Nürnberg - St. Lorenz-Kirche

30. September 2012 - Dialogpredigt mit Bischöfin Rosemarie Wenner

04. Oktober 2012 von Gerhard Ulrich

25 Jahre Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen Evangelisch-Methodistischer Kirche und den Kirchen in der EKD

Dialogpredigt Bischöfin Rosemarie Wenner und Bischof Gerhard Ulrich

Zu Johannes 17

Hier: Teil II, Bischof Gerhard Ulrich

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Evangelist Johannes war wahrlich kein ökumenischer Taktiker! Er geht ganz schlicht und bahnbrechend davon aus: In der Kirche ist Christus als Herr der Kirche da, präsent und lebendig: „Im Anfang war das Wort“ – so beginnt das Evangelium nach Johannes. „Und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort…„Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit…“

Christus wohnt unter uns – davon ist zu reden. Dieser besondere Mitbewohner in der so merkwürdigen und vielfältigen Wohngemeinschaft  mit Namen „Kirche“ ist es, dessen Name nicht nur an der Wohnungstür steht, sondern dessen Geist überhaupt Leben in die Bude bringt! Das ist ein Geist der Liebe, des Friedens, der Barmherzigkeit; ein Geist der Weite. Und auch ein Geist des Widerspruchs gegen alle Ungerechtigkeit und weltliche Machtansprüche; ein Geist der Klarheit – einer, der die Geister unterscheiden hilft, die uns leiten und bestimmen wollen.

Und darum sage ich: Jawohl, es ist wunderbar, und es ist ein Grund, Gott zu danken, dass wir Evangelischen in der Evangelischen Kirche in Deutschland nun seit 25 Jahren zusammen mit den Schwestern und Brüdern der Evangelischen Methodistischen Kirche in Deutschland in einer Kirchengemeinschaft miteinander unterwegs sind. Zusammen hören Gottes Wort für die Welt, zusammen essen und trinken am Tisch des Herrn! Dass wir Trennendes haben überwinden und Gemeinsames entdecken können. Und: Die Bischöfin hat ja darauf hingewiesen: Da waren auch Verletzungen, die es verhindert hatten, schon früher nach Wegen der Verständigung und des Friedens zu suchen. Leider! Ich bin dankbar für die Beharrlichkeit der Brüder und Schwestern damals, die Zäune der Feindschaft abgerissen haben!  Auch das wollen wir heute vor Gott bekennen und in seine Hand legen.

Doch, liebe Schwestern und Brüder, es kommt in der Kirche Jesu Christi auf jeden und jede an, denn jeder und jede einzelne ist gerufen zum Zeugnis und zum Dienst: Nämlich groß zu machen und schön den Namen Gottes vor der Welt und für uns selbst.

Wir haben es miteinander gelernt auf dem Weg: die Einheit, um die Jesus bittet, ist keine Gleichmacherei, es geht auch nicht um die allumfassende organisatorische Einheit! Ich weiß es wohl, auch wir Evangelischen sind nicht frei von der römisch-katholischen „Versuchung“…  Auf der Basis der Reformationsbewegung um Martin Luther und seiner Mitstreiter geht es uns Protestanten um die Einheit der Verschiedenen: Die Vielfalt ist keine zu überwindende Schwäche, sondern eine Stärke evangelischer Lehre von der Kirche. „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“, sagt Jesus.

Während aber wir, wenn wir von „Einheit“ reden, oft im Blick haben unsere Zusammenarbeit, den organisatorischen oder institutionellen Rahmen, wie auch „Ökumene jetzt“ es zuspitzt, dann müssen wir darauf hinweisen, dass Jesus zunächst und vor allem etwas Anderes im Sinn hat: er spricht von der Einheit, in der er selbst mit dem Vater ist! Diese Einheit sollen wir leben; eins sollen wir sein gleich ihm mit dem Vater, damit die Welt sieht, dass er gesandt ist! Das ist nun aber eine Einheit, die wir nicht selber schaffen können mit Vereinbarungen untereinander. Sie wird uns vielmehr geschenkt. Und es kommt darauf an, ob wir diese Einheit leben, gestalten – jede und jeder Einzelne und wir als Gemeinschaft der einen Kirche Jesu Christi.

Das, was uns eint, das gemeinsame Fundament des Hauses ist das Wort.

Deshalb ist es so wunderbar, liebe Frau Fischer, wie Sie eben in dem Interview erzählt haben von dem Ökumenischen Bibelkreis, vom gemeinsamen Lesen und Hören auf das Wort! Das ist doch das Zentrum, das ist doch das, was uns gemeinsam ist, was uns geschenkt ist, anvertraut: allemal größer als jede unserer Kirchen; allemal größer auch als jede verabredete Kirchengemeinschaft: Das Wort, das vor allem Anfang und in allem Anfang war, das Gott spricht, damit alles ins Leben kommt, das schöpferische Wort. Das Wort, das die Wahrheit ist, aus der wir leben – in allen Irrtümern und mit ihnen; in allen Unterschieden und mit ihnen. „Heilige sie in der Wahrheit“, sagt Jesus, „dein Wort ist die Wahrheit“. Das Wort, das Fleisch geworden ist in Jesus Christus. Der uns sendet in alle Welt. Und diese Sendung Jesu ist uns gemeinsam. Wir dürfen vor lauter Auseinandersetzung mit dem, was uns unterscheidet, nicht vergessen, was uns gemeinsam ist, was uns aufgetragen ist. Die Menschen warten darauf, dass wir ihnen weitersagen das Heil bringende, aufrichtende, stärkende Wort. Sie haben einen Anspruch darauf, dass wir hören, was sie fragen und sie mit ihren Fragen nicht allein lassen in dieser Welt.

