25. April 2021 | Hauptkirche St. Jacobi zu Hamburg

71. Geburtstag des Müttergenesungswerkes

25. April 2021 von Kirsten Fehrs

Radiogottesdienst am Sonntag Jubilate, Predigt zu Offenbarung 12,13-16

- Es gilt das gesprochene Wort -

Liebe Gemeinde,

liebe Hörerin, lieber Hörer,

Jubilate – so heißt der Sonntag heute. Drei Wochen nach Ostern feiern wir immer noch und wieder: Auferstehung. Neuanfang. Denn es gibt sie, die Kraft zum Leben, die auch dann trägt, wenn es mühsam wird. Lebenskraft, die nicht zurückschreckt. Und Mut, der stark macht. Deshalb: Jubilate!

Nicht einfach so hingejubelt, sondern ganz konkret wird der Hoffnungsmut, wenn wir auf die Müttergenesung schauen. 71 Jahre schon steht sie für eine Erfolgsgeschichte, die Millionen Frauen hat gesund bleiben lassen und Lebensfreude zurückgebracht hat. Dazu habe ich kürzlich einen wunderbaren Filmausschnitt gesehen, aus den Fünfzigerjahren, als alles begann. Da sieht man ungefähr 40 Frauen, durchaus noch gezeichnet von den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit, wie sie nun ausgelassen zu beschwingter Musik von Stuhl zu Stuhl hasten. Sie spielen „Reise nach Jerusalem“. Vergnügt und außer Atem wird die Gewinnerin gefeiert. Luftballons platzen. Und als sie zum Höhepunkt des Abends einander in Windeseile die schrägsten Hüte aufsetzen, tobt der Saal. Die Sprecherin eröffnet die Szene mit den Worten: „Außer Rand und Band – Frauen auf Kur.“

Jubilate. Endlich wieder Leben. Feiern und Lust am Spiel. Das sind die Bilder, die zu diesem österlichen Sonntag passen und zum Geburtstagskind erst recht. Denn 71 Jahre Müttergenesung, das heißt: endlich wieder Kraft finden. Und zwar Kraft für sich selbst. Nicht allein für die anderen, für die es zu sorgen gilt und für die man Verantwortung trägt – oft ja über Jahre und Jahrzehnte.

Müttergenesung fragt danach, wo die Mutter – inzwischen auch der Vater –, auch wo die Frau, die pflegende Tochter ihrerseits zu ihrem Recht kommt. Zu Selbst-Pflege. Fürsorge, die auch einmal „Ich“ sagt. Und Fürsorge, die dich fragt: Wann hast du eigentlich zuletzt ausgelassen gelacht? Hast dich durch und durch lebendig gefühlt? Bist entspannt durch den Tag gegangen ohne einen meterlangen Pflichtenkatalog im Nacken? Also, gäbe es das noch nicht, hätte man‘s erfinden müssen: ein Müttergenesungswerk zum Aufatmen.

Wie viel ist das wert. Gerade jetzt, in dieser Zeit der Pandemie, die uns allen viel abverlangt, vor allem aber den Müttern und Vätern, erst recht den Alleinerziehenden. Und dann den Kindern! Gerade die Familien tragen eine enorme Belastung; wir müssen das viel mehr würdigen.

Kürzlich habe ich ein Familienzentrum besucht, und die Mitarbeiterinnen erzählten, wie blank die Nerven inzwischen liegen, wie erschöpft Eltern mit einer To-Do-Liste kämpfen, die in der Pandemie gerade nicht kürzer, sondern immer länger wird. Noch mehr als vorher schon brechen die Ansprüche wie eine Flut herein: Homeoffice, Homeschooling, Haushalt, alles gleichzeitig organisieren, wahrlich ein „Wasserstrom“, wie es eben in dem Bibeltext hieß, der einen „fortschwemmen“ könnte. Wie gut wäre es, in diesem unsäglich anstrengenden Alltag einmal eine Pause zu haben. Ferien. Verreisen. Zuversicht einatmen. Die Sehnsucht nach einem sicheren, erholsamen Ort wächst doch allerorten. Nach einem Sehnsuchtsort der Hoffnung in dieser so unsicheren Zeit.

Wir brauchen Hoffnungsorte, liebe Geschwister, wenn wir uns aus der Pandemie nun langsam vortasten. Wenn irgendwann, wir wissen‘s ja nicht genau, das Leben wieder durchstartet und Kitas wieder ganz öffnen und die Wirtschaft Fahrt aufnimmt – wohin geht’s? Was wird aus uns werden?

Wir brauchen unbedingt Zuversicht. Jetzt. Die Zuversicht, dass wir in dieser schönen und zugleich so unvollkommenen Welt in Gott geborgen sind. Und dass wir selbst etwas zum Guten verändern können. Damit die Wachstums- und Erschöpfungsspirale sich eben nicht immer weiter und weiter drehen muss. Damit Mütter und Väter eben nicht immer weiter von unerschöpflichen Ansprüchen in umso erschöpftere Müdigkeit getrieben werden. Es braucht jetzt den barmherzigen Blick füreinander –  und für uns selbst.

