50 Jahre Interkulturelle Woche
16. Mai 2025
Apostelgeschichte 2, 1
Und sie waren alle an einem Ort beisammen …
Wie schön, dass wir an diesem besonderen Ort beisammen sind, lieber, verehrter Herr Bundespräsident, liebe Geschwister, um diesen besonderen Geburtstag zu feiern!
50 Jahre interkulturelle Woche – das ist eine begeisternd lange Geschichte von Orten und Menschen aller Nationen, Konfessionen und Religionen, die entschieden friedensfindig die Gemeinsamkeit gesucht haben – und gefunden. Und das in den Siebzigerjahren!
Wenn ich bedenke, dass in meiner norddeutschen Kinder- und Jugendzeit die herausragendste interkulturelle Errungenschaft der Hot Dog an der dänischen Grenze war! Und dann der erste Besuch im diversen Hamburg – eine andere Welt! Und genau diese Welt als Reichtum anzuerkennen, ist man seit 1975 konsequent aufeinander zugegangen, inspiriert von einem Geist der Verständigung, der dem gegenseitig Fremden offen begegnet, um sich auch mit dem Unterschied zu befreunden.
Herzlichen Glückwunsch allen, die damals damit angefangen und in ihrem weiten ökumenischen Herzen Gastfreundschaft gewährt haben. Lieber Metropolit Augoustinos, Sie waren von Anfang an dabei. Und haben aus eigener Erfahrung weitsichtig eingebracht, dass es auch der gedeckte Tisch ist, der Menschen in ihrer Suche nach Zugehörigkeit Heimat finden lässt. Sind wir doch alle gleichermaßen Ebenbilder Gottes, die eben alle an diesen Tisch gehören. Ein Friedensmahl für die Völker! Das ist die wunderbare Verheißung von Gott, unserem großen Gastgeber, die tatsächlich vor Ort – genauer: an inzwischen je 750 Orten mit über 5.000 Veranstaltungen in den 50 Jahren fünfzigmal Wirklichkeit wurde.
Alle waren sie beieinander an einem Ort – so beginnt auch unsere biblische Geburtstagsgeschichte. Geschehen vor 2.000 Jahren, just in Jerusalem. Pfingsten. In furchtbar kritischer Zeit erblickt die Kirche der Hoffnung das Licht der Welt. Ehrlich, kein Mensch hatte damit gerechnet. Mit Aufbruch. Und dann auch noch so herrlich unverzüglich!
Denn Sie müssen sich vorstellen: Jesus war just gen Himmel gefahren. Endgültig nicht mehr da. Und so sitzen seine Anhängerinnen verzagt und Jesus-seelenallein da in ihrem kleinen dunklen Haus. Stickig ist es, es riecht nach Schweiß und Traurigkeit. Die Ungewissheit der Zukunft nagt an ihrem eh schon abgestandenen Hoffnungsmut. Als wäre damals schon heute gewesen – mit all den Krisen, dem Elend und den Kriegen.
Plötzlich fegt ein Wind durch die Tür, wirbelt alle durch- und zueinander. Endlich Luft! Licht! Ja, der Geist der Wahrheit! Klar doch! Auf einmal erkennen die Jüngerinnen und Jünger: Christus ist nicht im Himmel, abgetaucht in irgendeiner Cloud. Er ist mitten unter ihnen. Denn so vieles ist ja in ihnen lebendig. In ihrem Glauben, ihren Erinnerungen! Hier im Herzen sind seine Worte. Seine Wärme. Und so erzählen sie es sich gegenseitig, predigen quasi, aufgeregt, alle gleichzeitig, begeistert.
Und dann – dann verstehen sie sich auch noch! In all ihren Muttersprachen. Arabisch, aramäisch, syrisch, keine Grenzen trennen mehr. Völkerverständigung in Windeseile. Liebessturm statt Hasswüten. Endlich findet die Sehnsucht der Menschen eine Sprache. Eine Sprache für unwürdige Verhältnisse. Zärtliche Gefühle. Und für die Ehrlichkeit.
