Einsatz für Flüchtlinge:

5. November 2013 - Brief an die Kirchengemeinden in Hamburg

05. November 2013 von Kirsten Fehrs

Zur aktuellen Situation von Flüchtlingen in Hamburg schreibt die Bischöfin an die Kirchengemeinden der beiden Hamburger Kirchenkreise.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Brüder und Schwestern,

 

Sie alle haben in den vergangenen Wochen und Monaten über die Medien oder auch ganz direkt das Thema der Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg verfolgt. Zur Erinnerung: Im Mai haben sich Vertreter von etwa 300 afrikanischen Flüchtlingen, die aus dem Bürgerkrieg in Libyen nach Italien und von dort aus weiter nach Hamburg geflohen sind, mit der Bitte um Hilfe an die Nordkirche gewandt. Die meisten lebten damals nach dem Ende des Winternotprogramms buchstäblich auf der Straße. Anschließende Gespräche zwischen Kirche, Diakonie und Sozialbehörde über eine Unterbringung in einer Schule führten zu keinem Ergebnis, weil davon ausgegangen werden musste, dass auf die von der Behörde geforderte Registrierung der Männer unmittelbar die Abschiebung folgen würde.

Im Juni dann nahm die St. Pauli-Gemeinde etwa 80 der Männer in der Kirche auf – nicht als Kirchenasyl, sondern als rein humanitäre Maßnahme, damit niemand draußen schlafen muss. Auch andere kirchliche Einrichtungen haben sich enorm engagiert, das Afrikanische Zentrum in Borgfelde oder die Beratungsstelle Fluchtpunkt seien hier beispielhaft genannt. Insgesamt entwickelte sich eine breite Welle der Solidarität in unserer Stadt mit den Lampedusa-Flüchtlingen.

Parallel liefen die Gespräche der Nordkirche mit den Behörden weiter, insbesondere mit der Innenbehörde, aber auch mit den Sprechern der Lampedusa-Gruppe und ihren Anwältinnen. Auch hier gab es vergebliche Versuche, zu einer Lösung zu kommen. Das Hauptproblem bestand darin, dass der Senat die Flüchtlinge zwar dazu aufrief, sich bei den Behörden zu melden und ein Bleiberecht o.ä. zu beantragen. Gleichzeitig wurde jedoch immer klar gemacht, dass ein Bleiberecht nicht gewährt werde würde. Somit wäre jeder Antrag sofort abgelehnt, die Flüchtlinge abgeschoben worden. Ende September schließlich eskalierte die Situation, als Flüchtlinge vermehrt von der Polizei kontrolliert wurden und anschließend autonome Gruppen zum Teil gewaltsam darauf reagierten.

Ich habe in dieser Situation ein Konfliktgespräch mit Innensenator Neumann geführt, aus dem heraus wir neue Lösungsansätze entwickelt haben. Im Kern sieht das nun gefundene Verfahren, das die Innenbehörde verbindlich zugesichert hat, folgendes vor: Die Flüchtlinge stellen einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht. Sie können auch dann in Hamburg bleiben, falls der Antrag abgelehnt wird. Dieser Abschiebestopp gilt für eine Klage durch sämtliche Instanzen. Während dieser Zeit haben alle "Lampedusa-Flüchtlinge", nicht nur die in der St. Pauli-Kirche, einen Anspruch auf staatliche Unterbringung und Sozialleistungen. Auch können sie nach spätestens einem Jahr eine Arbeitserlaubnis erhalten. Dieses Verfahren ähnelt dem, das Lampedusa-Flüchtlinge derzeit in Glinde (Schleswig-Holstein) durchlaufen.

Damit hat der Senat zugesagt, was wir immer gefordert haben: Die Flüchtlinge bekommen ein faires Verfahren und haben die Chance, in Hamburg zu bleiben und hier den Rechtsweg zu beschreiten. Inzwischen haben sich die ersten Männer aus der St. Pauli-Kirche dazu entschieden, sich bei der Behörde zu melden und in dieses Verfahren einzutreten, weitere werden folgen. Die St. Pauli-Kirchengemeinde, aber auch Menschen, die sich in der kirchlichen Flüchtlingsarbeit engagieren, raten zu diesem Weg. Ich unterstütze das ausdrücklich. Es gibt derzeit aus unserer Sicht keine bessere Alternative.