Deshalb ist die Müttergenesung so ein Segen. Weil sie Orte schafft, wo die Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse direkt im Mittelpunkt steht. So altertümlich der Begriff ist, in der Sache ist Müttergenesung aktuell wie nie. Beeindruckend, wie es dabei über die Jahrzehnte gelungen ist, auf die Mütter und Väter individuell einzugehen. Immer mit der Frage: Was hilft dir jetzt? So dass du Mut gewinnst und wieder bei dir ankommst, wieder „Ich“ sagst. Das ist das Konzept: Nur wer erfährt, dass er aufgefangen wird, wenn er einfach nicht mehr kann, der kann wieder Vertrauen fassen. Auch in sich selbst.

Die Gründerin des Müttergenesungswerks, Elly Heuss-Knapp, hat damals also jede Menge richtig gemacht. Und es ist ihr und allen Partnerinnen der Bundespräsidenten zu danken, dass sie die Tradition fortgesetzt haben – mit einem solchen Engagement, wie es jetzt Elke Büdenbender zeigt.

Weil sie alle wussten und wissen, dass sich über die Generationen hin eine Gesellschaft – oft allzu sehr – darauf verlässt, dass die Frauen die entscheidende Sorge-Arbeit unseres Landes leisten. Unentgeltlich, oft ungesehen, wenig gewürdigt und zugleich unschätzbar. Denn wo kämen wir hin ohne sie, die die Kinder tragen und manchmal auch ertragen, die sie trösten, liebkosen, zu achtsamen Menschen erziehen? Was wäre diese Gesellschaft ohne sie, die dann später auch ihre Mütter wieder tragen und manchmal auch ertragen, pflegen, trösten und herzen? Das ist Arbeit, die nicht entlohnt wird, die nicht einmal als Arbeit anerkannt ist, weil man sagt: Sie wird doch aus Liebe getan.

Elly Heuss-Knapp hat jede Menge richtig gemacht, als sie politisch die Stimme gehoben und auf die Leistung der Mütter für unsere Gesellschaft aufmerksam gemacht hat. Sie stehen für das soziale Gesicht unseres Landes, liebe Geschwister. Deshalb: Mütter und Väter sollen gesund bleiben. Oder wenn nötig: gesund werden. An Leib und Seele.

Gesund an Leib und Seele – das Thema im Moment. Denn Corona zeigt, wie verwundbar wir sind, körperlich und seelisch, und wie ohnmächtig einen dieses Virus machen kann. Mit dem uralten, ziemlich drastischen Bild des Drachens versteht die Bibel das. Sie versteht, dass Leben immer auch belastetes, ja bedrohtes Leben sein kann. Ein Drache ist hier die Verkörperung des Bösen, das einem das Leben ungemütlich oder gar unaushaltbar machen kann. Und was tut das unerschütterlich zuversichtliche letzte Buch der Bibel? Es trotzt dem alten Drachen. So wie Gott zu Ostern dem Tod höchstpersönlich ins Gesicht lacht, so lacht dieser Hoffnungsprediger allem ins Gesicht, was ihm das Leben sauer machen will.

Denn der Drache, der mit so erschreckend bedrohlichen Farben gemalt wird, der ist schon besiegt. Der Erzengel Michael nämlich, bekannt ja als Drachentöter, hat ihn justachtkantig aus dem Himmel herausgeschmissen, herunter auf die Erde. Der entscheidende Kampf ist also schon vorbei; es ist aus mit dem Drachen. Gott setzt das Leben durch, heißt das, mit erfüllender Lebendigkeit! Und hier bei uns auf der Erde, so hat sich‘s der biblische Geschichtenerzähler überlegt, hier auf der Erde kann der Drache sich nur deswegen noch ein wenig austoben, weil er schon verloren hat.

Du magst uns bisweilen ein wenig erschrecken, Drache, aber du gewinnst nicht mehr das Spiel. Das ist die Botschaft. Du störst nicht die Bilder von frisch ermutigten Menschen, die ausgelassen Reise nach Jerusalem spielen. Bei dieser Reise ins Leben bekommt der olle Drachen keinen Platz mehr. Dafür sorgen unzählige Michaelas, Engel, die es mit den Drachen aufnehmen, in den Kurheimen und Beratungsstellen. Danke allen von Herzen, die sich hier mit so viel Liebe einsetzen.

Wir brauchen euch, die Engel der Hoffnung, damals und jetzt. Engel, die frischen Wind unter die Flügel geben. Engel wie etwa meine Freundin Ingeborg, die noch fast zu Elly Heuss-Knapps Zeiten selbst als vielfache Mutter auf Kur war. Und sich fortan zutiefst dankbar bei jeder Haustürsammlung – Sie wissen, die Spendendose mit der Blume – engagiert hat und die noch heute mit ihren 95 Jahren eifrig Socken strickt, um sie zugunsten der Stiftung zu verkaufen. Ingeborg spielt schon lange nicht mehr „Reise nach Jerusalem“, doch begleitet sie wie viele Hoffnungsengel von damals die sehnsüchtigen Mütter und Väter bis heute. 71 Jahre schon.

Jubilate! Feiern wir das Leben und die Kraft der Zuversicht. Weil die Drachen und Pandemien dieser Welt am Ende nicht gewinnen, sondern das Leben, das dich jeden Morgen neu in die Arme nimmt.
Amen.

Datum
25.04.2021
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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