„Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen.“

70 Jahre Evangelische Freiwilligendienste - Festgottesdienst am 14. September 2023 in der Genezarethkirche Berlin

14. September 2023 von Kirsten Fehrs

Predigt zu Hebräer 10,34

Liebe Geschwister,

herzlichen Glückwunsch mit Tusch und Trompeten! Das müsste man angesichts dieser rundum guten Sache eigentlich an jedem Geburtstag und in jeder Geburtsstunde eines neuen Freiwilligenjahrgangs begeistert ausrufen – wie viel mehr also heute zu diesem 70. Geburtstag der Evangelischen Freiwilligendienste!

Denn es ist ein Segen, dass es euch gibt: sowohl die Evangelischen Freiwilligendienste als auch die in der Diakonie, die diese Woche 175 wird, wo wir gerade am Beglückwünschen sind, als auch so viele junge Menschen, die sich auf eine ganz neue Erfahrung einlassen wollen. Über 300.000 sind es in all den Jahren gewesen – so viele wie die Stadt Bonn Einwohner:innen hat. Oder Bochum. Oder Haifa.

300.000, die anderen geholfen haben, ihr Leben in Würde zu leben. 300.000 junge neugierige, liebenswerte Menschen, die ein Jahr ihres Lebens eingesetzt haben, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Stark das. Ich stehe bewundernd davor.

Und so bin ich heute von Herzen gern hier, um stellvertretend für all die Tausenden euch zu beglückwünschen, die ihr nun anfangt mit diesem Jahr. Mehr noch: die ihr den Aufbruch wagt in unbekanntes Land, wo immer das ist. Denn so wie Tabea es eben auf den Punkt gebracht hat: „Man entdeckt so viel Neues! Verrückt, wie unterschiedlich Kinder sein können!“

Danke, dass ihr euch mit Mut, ja mit eurer Mitmenschlichkeit für diesen Dienst entschieden habt. Es wird bestimmt ein gutes prägendes Jahr für euch! Eines, das euch auch verändern wird – schlicht, weil es um Beziehungen geht zu Menschen, die eurer bedürfen. Die euch brauchen. Eure Herzlichkeit. Nähe. Verständnis. Eure Sprachenvielfalt und Geradlinigkeit. Ich finde großartig, dass ihr euch darauf einlasst – und danke nicht nur euch selbst dafür, sondern – bin ja Bischöfin – sage: Gott sei Dank.

Was für ein Glücksgeschenk für unser Land seid ihr, ein Geschenk des Himmels. Denn ihr gebt unserer Gesellschaft, unseren Städten und Gemeinden mit eurer Zeit, mit euren Begabungen und Ideen, mit euren großen Herzen und den helfenden Händen ein menschenfreundliches und soziales Gesicht. Und also beglückwünschen wir auch ein kleines bisschen uns selbst, dass der Himmel euch geschickt hat! Mitten hinein in diese aufgeraute Zeit und verwundete Welt.

Kürzlich auf dem Kirchentag in Nürnberg war ich bei einem Stand zum Evangelischen Freiwilligendienst, auch im Ausland. Und habe im Gespräch mit denen, die ihr Jahr gerade hinter sich hatten, gemerkt: Das ist nichts weniger als Friedensdienst. Im Kosovo. In der Behinderteneinrichtung, der Geflüchteteninitiative. Beflügelt von einer unkaputtbaren Hoffnung, dass die Welt eine bessere wird. Beeindruckt hat mich auch Yasmina, die just aus Israel/Palästina zurückgekommen war, wo sie in einer Wohnsiedlung recht betagte alte Menschen begleitet hat. Zumeist Holocaust-Überlebende und ihre Angehörigen. Einerseits gezeichnet, klar, von dem tiefem KZ-Trauma ihrer Kindertage. So viel Schmerz. Aber andererseits – so erzählte Yasmina – waren diese alten Menschen in ihrer ganzen Art so lebensbejahend, so zuversichtlich und vor allem so froh, junge Menschen um sich zu haben. Sie werde nie vergessen, wie offen und zugewandt die Menschen ihr Leben und ihre Geschichte mit ihr geteilt haben.

So viel Zuneigung, intensive Gespräche und eine Nähe, die sie wohl nie zuvor erlebt hat. So dass sie wirklich Mühe hatte, Abschied zu nehmen, als das Jahr rum war. Auch wenn sie eines nicht vermissen würde, nämlich, dass man mit diesen alten Menschen stapelweise hat Kuchen essen müssen. Es war halt das bisschen dolce vita in einem schweren Leben ...

„Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen.“ so könnte die Überschrift lauten über das, was Freiwilligendienst meint. Dieses Bibelwort war immer schon eine Aufforderung an die ersten christlichen Gemeinschaften damals vor 2.000 Jahren und heißt in Kurzfassung: Hinschauen – und aufhelfen. Hoffen – und machen. #ausLiebe. Liebe ist ein Tuwort. Ist Kraft und Zärtlichkeit zugleich. Ist Bewegung nach vorn, zum anderen hin, gewiss über manche Schwelle und Unsicherheit hinweg. Aber mit einem entscheidenden Ansporn: mit Gottes Segen. Damit all die Krisen, die wir derzeit erleben, euch und uns nicht überwältigen!

