4. Dezember 2014 - Hauptkirche St. Katharinen

4. Dezember 2014 - Adventsempfang der Nordkirche in Hamburg

04. Dezember 2014 von Kirsten Fehrs

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – was wir da eben so gekonnt und inbrünstig gesungen haben, ist das erste Lied unseres evangelischen Gesangbuches. Es steht allem voran. Wie eine Art Programm unserer Kirche: Macht hoch die Tür! Schließt euch nicht ein, kapselt euch nicht ab, seid euch nicht selbst genug! Und ich hoffe, das erleben wir heute gemeinsam auf diesem Adventsempfang, für den St. Katharinen wieder Tür und Tor geöffnet hat, danke dafür, liebe Hauptpastorin Dr. Murmann. Zu meiner großen Freude findet der Empfang statt, hat sich dieses Jahr doch der Herr Xaver mit-samt Orkan glücklicherweise nicht eingefunden – im Unterschied zu Ihnen! Seien Sie also nun für zwei Jahre gleich doppelt herzlich begrüßt – meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber erster Bürgermeister, willkommen, die Sie aus Bürgerschaft und Senat, aus der Politik Schleswig-Holsteins und der Welt, aus Kirche und Religionen, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft den Weg hierher gefunden haben. Mit Ihren ganz verschiedenen Berufen, Positionen, Lebensgeschichten, Sprachen, aus vielen Weltenländern. Ein herzliches Willkommen stellvertretend unseren Gästen aus afrikanischen Ländern ebenso wie den Vertretern des konsularischen Korps!

Die Tor macht weit. In Hamburg allemal. Weltwärts ausgerichtet – das ist das Selbstverständnis unserer Stadt. „Hamburg ist eine Ankunftsstadt“, so haben Sie, lieber Olaf Scholz, das im Frühjahr so zutreffend formuliert.

Ankunft im Advent. Vor drei Tagen habe ich zusammen mit dem Landespastor die Zentrale Erstaufnahme für Flüchtlinge in der Schnackenburgallee besucht. Bedrückend zunächst die vielen Container für über 1300 Menschen, 300 Kinder darunter. Sie haben es durch unsere Tore geschafft. Wir sehen frierende Männer, eine Schwangere, ganz furchtbar verstört, ein junges Mädchen, barfuß in Flipflops. In Hamburg angekommen, ja, aber die Seele noch nicht. Anders ist es im provisorischen Kindergarten gleich nebenan. 20 kleine Menschenkinder aus Syrien und Eritrea, vom Balkan und aus Afghanistan wenden sich uns zu, lebhaft, staunend, kabbelnd, ein bisschen (Sie kennen sicherlich noch die alte Fernsehserie) wie „die kleinen Strolche“. Nur ohne Hund. Aber dafür mit zwei Farinas. Die Mitarbeiterinnen dort sind – wie übrigens ausnahmslos alle, die wir in der Einrichtung treffen – hochengagiert. Sie erzählen, dass die Kinder, wenn sie ankommen, erst einmal alles festhalten, was ihnen an Spielzeug gehört. Weil die Angst so tief sitzt, dass ihnen binnen Sekunden alles genommen wird. Denn das ist ihre Erfahrung. Es dauert Wochen, bis sie, ganz behutsam, lernen zu teilen. Dass das Spaß bringt. Und keinen ärmer macht.

Das Teilen wieder entdecken, um Lebensfreude zu gewinnen. Um bei sich anzukommen und der eigenen Menschlichkeit – das ist die Botschaft! Nun denn: Wissen Sie, wo diese Zentrale Erstaufnahme liegt? Sie steht zwischen Autobahn, Müllverbrennungsanlage und Bahngleisen. Trotz aller Anstrengung von Fördern und Wohnen, trotz aller Anstrengungen der Behörden – ein grauer, zugiger, hässlicher Ort. Er ist, um es so hart zu sagen, einer Stadt wie Hamburg unwürdig. Und um auch das so deutlich zu sagen: Das ist kein Vorwurf gegen die Behörden, die sich wirklich bemühen. Und natürlich auch keiner gegen die, die vor Ort engagiert, zugewandt und empathisch rund um die Uhr schweren Dienst tun. „Hier sind deshalb so viele Menschen untergebracht“, sagen sie, „weil die Folgeunterbringung so schwierig ist. Weil kaum jemand Wohnungen an Flüchtlinge vermietet. Weil immer wieder Menschen mit einstweiligen Verfügungen verhindern wollen, dass in ihrer Nachbarschaft Unterkünfte für Flüchtlinge entstehen.“ – Und: Wer lehrt die Erwachsenen eigentlich, zu teilen?