Pfingsten, liebe Geschwister, erzählt davon, dass Menschen frei werden. Dass sie aufatmen und ihr Herz weit wird. Ergriffen von geistreichem Liebesmut, der der Dummheit des Hasses den Marsch bläst. Ja, ergriffen von dieser Friedensvision, höher als alle Vernunft, die natürlich weiß um die Erniedrigten, um all die Unglücklichen und Elenden. Und die weiß um den Ungeist heutiger Despoten, die sich selbst zum Gott über Leben und Tod erheben. Dennoch: Sie atmet auf, unbeirrt, befreit, diese Hoffnung der Sehnsüchtigen, die die Liebe als eigentliche Macht in dieser Welt erkannt hat.
Und genau deshalb ist Pfingsten die Geburtstagsgeschichte für 50 Jahre Interkulturelle Woche. Denn auch hier kommen ja untrennbar zusammen: der Geist, der Spirit Gottes und das internationale Miteinander der Vielen, der Geist des Gemeinsamen, der die Vielfalt liebt.
Damals nötig, heute womöglich noch nötiger. Die vielen lokalen Initiativen der Interkulturellen Woche im ganzen Land zeigen es: Sie alle hier sind mit Ihrer beeindruckend kreativen Arbeit und Ihrem unermüdlichen Engagement wunderbare Role-Models für eine gesegnete vielfältige Gemeinschaft! Für eine klare Haltung auch, gegen jede Form von Rassismus. Gerade jetzt, wo Gräben, Spaltungen, wo Disruption und menschenverachtende Töne unsere Debatten und Alltagswelt bestimmen, sind wir auf diese Vielfalt und heilende Kraft der Nächstenliebe angewiesen. Gut, dass es so viele Engagierte dafür gibt!
Denn das ist ja schon genial, dass just zum 50. genau das zum Motto erhoben wurde: Dafür. Es gibt vieles, wogegen wir uns aufstellen wollen und müssen – aber „Dafür“ dreht die Perspektive. Und dieser Perspektivwechsel auf den Reichtum der Vielfalt hat die interkulturelle Woche immer ausgezeichnet. Denn an welchem Ort auch immer, wir brennen doch dafür:
- für eine Gesellschaft, die die Würde und das Recht jedes einzelnen Menschen verteidigt, unabhängig von Herkunft oder Aussehen oder Fähigkeiten,
- für unser Land, in das fast jeder dritte Mensch eine Migrationsgeschichte einbringt und das dadurch vor allem stark geworden ist,
- für unsere Demokratie, die wir noch immer als die beste Staatsform verstehen, und für die wir uns gerade jetzt mit aller Kraft, die uns zur Verfügung steht, einsetzen müssen,
- für das Grundrecht auf Asyl, das niemals zur Disposition stehen darf, gerade in unserem Land nicht. Ein Grundrecht der Menschlichkeit, schon aus biblischer Tradition nicht verhandelbar.
Dafür – das möchten wir sein, Menschenfreunde, die um Gottes Willen den Mut haben, begeistert verschieden und tapfer versöhnt zu sein. Danke dafür. Danke dafür, liebe Geschwister, dass so viele von euch heute, wie damals in Jerusalem, Grenzen überwinden, weil ihr die Gemeinschaft wollt!
Wir reisen halt, das ist doch klar, gemeinsam durch diese Welt und sind aufeinander angewiesen. Als Gottes geliebte, vielfältige Menschheitsfamilie. Übrigens von allem Anfang an genau so geschaffen – ganz normal in Gottes Augen also ist die Vielfalt! Stellt euch vor: Gott wollte immer schon eine Migrationsgesellschaft!
Gut also, gemeinsam an diesem Ort den 50. Geburtstag feiern – und nachher vom Friedensmahl der Völker zu kosten. So gestärkt lasst uns die Fünfzigjährige weiter in die Welt tragen – als Wächterin, Hüterin, Freundin für die Friedensfindigkeit, geboren einst im Frieden Gottes, höher als alle Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen