahn und Fremdenhass. Laut müssen wir es sagen heute, morgen – gerade morgen.

Denn es gibt nicht allein Kreuze, die man tragen, sondern auch Kreuze, die man zerbrechen muss. Gemeinsam glauben heißt: gemeinsam handeln!

Also: stehen wir auf. Brechen wir auf, was uns zwingt.

Es ist Zeit.

Morgen. Und übermorgen.

Denn so, wie wir um Tod und Zerstörung wissen, spüren wir doch zugleich die Kraft der Sehnsucht, ist es nicht so? Sehnsucht nach Leben. Liebe. Farben. Gnadensonne.  Nach Freundschaft, Toleranz und Frühlingserwachen. All dies ist so kostbar in unserem Leben, dass sich dafür doch jedes Aufstehen lohnt!  

Aufstehen. Vor einigen Jahren, als es noch einen rechtzeitigen Frühling gab, hat eine Künstlerin mit Blumenzwiebeln genau dieses Wort gepflanzt. Und dann sah man es aufwachsen, ein blühendes „Aufstehen“ aus Osterglocken.

Datum
29.03.2013
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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