„Lasst uns aufeinander achten“ – in dieser Aufforderung liegt so viel Zutrauen. Ihr könnt das: einander achten in all dem, was in euch steckt an Talenten. Mit allem, was ihr an Gutem in die Welt zu bringen vermögt. Für unsere Nächsten und Übernächsten. Mit dem Wissen auch, dass es nicht immer darauf ankommt, das große Rad zu drehen. Sondern, wie das afrikanische Sprichwort sagt: „Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können, nein: werden das Gesicht der Welt verändern.“

Und mir geht durch den Sinn, wie viele Netzwerke des Miteinanders und der Menschlichkeit von so vielen Freiwilligen wohl schon geknüpft worden sind. Wie viele Momente mehr hat es gegeben, an denen eine Hand gehalten wurde, ein Lächeln die Gesichter aufgehellt hat, an denen gutes Leben durch die Hilfe von Freiwilligen ermöglicht wurde?

Also: noch Fragen? Dass es euch gibt, dass es die Evangelischen Freiwilligendienste gibt, 70 Jahre lang, das ist ein Geschenk des Himmels. Denn auch hier und heute erleben wir ja, wie eure Neugier und Freude etwas aufbricht von der Müdigkeit, die die multiplen Krisen derzeit verursachen. Wir wissen das ja alle hier: Kaum ist die Pandemie halbwegs überstanden, wird mit jedem Tag mehr das Klima zur Katastrophe und die Angstgefühle vor Krieg und Gewalt belasten die Seele, auch die unseres Landes. So wichtig also ist es, dass ihr da seid – und aus freiem Willen auch für die Freiheit steht, ja, ihr dient, die jedem Menschen auf dieser Welt zusteht. Und ich schaue euch an und es macht mir so viel Hoffnung.

Schade ja nur – und das muss an dieser Stelle deutlich ausgesprochen werden – schade, dass unser Finanzminister und unsere Regierung dies nicht bis ins letzte verstanden haben: nämlich, wer die wahren Friedensbewegten, wer die wirklichen Zukunftsmenschen unserer Gesellschaft sind – und das auch noch für kleines Geld! Sonst würde ja nicht die Finanzierung dieses für Zusammenhalt, Mitmenschlichkeit und Zukunftskraft unbezahlbaren und seit Jahrzehnten erfolgreichen Startup-Unternehmens der Freiwilligendienste durch massive Kürzungen im Bundeshaushalt in Frage gestellt! So unsinnig, kurzschlüssig. Skandalös.

Aber, wie sagt der Hebräerbrief so treffend? Wir lassen uns nicht entmutigen, sondern spornen uns gegenseitig an – auch Christian Lindner – zur Liebe und zu guten Taten.

All die vielen Freiwilligen mit ihren guten Taten wie Fußball spielen und Memory, lieber Noah, (in den 70 Jahren mögen es Millionen solch guter Taten sein!), sie sind für mich ein Stoff, aus dem die Träume sind. Hoffnungsträume, die es lohnt zu träumen! Damit man nie vergisst, was Gott für diese Welt wollte, als er sie schuf: Friedensmut, Gerechtigkeit, Liebe. Achtung füreinander. Ein stabiles Band der Freundschaft in der ganzen Regenbogen-Weltfamilie. Nicht kämpfende, sondern tanzende Menschen, die einfach nie gelernt haben, Krieg zu führen. In jedem Fall nicht das, was wir derzeit erleben. Diese schlechtgelaunte Nöligkeit, die jedem und allem hinterhergeworfen wird. Diese hemmungslosen, ja vernichtenden Urteile, mit denen man andere in „social“ Media niedermacht.

Dieser Rechtsruck in vielen Bundesländern – sage mir keiner, das sei nur Protest! Viele wissen genau, was sie tun und wen sie unterstützen. Und weiter geschaut: Wie gottlos ist dieser furchtbare Krieg in der Ukraine, der das Leben Hunderttausender zerstört, weil ein einziger Despot nicht das Gesicht verlieren will. Dieser Schmerz in den Augen der Kinder, die vor Hunger und Seelennot nicht mehr lachen können.

Ihr, liebe Freiwilligendienstler:innen, liebe Träger:innenorganisationen, liebe Himmelsgeschickte, ihr setzt euer Mitgefühl dagegen. Ganz konkret! Inmitten der Zerbrechlichkeit des Lebens sucht ihr, was aufbaut. Ihr heißt die willkommen, die Schutz brauchen und Heimat. Ihr gewährt denen Zuneigung und Achtung, die darauf angewiesen sind. Denn ihr wisst ziemlich genau, dass es in diesen Zeiten jetzt darauf ankommt (und eben nicht egal ist), dass wir klar für die Schwächeren einstehen, herzlich, besonnen und verliebt ins Leben. Dass wir reden, wenn andere brüllen. Und dass wir immer auch dem Lächeln die Tür öffnen. Die Freude, die uns das Leben feiern und Gott nahe sein lässt.

Gutes Stichwort: Feiern wir Geburtstag, liebe Festgemeinde mit Pauken und Trompeten. Ich danke dem Herrgott, dass es euch, liebe ehemalige, jetzige und hoffentlich auch zukünftige Freiwilligen und liebe Verantwortliche, dass es euch gibt!

Ihr seid ein Segen, weil ihr die Welt zu einem helleren Ort macht! Und nun los – nach vorn, gesegnet mit Zuversicht und Frieden. Bleibt behütet – und bleibt sehnsüchtig!
Amen.

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