6. September 2013 - Geistliches Wort zum ökumenischen Tag der Schöpfung 2013 der Bundes-Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen im orthodoxen Vespergottesdienst unter ökumenischer Beteiligung zum Motto: "Gottes Schöpfung – Lebenshaus für alle"
06. September 2013
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist wunderschön, dass und wie wir zusammen beten. Gerade hier in dieser Kirche, die ja selbst schon ein Zeichen der Ökumene ist. Orthodoxe Vesper in ökumenischer Gemeinschaft. Viele von Ihnen kommen von weit her. Wir stammen aus verschiedenen christlichen Konfessionen. Und sind doch einig im Gebet, wie gut ist das! Denn im Gebet wird deutlich, was unserem Glauben wesentlich ist, in dieser Welt.
Wesentlich ist – erstens – das Orthodoxe unseres Glaubens. Im Wortsinn: Das recht und richtig Loben. Wir haben es eben getan. Haben Gottes Güte und sein Schöpferwirken, Jesu Christi Erlösung und die versöhnende Gnadenkraft des Heiligen Geistes gelobt. Wir loben in einer Welt, die so viel Gnadenlosigkeit kennt, die vor religiöser Intoleranz nur so bebt, die mit abschätziger Rede kämpft und Unfrieden an so vielen Orten der Erde.
Wesentlich ist zweitens das Katholische unseres Glaubens. Im Wortsinn: Allumfassend. Alles darf ausnahmslos jeder Mensch vor Gott ins Gebet bringen. Da ist keine Grenze, da ist Liebe. Unser christlicher Glaube ist keine exklusive Gesellschaft, sondern schließt alle in die Fürbitte des Erbarmens ein.
Denn nicht zuletzt geht es drittens im Gebet auch um das Evangelische unseres Glaubens. Im Wortsinn: Frohe Botschaft, die uns zu Ohren und zu Herzen geht. So dass sie befreit. Von Blindheit. Lähmung. Gefangenschaften. Gottes Reich kommt, singt unser Glaube. Ja, es ist schon da. Jetzt. In dieser Gemeinde Jesu Christi mit ihrer ganzen Vielfalt und aus allen Richtungen: Junge und alte, Frauen und Männer, laute und stille, schwache und starke, hymnisch, polyphon, homo-phon, symphonisch und in stiller Andacht vor unserem Gott – wir singen vereint: Das Leben ist stärker als der Tod. Durch Jesus Christus. So beten wir, ur-christlich und tief-ökumenisch.
Und unser Gebet hat heute ein besonderes Anliegen. „Gottes Schöpfung – Lebenshaus für alle.“ Dieses Motto prägt den heutigen ökumenischen Tag. Die Schöpfung, die seufzende und wunderschöne, braucht unsere Stimme. Unsere Gemeinsamkeit. Unser Gebet.
Denn wir steuern auf eine ökologische Katastrophe zu – auf Kosten der nachfolgenden Generationen. Längst wissen wir das. Vor allem Kinder und Jugendliche fühlen es. Sie registrieren mit feinen Antennen die Bedrohung. Ordnen sehr wohl ein, dass die so nüchtern wirkende Rede von Erderwärmung, Ressourcenmangel, Artensterben und Castor-Transporten in Wahrheit etwas emotional zutiefst Verunsicherndes hat.
Die Luft brennt. Und so müsste uns eigentlich auch das Thema auf den Nägeln brennen. Doch eigentümlicher Weise ist statt Leidenschaft oft eine gewisse Ermüdung zu beobachten. Kommt das Gespräch auf grüne Energie, wird es schnell energielos. Atomausstieg, Passivhaus und Energiewende: 100 Experten mit 150 Meinungen, wer soll sich da auskennen. Und ja, Bewahrung der Schöpfung – das ist so richtig, sagt man. So gut gesagt. Doch in den Kirchen gibt´s auch nur Amateure in Sachen Ökologie. Sollen die ruhig beten, vielleicht hilft´s.
Genau, liebe Schwestern und Brüder – genau dazu sind wir hier. Um zu beten. Denn beten hilft, zu Liebhabern – voilà auf französisch: zu Amateuren zu werden. Wer betet, schaut nämlich hin. Bleibt nicht blind. Hört den Schrei. Und sagt: Mein Gott! Es schmerzt die Zerstörung. Dieser viele Müll. Die Lieblosigkeit. Wer betet, erinnert wieder: Die Liebe zum Leben ist das Erste und das Letzte. Die Liebe ist das A und O. Aus lauter Liebe werden wir in diese Welt geboren und – so Gott will – mit Liebe werden wir diese Erde auch wieder verlassen. Wir sind auf der Welt, dieser Liebe zum Leben zu verhelfen und deshalb der Zerstörung die Stirn zu bieten.