Doch in Hamburg, der Ankunftsstadt, geht es glücklicherweise auch anders. Handwerkskammer und Handelskammer, überhaupt viele in Wirtschaft und Politik empfinden Verantwortung dafür, dass Flüchtlinge in Ausbildung, Arbeit und Brot kommen. So war dies eines der brennendsten Themen, das am vergangenen Buß- und Bettag bei einem ethischen Wirtschaftsforum höchst interaktiv verhandelt wurde – danke, dass zu diesem Wirtschaftsforum so viele meiner Einladung gefolgt und auch heute hier sind, um weiter mit zu denken und Ideen zu teilen!

Dann: Das ehrenamtliche Engagement in dieser Stadt ist beeindruckend. In den Stadtteilen und Kirchengemeinden bieten unsagbar viele ihre Hilfe an und kümmern sich. Mit Runden Tischen, großem Herzen, Gästewohnungen, Dolmetschdiensten, Deutschunterricht und klaren Worten. Für mich ist das gelebte Nächstenliebe. Ermutigend dabei, wie groß die Solidarität z.B. in St. Pauli war und ist! Wir haben’s erlebt, welche Kräfte zu mobilisieren sind. Und wie traumatisierte junge Menschen wieder auf die Füße kommen. Dank der Nachbarn, die Wäsche waschen und Flüchtlinge zum Arzt begleiten und Kleider sammeln und mit ihnen Fußball spielen. Dank Schulklassen, wie der 10 B aus der Stadtteilschule St. Pauli, die ihre Turnhalle für Flüchtlinge öffnen wollte. Ich danke Ihnen und euch – aus St. Pauli, aus der Luthergemeinde Bahrenfeld, Christianskirche Ottensen, St. Georg Borgfelde, Iserbrook und und und – von ganzem Herzen. Dafür, dass Wirklichkeit wird, was das alte Adventslied meint. Macht hoch die Tür! Irgendwie. „Irgendwie“, sagte mir die Leiterin der Zentralen Erstaufnahme, „‘irgendwie‘ ist mein wichtigstes Wort geworden. „Irgendwie“ schaffen wir das. Und, meine Damen und Herren, eint uns das nicht – irgendwie?! Gerade im Advent, der doch übersetzt „Ankunft“ heißt?

Adventus – der Friedefürst soll jetzt endlich kommen. Besser heute als morgen. Er, der Heil und Segen mit sich bringt. Heute übersehen wir schnell die raffinierte Umdeutung, welche die ersten Christinnen und Christen vorgenommen haben. Adventus, das war eigentlich der Einzug des römischen Kaisers in eine Stadt. Ein Staatsbesuch. Versehen mit einem Pomp und Gepränge, wie ihn sich heutzutage keine Stadt mehr leisten könnte, … und, eingedenk hanseatischer Vernunft, auch gar nicht wollte – zumal der Kaiser wie ein Gott verehrt wurde.

Ganz anders der christliche Advent. Da kommt ein Wanderprediger in die Hauptstadt. Mit einem höchst gemischten Gefolge aus Fischern, entlaufenen Zöllnern, ehemaligen Prostituierten, Gottsuchern, Geistbewegten. Armselig ist er durch und durch, mit stiller Autorität und unerhört freundlich. Das ist der Herr der Herrlichkeit. Ein Helfer, dieser König. Nicht auf hohem Ross, sondern auf einem Esel zieht er ein. Adventus. Staatsbesuch – ganz anders. Ich sehe die ersten Christen leise lächeln. Es gibt nur einen Herrscher. Einen, der nicht auf die Macht der Truppen und die Gewalt des Schwertes setzt. Das ist kein weihnachtlicher Kitsch. Das ist subversiv.