Grundsätzlich gilt weiterhin das Wort unserer Landessynode vom September: Im Blick auf die „Lampedusa-Gruppe“ in Hamburg erwarten wir, dass die politisch Handelnden eine Lösung herbeiführen, die unter Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten Lebenschancen für diese Menschen in Deutschland eröffnet. Viele Menschen, auch aus unserer Kirche, setzen sich weiterhin für die Rechte der Flüchtlinge ein. Das wurde auch bei der Demonstration am Wochenende deutlich. Dabei ist entgegen mancher anderslautenden Aussage festzuhalten: Die Forderung nach einem Bleiberecht und die Empfehlung an die Flüchtlinge, sich jetzt bei der Behörde zu melden, stehen nicht im Widerspruch zueinander.

Die Zeit drängt – so steht zum 1. Dezember eine Gesetzesänderung auf Bundesebene bevor, die das jetzt beschlossene Verfahren in Hamburg schwieriger machen würde. Auch ist die St. Pauli-Kirche schon bei den jetzigen Witterungsverhältnissen kein Ort mehr, an dem man Menschen unterbringen kann. Manche Gemeinden haben angeboten, Wohncontainer zur Unterbringung der Flüchtlinge aufzustellen, vor allem in Altona. Da die dortige Bezirksversammlung inzwischen zugestimmt hat, gehen wir davon aus, dass die Genehmigungen jetzt zügig erteilt werden. Dann können die Container aufgestellt werden. Dank des deutlichen Signals der Flüchtlinge aus der St. Pauli-Kirche, sich in das behördliche Verfahren zu begeben, rechnen wir bei der Belegung der Container nicht mit rechtlichen Problemen

Grundsätzlich und unabhängig von der Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge möchte ich an dieser Stelle noch einmal alle Gemeinden ermutigen, darüber nachzudenken, ob sie Unterkünfte zur Verfügung stellen können und wollen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen des Winternotprogramms für Obdachlose geschehen. Eine zweite Möglichkeit ist das Bereitstellen von längerfristig genutzen Flüchtlingsunterkünften, die in Hamburg für Menschen aus vielen Ländern gesucht werden. Das ist keine leichte Entscheidung, weil eine Gemeinde damit viel Verantwortung übernimmt. Aber es ist eine Möglichkeit, konkret zu helfen. In jedem Fall ist es hilfreich, sich ausführlich beraten zu lassen. Kontaktadressen finden Sie im Anhang.

Ich bin einerseits erleichtert, dass die Situation der Lampedusa-Flüchtlinge sich nun etwas entspannt. Auch bin ich nach wie vor beeindruckt von der großen Hilfsbereitschaft vieler Hamburgerinnen und Hamburger für Flüchtlinge – gleich aus welchem Land diese kommen. Doch das ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite sehe ich nach wie vor,  dass es auf politscher Ebene Änderungen geben muss. Hierüber wird nicht allein in Hamburg entschieden.

Abschließend bitte ich Sie herzlich darum, die Flüchtlinge, ihre Helferinnen und Helfer sowie auch die politisch Handelnden in Ihre Fürbitte einzuschließen. Wir brauchen in diesen Zeiten mehr denn je die Stärkung durch das gemeinsame Gebet. Mich bestärkt in unserem Tun der Monatsspruch für November – Jesus wird gefragt , wann Gottes neue Welt denn nun endlich anbricht, und er antwortet: „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lk 17,21).

Ich wünsche Ihnen allen Gottes Segen,

Ihre Bischöfin

Kirsten Fehrs

 

Kontaktadressen:


Diakonisches Werk Hamburg - Landesverband der Inneren Mission e. V.
Fachbereichsleitung Migration und Existenzsicherung

Dr. Dirk Hauer
Königstraße 54
22767 Hamburg
Tel.: 040 30 62 0-367
<link>Hauer@diakonie-hamburg.de
<link http: www.diakonie-hamburg.de>www.diakonie-hamburg.de

 

Büro der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche

Fanny Dethloff

Constanze Funck

Shanghaiallee 12

20459 Hamburg

Tel.: 040/36 90 02 62

Fanny.dethloff@oemf.nordkirche.de

Constanze.funck@oemf.nordkirche.de

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