4. Mai 2013 - Forum Erinnern Neuengamme, Hamburg

4. Mai 2013 - 68 Jahre nach der Befreiung. Gedenkveranstaltung im Rahmen des 34. DEKT mit Kranzniederlegung am Mahnmal

04. Mai 2013 von Gothart Magaard

Sehr geehrter Erster Bürgermeister Scholz, sehr geehrter Herr Dr. Garbe, sehr geehrte Frau Dr. Fried, sehr geehrter Herr Malbecq, sehr geehrte Überlebende der Konzentrationslager, meine Damen und Herren.

 

Mit diesen Worten tritt in der Heiligen Schrift von Juden und Christen der Beter des 139. Psalms vor seinen Gott:

 

Sieh, ob ich auf bösem Wege bin,

und leite mich auf ewigem Wege.

 

Ein böser Weg ist vor 68 Jahren zu Ende gegangen. Böse, sehr böse waren noch die Wochen davor gewesen. Deutliche Worte fielen im Curio-Haus, als der Richter gestern vor 67 Jahren (3.Mai 46) das Urteil sprach:

 „Von allen dunklen und grausamen Geschehnissen in der Geschichte der Konzentrationslager war der Tod der Kinder in diesem Keller am Bullenhuser Damm eines der grausamsten.“

 

Deutlich war  das Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche aus dem Jahr 1945: „Mit großem Schmerz sagen wir: durch uns unendlichen Leid über viele Völker und Länder gebracht worden ... wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt, nicht brennender geliebt haben".

 

Auch das ist wahr: Nicht wenige Amtsbrüder trugen das Parteiabzeichen, sehr viele sehnten sich nach der Ehe von Thron und Altar, fast alle waren geprägt vom christlichen Antijudaismus .

 

Auch der Pastor Johannes Meyer im nordfriesischen Ladelund, wo im November 1944 ein Außenlager von Neuengamme errichtet wurde.

Allerdings: Johannes Meyer tat noch anderes. Er stiftete ein Gedächtnis. Er sorgte dafür, dass die Opfer des Todeslagers nach christlicher Sitte beigesetzt und ihre Namen aufgeschrieben wurden.

Ob ihn das Wort des Psalms geleitet hat?

 

Sieh, ob ich auf bösem Wege bin,

und leite mich auf ewigem Wege?

 

Als Nachgeborener bin ich dankbar und berührt, wenn ich Ihre Geschichten hören darf, liebe Frau Dr. Fried und Herr Malbecq, oder  die von Wilhelm Torsius aus der Stadt Putten in den Niederlanden:

„Fünfzehn Jahre nach der Befreiung kam ich zum ersten Mal nach Ladelund. Und auf welche Weise? Das Herz voller Zweifel und mit Hass gefüllt. Einer meiner besten Freunde war zu Besuch gekommen und brachte einen deutschen Pastor mit. Der lud mich ein, nach Ladelund zu kommen.

 

Ich bin gegangen, aber je näher ich an den Ort des Konzentrationslagers kam, desto stiller wurde ich. Ich hatte eine Heidenangst. In Ladelund wohnte ich als Gast im alten Pastorat. Nach dem Essen haben wir bis tief in die Nacht hinein geredet. Ich habe viel erzählt, der Pastor nicht; er hörte zu, korrigierte nicht, unterbrach nicht. Das hat sich mir unauslöschlich eingeprägt.“

 

Später, erzählt er, sei es an der Zeit gewesen, zusammen zu beten. „Wir haben erfahren, dass die Macht betender Christen gewaltig ist“, schreibt er, und weiter: „Der Gang der Geschichte wird umgekehrt. Tatsächlich findet so eine echte Befreiung vom Hass statt. Hoffentlich lernen wir das alle und feiern auf diese Weise miteinander das Fest der Befreiung.“

 

Als Nachgeborener bin ich dankbar, dass unsere Kirchenverfassung dem unheilvollen christlichen Antijudaismus eine klare Absage erteilt: "Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland bezeugt die bleibende Treue Gottes zu seinem Volk Israel. Sie bleibt im Hören auf Gottes Weisung und in der Hoffnung auf die Vollendung der Gottesherrschaft mit ihm verbunden."