Und nun: Realitätscheck. Kommt er wirklich? Die Frage ist so alt wie die Christenheit selbst: Seid ihr blind? Wir könnt ihr behaupten, dass Christus den Frieden in die Welt bringt? Gerade habe ich den Aufsatz eines Atheisten gelesen, in dem dieser sich über die Aktion „Friedenslicht aus Bethlehem“ beschwert: „Denkt irgendeiner der Protegés der Aktion daran, dass eben dieses Licht aus einer der dunkelsten Ecken der Welt stammt? ... Anfang des 21. Jahrhunderts ist das ‚Heilige Land‘ ein Pulverfass und ein Zeugnis dafür, dass Religionen kaum dazu beitragen, die Welt ein bisschen friedlicher zu machen.“ Natürlich, antworte ich, denke ich daran. Wer tut dies hier nicht?! Die politische Lage gibt allen Anlass, gerade nicht darüber hinweg zu singen – mit Zweiglein der Gottseligkeit, die steckt auf mit Andacht, Lust und Freud?!

Nicht ausweichen also. Gerade in diesem Erinnerungsjahr 2014 nicht. Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg – befeuert durch kriegsverherrlichende Predigten von vielen Kanzeln. Nur 25 Jahre später folgte der Zweite Weltkrieg. Wir haben jenen Wahnsinn dieses Jahr Revue passieren lassen –und sehen zugleich, dass die gegenwärtige Welt so von Kriegen geprägt ist wie selten zuvor nach 1945. Am östlichen Rand Europas sterben Menschen in einem unerklärten Krieg. Im Nahen Osten zerfallen die Staaten, werden ihre Bewohner von Banden und Milizen terrorisiert und getötet.

Ohnmacht – das empfinden etliche angesichts der grauenvollen Bilder. Und halten sich raus, zurück, verstört, machen zu. Verständlich, zunächst. Zugleich lässt mich gerade in diesem Jahr ein Satz von der Theologin und Klartexterin Dorothee Sölle einfach nicht los: „‘Da kann man nichts machen‘, das ist ein gottloser Satz.“

Recht hat sie, und ich denke an den 9. November 2014. Greifswalder Dom. Ich darf predigen und empfinde es als große Ehre. Vor dem Altar sieht man eine Pflugschar, von einem Schmied wenige Tage zuvor aus einem Schwert geschmiedet. Sie ging danach auf Reisen durch die Nordkirche – zu all den Friedensgebeten, die es zahlreichst immer noch gibt. – Nach dem Gottesdienst komme ich mit den Menschen ins Gespräch. Gerührt und stolz zugleich schenkt mir ein älterer Mann ein Plakat. In original DDR-Kunst-Design liest man: Der Prophet Micha verheißt: „Schwerter zu Pflugscharen“ – Angst, Vertrauen, Frieden – „Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben“, Datum: November 1982. Es geht mir durch und durch, wie sehr dieses uralte, weise biblische Wort wahrhaftig Kraft zum Widerstand bewirkt hat.

Der Mann erzählt, wie sehr damals die Angst regiert hat. Angst vor der Stasi, vor allem aber vor einem Krieg zwischen Ost und West. Es war eben kein engstirniger Nationalismus, der in den achtziger Jahren die Annäherung der Blöcke vorbereiten half, sondern eine tiefe Sehnsucht nach Frieden. Das alte Michawort hatte den Nerv getroffen. In Ost wie West. Subversiv, aus der Distanz der Tradition herausgeholt, wirkt die Bibel ins Leben. Unmittelbar.

Gottfried Timm, in der DDR bürgerrechtsbewegter Pastor und nach 1990 Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern, gibt in seiner Predigt hier in Hamburg in St. Jacobi ein weiteres Beispiel. Er schildert den 9. November 1989 im mecklenburgischen Röbel: „3000 Kinder, Familien und Ältere, Christen und viele Nichtchristen zogen durch die Dämmerung des Abends von der Marienkirche in das Stadtzentrum, etliche hatten Kerzen in ihren Händen. Im Schaufenster des Bäckerladens an der Straßenseite hing auf einem Blatt Papier geschrieben der Satz: 'Die Wahrheit wird euch befreien' – in Klammern darunter: 'Jesus'."

Die Worte der Bibel in der Öffentlichkeit, als Losung gegen die Ohnmacht, als Deutung ihrer Zeit. Subversiv. Und heute 25 Jahre, eine Generation später? Jubiläen und Jahrestage haben ihre Berechtigung, wenn sie uns Anstöße geben für unsere heutige Zeit. Nun: "Schwerter zu Pflugscharen" – wie halten wir es damit heute?