Ich komme gerade von einer Tagung von katholischen und evangelischen Predigtlehrerinnen und –Lehrern in Wittenberg. „Vom unbekannten Gott erzählen – Agnostizismus, Atheismus und Predigt“. Wie reden wir von Gott in einer Zeit zunehmender Gottvergessenheit? Wie können wir unsere Leidenschaft für Gott laut werden lassen so, dass sie verstanden wird? Das ist doch ein uns gemeinsamer Auftrag, der wirklich wichtig und entscheidend ist, dass wir miteinander jene verstehen, die „religiös unmusikalisch“ und dennoch voller Neugier und Sehnsucht sind nach einem Wort, das wirklich trägt! Wir haben uns wiederum vor Augen geführt die alte homiletische Tatsache: alles Predigen wächst aus dem Hören. Aus dem Hören auf das Wort, das am Anfang war. Aus der Wahrnehmung auch des Anderen, dem unser Reden und Erzählen gilt. Wahrnehmen-Verstehen-Gestalten: dieser Dreischritt gilt auch für die Ökumene! Sie gründet im Hören auf den anderen, den Fremden. Und sie gründet im Respekt: der andere ist Verwalter der Wahrheit nicht defizitär zu mir, sondern mit demselben Gewicht.

„Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden“. Ja, Kirche in der Kraft Seines Geistes ist immer missionarische Kirche! Kirche die bezeugt in Wort und Tat Gottes Liebe und Treue zur Welt. Seid darin einig, dass ihr euch senden lasst, damit die Menschen glauben! Als Verschiedene das Eine, den Einen verkündigen! Das ist der Auftrag, darin sind wir eine Einheit – das ist unsere Mission!

Das ist Inhalt und Sinn, Geist und Kraft der Gemeinschaft: dass das Wort, das am Anfang war und das Fleisch geworden ist in Jesus Christus, nicht verstummt, dass es Fleisch wird immer neu; dass wir weitergeben, was wir empfange haben; dass wir teilen, was wir zum Leben haben – an Glauben, an Frieden, an power zur Versöhnung.

Darum geht es in der „Wohngemeinschaft“ Jesu Christi: Sein Auftrag und Seine Sendung sind eines! Und das heißt eben auch: Schau doch mal hin, auf den Bruder und die Schwester neben Dir, die möglicherweise in einem Zimmer wohnt mit etwas anderen Möbelstücken als du selbst sie für chic hältst und passend: Ich will da mir gerne an die eigene Nase fassen und also schauen auf die sechs Ev. Methodistischen Gemeinden, die bei mir zu Hause in Schleswig-Holstein lebendiges Christsein verkörpern in Flensburg und Kiel und Lübeck z. B. Also dann auch hingehen und sehen sie in ihrer Frömmigkeit, in der Lebendigkeit ihrer Gottesdienste, in ihrem sozialen Engagement für die Nächsten um die Ecke. Ökumenisch auf der Höhe der Zeit zu sein, heißt eben auch: Ich muss immer damit rechnen, dass der oder die andere schon etwas mehr oder eben anderes von der Wahrheit erkannt hat, die in Christus zu finden ist.  Und dass ihre oder seine Sicht und sein oder ihr Verstehen Sicht oder Verstehen sein könnte, die mir fehlt, mich reicht macht – nicht stört!

Toleranz, liebe Schwestern und Brüder ist ja nicht nur jene Haltung, die den anderen sein lässt, wie er ist. Toleranz ist vor allem die Haltung, die mich damit rechnen lässt, dass mir in dem Anderen, dem Fremden etwas begegnet, was mir fehlt – an Frömmigkeit, an Glauben, an Bekenntnis-Haltung.

Diese Welt hat einen Anspruch darauf, dass wir nicht verstummen, dass wir die Wahrheit, die wir erkannt haben, die in uns gelegt ist, nicht verschweigen. Denn es geht in dem allen nicht um uns zuerst. Die Einheit im und unter dem Wort ist kein Selbstzweck. Es geht um Gott und seine Schöpfung, um seinen Plan mit dieser Welt, um sein Reich, an dem zu bauen er uns alle, die Verschiedenen, die Starken wie die Schwachen, die Frommen wie die Zweifelnden brauchen will und kann.

Alles Trennende kann und darf uns nicht abhalten davon, dass wir miteinander, als ein Leib sichtbar und hörbar sind und die Stimmen erheben für Recht und Frieden und gegen den widerwärtigen Hass, gegen alle Formen des Fundamentalismus – die wahre Gefahr der Trennung. Und nirgends wird das sichtbarer als am Tisch des Herrn, der alle einlädt, seine Gäste zu sein. Gemeinschaft der Kirchen will sinnlich erfahrbar werden. Das Abendmahl ist dafür der Ort. Der Tisch des Herrn versammelt immer schon die Verschiedenen um den Herrn der Kirche, er bildet die gemeinsame Mitte der Verschiedenen. Und genau da wird denn auch der Stachel der Trennung sichtbar und spürbar, der Schmerz noch nicht überwundener Trennung: Wir sind noch nicht eins, wir sind noch nicht am Ziel. Und darum brauchen wir es, dass wir bleiben in dem Gebet des Herrn um Einheit: „Heilige Du sie – damit sie alle eins seien!

Amen

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