 

Als Nachgeborener bin ich dankbar, dass ein bleibendes Gedächtnis gestiftet wurde: Die mahnenden und warnenden Kreuze auf dem Ladelunder Friedhof, der Gedenkstein „DIE WÜRDE DES MENSCHEN IST UNANTASTBAR -  KZ NEUENGAMME AUSSENKOMMANDO LADELUND NOV. - DEZ. 1944“, das Mahnmal und die Gedenkstätte hier in Neuengamme

 

Wir wissen alle, wie wichtig das ist. Vergangenes muss gegenwärtig gehalten, dem Sog des Vergessens muss Einhalt geboten werden. Im Takt der Generationen wird der breite Strom der Erinnerung schnell zum schmalen Rinnsal, das vor sich hin tröpfelt und bei den Enkeln sang- und klanglos versiegt. Aber wer die Schrecken der Vergangenheit vergisst, die unsäglichen Taten und Untaten, die  unsäglichen Schmerzen und Leiden, - wer diese Schrecken vergisst, der läuft Gefahr, sie zu wiederholen.

 

Was sonst in der Welt bietet Schutz vor einer Wiederkehr von Nazi-Parolen und braunem Ungeist, von Rassismus und Menschenverachtung, vor der ungeheuren Bestialität, mit der der Homo Sapiens seine Artgenossen bedroht, wenn nicht dies: dass wir eingedenk bleiben der Taten und Untaten unserer Väter und Vorväter, eingedenk auch bleiben der Leiden und Schmerzen ihrer Opfer - hier in Neuengamme und an all den vielen anderen Orten des Schreckens.

 

Die Menschlichkeit des Lebewesens Mensch hängt an einem sehr dünnen Faden. Unser Selbstbewusstsein ist im Innersten ein Gedächtnis. Die ganze Person, unsere Fähigkeit, uns selbst und die Welt zu verstehen, – alles das hängt an diesem seidenen Faden.

 

Wir wissen: Verlieren wir unser Gedächtnis, dann verfällt der ganze Mensch. Gedächtnis ist unser innerstes Selbst, und Erinnerung das Geheimnis der Menschwerdung. Wir ehren die Toten, wenn wir uns hier und heute  versammeln Wir sorgen damit auch für uns selbst, für unsere Menschwerdung und für die unserer Kinder und Kindeskinder.

 

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz;

prüfe mich und erkenne, wie ich's meine.

Sieh, ob ich auf bösem Wege bin,

und leite mich auf ewigem Wege.

Veranstaltungen
Orte
  • Orte
  • Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Flensburg-St. Johannis
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Gertrud zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien zu Flensburg
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Michael in Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Nikolai-Kirchengemeinde Flensburg
    • Ev.-Luth. St. Petrigemeinde in Flensburg
  • Hamburg
    • Hauptkirche St. Jacobi
    • Hauptkirche St. Katharinen
    • Hauptkirche St. Michaelis
    • Hauptkirche St. Nikolai
    • Hauptkirche St. Petri
  • Greifswald
    • Ev. Bugenhagengemeinde Greifswald Wieck-Eldena
    • Ev. Christus-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Johannes-Kirchengemeinde Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Marien Greifswald
    • Ev. Kirchengemeinde St. Nikolai Greifswald
  • Kiel
  • Lübeck
    • Dom zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Aegidien zu Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Jakobi Lübeck
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien in Lübeck
    • St. Petri zu Lübeck
  • Rostock
    • Ev.-Luth. Innenstadtgemeinde Rostock
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock Heiligen Geist
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Evershagen
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Rostock-Lütten Klein
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Johannis Rostock
    • Ev.-Luth. Luther-St.-Andreas-Gemeinde Rostock
    • Kirche Warnemünde
  • Schleswig
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schleswig
  • Schwerin
    • Ev.-Luth. Domgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Schwerin
    • Ev.-Luth. Petrusgemeinde Schwerin
    • Ev.-Luth. Schloßkirchengemeinde Schwerin

Personen und Institutionen finden

EKD Info-Service

0800 5040 602

Montag bis Freitag von 9-18 Uhr kostenlos erreichbar - außer an bundesweiten Feiertagen

Sexualisierte Gewalt

0800 0220099

Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Nordkirche.
Montags 9-11 Uhr und mittwochs 15-17 Uhr. Mehr unter kirche-gegen-sexualisierte-gewalt.de

Telefonseelsorge

0800 1110 111

0800 1110 222

Kostenfrei, bundesweit, täglich, rund um die Uhr. Online telefonseelsorge.de

Zum Anfang der Seite