Die Welt hat sich seit den 1980er Jahren gewandelt. Die Waffenarsenale in Europa sind kleiner geworden. Die Bedrohung durch einen Atomkrieg hat sich verringert. Doch kein Grund zur Beruhigung: Was wir jetzt erleben, diese Kriege, die im Irak, in Syrien, in Gaza, in der Ukraine toben, haben eine ganz neue Qualität des Grauens. Ein eigentümliches Ineinandergehen von Krieg, Bürgerkrieg und blankem Terror – jeder gegen jeden, mit unsäglichem Sadismus, bis hin zum Völkermord.

Schwerter zu Pflugscharen – das ist – völlig unsubversiv – wichtiger denn je!

Zugleich hören wir die Stimmen der Verfolgten, insbesondere die der Christen und Yeziden im Irak, insbesondere übrigens auch die der Christinnen und Yezidinnen, denen nicht nur Vertreibung droht oder der Tod, sondern auch die Vergewaltigung, die Zwangsverheiratung an IS-Kämpfer. Und alles, was dort an Hilfe geleistet werden kann, geht kaum ohne Gewalt: Ob man nun Schutzzonen, Hilfslieferungen, ein UN-Mandat fordert – wie soll das gehen ohne zumindest die Androhung von Waffengewalt? Das ist das bedrückende Dilemma: Dass wir schuldig werden, gleich, was wir tun. Oder lassen.

Und so wird sie geduldet und wird ihr das Wort geredet, die Waffengewalt als ultima ratio. Wer allerdings für mein Empfinden viel zu sehr aus dem Blickfeld geraten ist, ist die ältere Schwester: die prima ratio. Sie aber gilt es wachzuhalten! Sie ist das Erste und mit ihr ist zu erinnern, dass Waffen nicht das Leben, sondern den Tod bringen. Dass es auf der Welt viel zu viele Gewehre, Raketen und Landminen gibt. Und dass ein Großteil aller Waffenexporte ausgerechnet von Deutschland ausgeht. Wenn die Kriege im Irak und in Syrien und in so vielen anderen Ländern uns etwas lehren, dann dieses: Dass es keine Alternative zum Frieden gibt. Ein Friede allerdings, der kein fauler, kein Friedhofsfriede sein darf. Sondern geschützt, vielleicht auch erstritten werden muss.

„Aber man kann doch nicht nichts tun!“ – so wird es den pazifistisch Gesinnten stets entgegengehalten. Zurückgefragt: Ist das denn nichts? Immer wieder zu erinnern, zu ermahnen, ins Herz zu senken, zu beten, zu denken, zu spenden, zu reden mit denen, die sonst auch hier in Hamburg abzudriften drohen in bitteren Fundamentalismus – gegenzuhalten mit einer Kultur des Anstandes, mag sein des Widerstandes, wie wir sie immer wieder zu lernen haben. Ist das denn nichts, auf der Grundlage unseres Grundgesetzes den allerersten Artikel dieser demokratischen Gesellschaft immer und immer wieder als erstes Lied zu singen? Programmatisch. “Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Und dann geht der Text weiter: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Mir hat sich dieser Satz in den vergangenen drei Jahren ganz neu erschlossen. Seit in unserer eigenen Kirche die Menschenwürde, die Integrität und Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendlichen so sehr mit Füßen getreten wurde, lese ich diesen Satz ganz neu. Um die Menschenwürde zu schützen, reicht es nicht, auf den guten Willen oder die Würde des Amtes oder gar eine innere Hemmung bei Tätern zu setzen. Es braucht klare Strukturen, es braucht verbindliche Regeln, ja es braucht auch scharfe Sanktionsmöglichkeiten gegen sexualisierte, gegen jegliche Gewalt. Es braucht eine Gegengewalt, um die Schwachen zu schützen. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, die wir beauftragt haben, hat in ihrem Abschlussbericht sehr genau beschrieben, wie auch fehlender Leitungswille in unserer Kirche die Taten begünstigt hat. Das Prinzip Dialog stößt an seine Grenzen, wenn   sexualisierte Gewalt gestoppt werden muss. Kinderrechte sind nicht in demokratischen Prozessen verhandelbar, sondern müssen eingelöst werden. Das Recht, und zwar das Recht des Schwächeren, gibt die Handlungsweise vor.