Wir brauchen eine neue Leidenschaft. Eine Leidenschaft wohlgemerkt, die nichts Eiferndes hat, sondern aus eben der Liebe geboren wird. Denn die Liebe zu einer Sache, öffnet einen neu für die Welt. Sie macht, dass einem Vorurteile und wissenschaftliche Dogmen fremd sind. Macht uns zu Liebhabern des Lebens, die das Klima nicht mit CO2 erhitzen, sondern mit Zuneigung. Solcherart erwärmt verrücken sie gern die Sicht der Dinge, die Liebhaber der Welt. Denn, so Bernhard Shaw: „Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute, seht euch an, wohin uns die normalen gebracht haben!“
Wir sollen Liebhaber werden – und nichts sollte uns leichter fallen! Unsere Erde ist ein wunderbarer Wohnplatz. Ein Lebenshaus für alle. Mit einem geheimnisvollem Zusammenhang alles Geschaffenen. Die Schöpfung ist eine filigran aufeinander abgestimmte Komposition, zum Wundern schön. Beten hilft, diese Schönheit zu ehren. Und aufzumerken, wo sie verwundet wird. Durch Räuber. Ausbeuter. Rücksichtslose. Nach mir die Sintflut-Denker. Nein, sagt der Beter des Psalms 24: „Dem HERRN gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner“ (Ps 24,1). Die Erde und ihr natürlicher Reichtum gehören eben nicht den Reichen und Mächtigen dieser Erde, keiner noch so großen Nation und schon gar nicht den globalen Wirtschaftsunternehmen und Börsenspekulanten.
Die Schöpfung ist Gabe Gottes, voller Kraft. Und diese Gabe lässt uns nicht ohne Aufgabe. Zunächst einmal die zu staunen. So wie es uns die Psalmbeter vormachen. Sie preisen den Reichtum an Besonderheit: von Wiedehopf, Wiesel und Wildesel bis hin zu Krähe, Kranich und Kragenbär. All das gibt es seit Jahrtausenden. Und es soll sie weiter geben. Deshalb müssen wir wieder lernen zu staunen. Denn wer staunt, der ist mit dem Herzen dabei. Empfindet Ehrfurcht. Wer staunt, erkennt, wie viel es zu schützen und deshalb konkret zu tun gibt!
Beten hilft. Weil sich darin Staunen und Wort und Herz und Hand verbinden. Vom Erkennen und Benennen, vom Klagen und Bitten führt ein Weg zum Tun des Gerechten. Darum bitten wir Gott, den Heiligen Geist: Das Leben sei stärker als der Tod!
So Gott will, wird er unser Gebet erhören. Ja, längst und immer wieder geschieht das. Es gibt neue Ideen und mutige Menschen. Es gibt Modelle und Projekte. Es gibt Forschende und Neugierige in der Sache Lebenshaus Erde. Gar nicht weit, im Süden Hamburgs zum Beispiel: Die Internationale Gartenschau. Fünf Religionen beteiligen sich mit je einem eigenen Garten. Verbunden sind sie durch einen Brunnen, ist doch Wasser in jeder Religion wesentliches Element der Schöpfung. Bedeutsam als Kraft, die Leben schafft. Oder dies: die Synode unserer neu gegründeten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland hat sich vorgenommen, eine Klimasynode durchzuführen. Drei Tage informieren, beten, handeln.
Liebe Schwestern und Brüder,
manchmal ist es ganz einfach, Amateure zu sein. Die Welt als Gottes Schöpfung zu lieben und etwas für sie zu tun. Nicht nur die anderen. Wir. Auch mit unseren Gebeten. Weil diese Gebete die Kraft der Verheißung erinnern. Und weil sie uns frei machen, zu tun, was ich heute besonders aus dem 1. Johannesbrief heraus höre:
„Wenn jemand sagt: ich liebe Gott, aber seine Schwester, die Erde, misshandelt, ist er ein Lügner. Denn wer seine Schwester nicht liebt, die er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Wer Gott liebt, soll seine Schwester, die Erde, lieben und achten“ (vgl. 1 Joh 4,20f).
Gütiger Gott, hilf uns zu lieben.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.