3. September 2014 - St. Ansgar / Kleiner Michel

3. September 2014 - Ökumenische Vesper zum 25. Bischofsjubiläum von Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke

03. September 2014 von Kirsten Fehrs

1. Korinther 3, 9-15

Kanzelgruß

Liebe Festgemeinde und heute besonders: lieber Weihbischof, lieber Hans-Jochen,

beginne ich erst einmal mit einem persönlichen Wort zu dir. Denn bei aller Würdigung des Themas, des der Reformation allemal, ist doch ebenso der Anlass dazu der Würdigung wert. 25 Jahre bist du unter dem schützenden Segensmantel unseres Ansgar in Hamburg Weihbischof – und ein liebenswerter, kluger, respektierter, bisweilen streitbarer dazu. Nicht nur, dass ich heute hier an diesem Orte predigen darf, was ich als große Ehre empfinde, zeigt: Für die Ökumene hast du ein weites Herz, immer schon. Nicht ohne die Unterschiede zu betonen, gewiss, aber (das ist das wichtige!) im Unterton nie abwertend oder maßregelnd. Und – nicht ohne meinerseits die Unterschiede zu nennen – diese gute Gesprächskultur macht es leicht, im Gespräch zu bleiben. Auch wenn wir an Grenzen stoßen. Oder aber, wie wir es am Wochenende bei der Nacht der Kirchen hier in Hamburg erleben werden, wenn sich lauter Türen öffnen. Auch Herzenstüren. Sind doch die Menschen in unseren Gemeinden vor Ort oft weiter als all die theologischen Schriften, jenen wie diesen.

Du hast ganz vielen Menschen wohlgetan und tust es immer noch, weil du eine große Offenheit ausstrahlst. Du wendest dich wirklich zu. Akzeptierst die unterschiedlichen Lebensentwürfe, Besonderheiten, Nöte und Meinungen und versuchst zu verstehen, was die Seele beschwert. Und dafür danke ich dir. Ganz persönlich. Denn das ist es doch, was die Menschen aufbaut in ihrem Glauben: dass es hinter dem Horizont weitergeht, allemal hinter unseren menschlichen Grenzen. Wir brauchen doch Menschen, die zeigen, dass wir aus einer Kraft heraus leben, die mehr ist als die Mühe und das Ringen und manchmal wohl auch das Rechten. Ich danke dir dafür, dass du Menschen gezeigt hast, dass Unterschiede nicht trennen müssen. Schon gar nicht darin, gemeinsam das Gute für die Stadt zu wollen und zu tun! Denn darum geht es uns doch: um den Dienst an dem Menschen!

Denn wir sind – ich bin längst beim Predigttext - Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Ich finde, das ist eine schöne Beschreibung, wie unsere Christengemeinschaft in die Welt hinein wirken soll. Nicht allein schöne Kirchgebäude bauen und erhalten, dass sie eine Stadt förmlich dem Himmel näherbringen mit ihren Türmen. Und mehr noch als all dies: Wir bauen nicht nur Kirchen, wir bauen Kirche. Kirche als Gemeinschaft. Oder besser gesagt: Gott baut seine Kirche, und wir bauen daran mit. Auf ganz unterschiedliche Weise. Aber auf einem Fundament.

Bei meinem Gang in die Hafencity sehe und höre ich jeden Tag, was das heißt: Fundamente legen. Da rammen gewaltige Maschinen schwere Pfähle in den Boden, 13 oder 14 Meter tief, meterdicke Betonmauern befestigen das Ganze. Soll der Bau doch möglichst Jahrhunderte halten.

So wie das Ökumenische Forum Hafencity, errichtet von 19 Kirchen als lebendiges Zeichen für lebensnahe Ökumene. Als Zeichen dafür, dass wir „Grund“ haben zusammen zu arbeiten. Im ersten Stockwerk liegt meine Bischofskanzlei. Und wenn ich morgens durch die Tiefgarage zum Treppenhaus gehe, dann komme ich immer an einer Metalltafel vorbei. Sie markiert den Grundstein des Ökumenischen Forums, und dort ist genau jener Vers eingraviert: Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Dieser Vers verweist in seinem Zusammenhang und auch in unserem ökumenischen Kontext heute nicht nur auf die Grundlage jeder Kirche. Sondern sagt auch: Nehmt euch selbst und eure menschengemachten Traditionen nicht wichtiger als Jesus Christus und seine Botschaft, das Evangelium. Und ich finde es einerseits kaum zu glauben, andererseits aber auch ein wenig entlastend, dass es schon in den ersten Momenten des jungen Christentums diesbezüglich schwer „menschelt“. Weil gleich die eifersüchtige Frage auftaucht: Wer hat Recht? Zu wem gehören wir? Zu dir? Nein, nein zu mir!

Der Apostel Paulus macht die schmerzliche Erfahrung, dass in Korinth Streit herrscht, der alles überlagert. Auch das Fundament. „Eifersucht und Zank“, wie er schreibt. „Einer saget: Ich bin Paulisch, der Andre: Ich bin Apollisch, der Dritte: ich bin Kephisch, der Vierte: Ich bin christisch“, wie es in den alten Ausgaben der Lutherbibel noch heißt – um anzuzeigen: Die „-isch“-Endungen sind das Problem. Gibt es stärkere Grenzen zwischen Menschen als „-isch“ und all die „-ismusse“?

Was in der Sache dahintersteckt, können wir nur vermuten. Sicher geht es um Be- und Empfindlichkeiten. Paulus hat die Gemeinde gegründet. Die Rivalität mit Petrus ist kein Geheimnis. Dann tritt auch noch Apollos auf, ein schriftgelehrter Jude aus Alexandrien. Jeder auf seine Weise ein „Alpha-Tier“, jeder mit seinen Kontakten in die Gemeinde, jeder mit seinen Fans. Das sind einfach zu viele Parteiungen für so eine kleine Gemeinde – und vielleicht doch zu wenige Frauen in der Leitung …?

Paulus reagiert auf diesen Streit mit eben unserem Predigttext. Kein direkter Appell ist das. Sondern ein Bild, in dem wir uns „einbauen“ sollen mit unseren Gedanken und Träumen, wie wir Kirche sein wollen in dieser Welt. Aber auch mit unseren Verletzungen und Grenzen, unserer Menschlichkeit halt. Genauso, so wir ihr jetzt seid, liebe Schwestern und Brüder, genau so seid ihr die eine Kirche, sagt Paulus - denen damals in Korinth. Und uns heute hier. Ihr seid der Tempel Gottes, in dem der Geist Gottes wohnen soll. Der Geist also des Erbarmens! Mit einem Fundament: Jesus Christus selbst.

Wir Menschen sind die Mitarbeiter. Nun gut, die können auch „weise Baumeister“ sein, wie Paulus für sich selbst in Anspruch nimmt. Aber danach kommen andere und bauen auf seiner Leistung auf, ob nun aus Gold, Holz, Stroh. Das liegt nicht mehr in der Hand dessen, der zuvor gebaut hat. Respekt, Paulus, denke ich. So von sich selbst abzusehen, sich zurück zu nehmen, auch quasi nach der Pensionierung die anderen weiterbauen lassen am geliebten Werk, ohne sich einzumischen, alle Achtung. Eine demütige Haltung, die die Grenzen der eigenen Leistung erkennt.

Zu dieser Demut, von der wir heutzutage gern sehr viel mehr erkennen und erleben könnten, gehört, dass Paulus die Gaben, Meinungen und Leistungen der anderen anerkennt. „Ich habe es gepflanzt, Apollos hat begossen“, so beschreibt er das. Gehandelt haben sie in Einheit und richtig wachsen wird´s dann durch die Vielfalt. Was für ein treffendes Bild für Ökumene, liebe Gemeinde!

Und weil sich´s so viel leichter anhört, als es ist: Solch ökumenische Pluralität ist Arbeit und eine echte Errungenschaft. In Hamburg musste man darauf lange warten. Immerhin bis ins 19. Jahrhundert hinein immer gab es nur eine Konfession – bis 1529 römisch-katholisch und ab da evangelisch-lutherisch. Andersgläubige waren, wenn sie überhaupt geduldet wurden, nicht gleichberechtigt und durften schon gar nicht ihren Glauben öffentlich zeigen. Einzelne Ausnahmen wie beispielsweise bei den Anglikanern bestätigten nur die Regel. Da musste tatsächlich erst Napoleon kommen, damit auch den Katholiken Glaubensrecht gewährt wurde – und ein kleiner Michel dazu.

Man kann sich diese „Monokonfessionalität“ gerade in Hamburg heute kaum noch vorstellen. Erleben wir doch jetzt, vor allem durch die Zuwanderung, eine beeindruckende Vielfalt an christlichen Konfessionen in der Stadt, von anderen Religionsgemeinschaften ganz zu schweigen. Ob aramäische Christen aus Syrien, Pfingstkirchler aus Afrika, orthodoxe Christen aus Russland – Gottes Wort wird in Hamburg in faszinierend vielen Sprachen, auch Glaubenssprachen verkündet. Und das ist, so empfinde ich es, ein wunderbarer, kultureller Reichtum in dieser Stadt. Denn wenn so vielfältig und inbrünstig ehrlich Friedensgebete gesprochen, Hoffnungslieder gesungen und auf Menschenrecht geachtet wird – dann ist das doch eine unerhört verbindende Kraft in einer Welt, die so sehr mit Spaltungen kämpft und Friedlosigkeit. Gerade jetzt diese Friedlosigkeit.

„Lasst keine Spaltungen unter euch sein, sondern haltet aneinander fest in einem Sinn und in einer Meinung“, sekundiert Paulus und meint damit: einander halten in einem Sinn, der Freiheit und Liebe gebiert, aber keine Uniformen. Einheit ist doch etwas anderes als Vereinheitlichung. Es ist der Geist des herzlichen Verstehens, der die Vielfalt zusammen hält, weil sie sie auch aushält und versöhnt.

Wir haben in unser beiden Traditionen, ob nun römisch-katholisch oder evangelisch-lutherisch, eine – sagen wir: herausfordernde – Vielfalt. Unsere Frömmigkeit, unser öffentliches Auftreten, vor allem unserer innerer Aufbau und Amtsverständnis ist verschieden – und wir achten das. Ich will jedoch nichts beschönigen: Die längste Zeit unserer gemeinsamen Geschichte war von jener Eifersucht und jenem Zank geprägt, den Paulus zu Recht verurteilt. So stellt sich die Frage, und das ist ja gewissermaßen auch die Gretchenfrage heute, wie wir mit dem Datum 2017 umgehen. Sollen wir es feiern? Oder als Anlass zur Buße nehmen? Sollen wir es nüchtern als Gedenkjahr deklarieren?

Die Lutherisch/Römisch-katholische Kommission für die Einheit formuliert es in ihrer Schrift „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ folgendermaßen: „Wenn im Jahr 2017 katholische und evangelische Christen auf die Ereignisse vor 500 Jahren zurückblicken, dann tun sie das am angemessensten, wenn sie dabei das Evangelium von Jesus Christus in den Mittelpunkt stellen. Das Evangelium soll gefeiert und an die Menschen unserer Zeit weitergegeben werden, damit die Welt glaube, dass Gott sich uns Menschen schenkt und uns in die Gemeinschaft mit sich und seiner Kirche ruft. Das ist der Grund für unsere Freude im gemeinsamen Glauben.“

Ich finde, das ist wunderbar beschrieben, und schließe daran an: Natürlich können wir 2017 feiern. Wir haben ja keinen Grund, das, was die Reformatoren damals als zentrale Wahrheiten des christlichen Glaubens und Lebens formuliert haben, zu verschweigen. All das, wovon im Anschluss in der Festakademie näher die Rede sein wird: Die Rechtfertigung allein aus Glauben. Die Erkenntnis, dass allein Christus für unser Heil sorgt und wir allein aus Gnade leben. Nur: Wir feiern eben genau das. Und nicht das „-isch“ an sich, das „lutherisch“, das „evangelisch“, wir feiern kein Gründungsfest der evangelischen Kirche oder gar kritiklos Luther, sondern wir feiern den einen Grund, der – längst! – gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Gern gemeinsam, liebe Schwestern und Brüder. Gern gemeinsam lieber Hans-Jochen Jaschke. Dazu helfe uns Gott. Mit dem Frieden, der höher ist als alle Vernunft, und der unsere Herzen und Sinne bewahrt in Christus Jesus. Amen.

Datum
03.09.2014
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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