„In Bezug auf dich und das Deine hältst du dich nach dem Evangelium und leidest Unrecht als ein rechter Christ", sekundiert Martin Luther, und fährt fort: "in Bezug auf den andern und das Seine hältst du dich nach der Liebe und duldest kein Unrecht gegen deinen Nächsten.“ Die Alternative lautet dabei interessanterweise nicht: Mit Gewalt oder gewaltlos? Sondern: Rechtmäßig oder unrechtmäßig? Der Nächstenliebe dienend – oder den Eigeninteressen? Dem Recht des Schwächeren verpflichtet oder dem des Stärkeren?

Und so bekommt der alte Reformator wieder einmal eindringliche Aktualität. Denken wir dies weiter, bezogen etwa auf das Thema Flüchtlinge, heißt das: Gemäß diesem Recht des Schwächeren darf es nicht nur danach gehen, was sie uns kosten, ob wir sie als Arbeitskräfte brauchen können, ob sie leicht oder schwer integrierbar sind. Die Grundlage für unseren Umgang mit ihnen müssen die Nächstenliebe und das Recht bleiben. Die Staatsgewalt steht im Dienst der Menschenwürde. Nur darum überhaupt darf sie Gewalt sein. So sagt es das Grundgesetz. Die Menschenwürde wiederum leitet sich ab aus der Würde des menschgewordenen Gottes. Aus dem äußerlich so armseligen und innerlich so reichen Friedefürsten. So sagt es die Bibel.

Dieses alles ist ein sehr hohes Gut – und es ist zerbrechlich. Wir können das an den Ländern sehen, in der die Staatsgewalt erst ihre Legitimation verspielt und sich anschließend in das Faustrecht der Banden und Milizen auflöst. Auch davon können uns die Flüchtlinge erzählen.

Deshalb: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – die Ankunft des Friedefürsten ist das, was ich erwarte; ich glaube es zutiefst. Und deshalb will ich es mit vorbereiten. Die Mauern nicht fester schließen, sondern öffnen, wo es möglich ist. Hier, in Europa, in Deutschland, in Hamburg haben wir jeder Feindseligkeit entgegen zu treten. Angesichts dessen, was wir jüngst mit Salafisten einerseits und der klaren Gegenpositionierung islamischer Gelehrter – auch hier in Hamburg – andererseits erleben, gilt uneingeschränkt und verstärkt: Der Dialog der Religionen ist unabdingbar. Diese Sprache des Glaubens tut wohl dem Land, und wohl der Stadt!

So haben wir es versucht im Sommer, just als in Israel und Gaza die Raketen explodierten. Friedensgebet vor der Blauen Moschee an Hamburgs Außenalster. Es war ein Wagnis, aber dank einer langen interreligiösen Gesprächskultur in Hamburg möglich. Enorm aufregend, ob wirklich am Schluss alle kommen. Der katholische Diözesanadministrator und die evangelische Bischöfin (klar!), aber der jüdische Landesrabbiner, der sunnitische Imam, der schiitische Ayatollah? Sie kamen. Gemeinsam mit Hunderten anderer Hamburger haben wir für den Frieden gebetet. Jeder in seiner Sprache, in seiner Tradition. Shalom. Salam. Ich will es nicht überhöhen – wir sind alle sehr unterschiedlich. Aber uns einte ein gemeinsames Gefühl: Wir sind besorgt. Wir verwerfen den Krieg und die Gewalt. Wir verurteilen, dass dafür der Name Gottes missbraucht wird. Und wir wissen, dass wir als Religionsgemeinschaften zusammenstehen müssen, damit der Frieden bewahrt bleibt – wenigstens hierzulande. Wenigstens das. Mit tiefer Sehnsucht, dass er überall dort einziehe, wo Waffen den Tod bringen.

Frieden ist mehr als das Stoppen von Gewalttätern. Es bleibt der Traum von einer besseren Welt, in der kein Mensch wegen seines Glaubens oder seiner Hautfarbe ermordet wird, in der niemand dazu gezwungen wird, seine Heimat zu verlassen. Ein Traum, der nur wenn wir ihn teilen, Wirklichkeit gewinnt!

Was wir dabei gewinnen, in der Zeit des Advent? Dass jeder Mensch still werden darf und demütig und lebensfroh zugleich. Mit tiefer Freude, dass man und frau wirklich ankommen kann bei sich selbst.

Und Mensch wird wie Gott auch.

Ich wünsche Ihnen eine friedvolle, gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.

Datum
04.12.2014
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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