Hauptkirche St. Jacobi

8. Dezember 2011 - Ansprache zum Adventsempfang der Nordelbischen Kirche

08. Dezember 2011 von Kirsten Fehrs

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,
herzlichen Dank zunächst an Dr. Biskup für die freundlichen Worte und die Gastfreundschaft von St. Jacobi! Und: Genau, lieber Rainer Biskup, es ist Fügung, dass ich just in „meiner“ St. Jacobi-Kirche den ersten bischöflichen Empfang gebe.
Ich freue mich sehr, dass so viele hierher gekommen sind – erlauben Sie mir angesichts all der Prominenz, es dennoch bei der namentlichen Begrüßung nur einer Person zu belassen: Herzlich willkommen sehr geehrter Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Ich grüße Sie sowie all die VertreterInnen aus Bürgerschaft und Senat in Hamburg und Lübeck, aus Wirtschaft, Bundeswehr, sozialen Institutionen, den Medien, der Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Ich bin froh, dass Sie alle meiner Einladung gefolgt sind; ich verstehe es als Zeichen der Wertschätzung, die ich gern zurückgebe, und des Interesses.
Und der Erwartungen.


Das zu Recht. Ist doch die Adventszeit voller berechtigter Erwartung und großer Nachdenklichkeit. Mich beflügelt sie, weil sie das Bittere mancher Realitäten mit einer Verheißung beantwortet. Mit der Vision eines kleinen Kindes, das die Welt verändert, weil sie sie umkehrt in ihren Maßstäben. Wir Christen glauben einen Gott, der auf die Erde, also im wahrsten Sinne total „herunter gekommen“ ist. Und darin liegt der Reichtum unserer Theologie. Denn sie macht bewusst, dass Gottes Kommen in diese Welt die Geschichte einer bedrohten Existenz schlechthin ist. Gott selbst durchlebt Armut, Geringschätzung und Lieblosigkeit, nimmt die Perspektive derer ein, die sich ganz unten fühlen und es auch sind. Sein Kommen birgt in sich die Hoffnung, dies überwinden zu können. Und genau das bilden wir in Kirche ab – in unserer Diakonie, tätigen Nächstenliebe, in unseren Weihnachtsoratorien und der Nacht der Kirchen, auf Kirchentagen und auf Anti-Atomkraftdemonstrationen, in Kindergärten und Sterbezimmern. Danke sage ich allen, die in den Gemeinden und Einrichtungen vor Ort dies alles leisten.  In die zunehmende Gott- und damit Heilsvergessenheit unserer Gesellschaft diese Verheißung der Veränderung hineinzutragen, lebendig, würdigend, klar, das verstehe ich als kirchlichen und meinen persönlichen Auftrag. Und das bedeutet im Umkehrschluss, so wie Jesus es uns mitgegeben hat: Achtet nicht die Würde derer gering, die verletzt sind und beiseite geschwiegen, die erniedrigt wurden und klein gemacht. Achtet nicht eines der Kleinen gering, denn in ihnen ist Gottes Größe und Achtung für jedes Geschöpf präsent.


Der Welt zugewandte Theologie – das ist mein Programm. Meint: Ethisches Nachdenken über Themen, die keine einfachen Antworten brauchen können. Handeln, wenn es an der Zeit ist. In den Dialog treten, wo Stummheit droht. Mich beruhigt dabei sehr, dass 10 Jahre vor mir liegen. Denn jetzt schon gibt es dermaßen viele Brennpunkte, derer ich mich aufmerksam und gründlich zuwenden möchte und auch muss – und sehe doch, dass nicht alles zugleich geht. Konzentration ist dran und adventliche Geduld, will man den Menschen und Themen gerecht werden.
In den ersten Wochen meiner Amtszeit habe ich mit großer Freude bemerkt, wie viele Erwartungen da sind – positive, kritische, vorsichtige, von Politik und Wirtschaft und anderen Religionen und Konfessionen, von unseren Gemeinden und den sozial Engagierten, von Hamburgern und Lübeckern, den Pinnebergern und den Lauenburgern auch. Und ich freue mich auf die Begegnungen mit Ihnen! Auch wenn ich Sie zunächst oft um Geduld bitten muss.


Besondere Geduld erfordert nun ein Thema, das in seiner Differenziertheit sensible Einfühlung und ruhige Gründlichkeit verdient. Deshalb, weil es mit tiefer Verletzung verbunden ist und mit der Erfahrung ständiger Demütigung. Ich spreche vom Thema „Sexualisierte Gewalt in der Kirche“. Die Erwartungen an die Bischöfin, die öffentlich geäußert werden, zeugen von einem Druck, der sicherlich zum einen den Betroffenen geschuldet ist, die Aufklärung und Eingeständnisse fordern und denen alles viel zu lang dauert. Dazu haben sie unbedingtes Recht, wer würde das nicht verstehen? Irritierend jedoch die hochemotional besetzten Erwartungen, die geradezu messianischen Charakter enthalten: erleuchtend, lösend, aufklärend, alles erfassend, sofort handelnd muss die Kirche jetzt sein – sonst wird man enttäuscht sein. Und genau das kann eintreten: Enttäuschung ist vorprogrammiert, weil kein Mensch, auch ich nicht, leisten kann, was ich als Wunsch zutiefst verstehe: eine Form der Satisfaktion, die möglichst schnell die langjährige, tiefe Verletzung von Körper und Seele wenn schon nicht heilen, so doch wenigstens ausgleichen kann. Das heißt, dass ich die Schuld sehe. Menschen in unserer Kirche haben vielen grausames Leid zugefügt. Dass dies geschehen konnte, dafür bitte auch ich sie/ Sie in aller Form um Verzeihung.
So komme ich zu dem ersten und längsten von 5 Themen meiner Rede:


1.    Sexualisierte Gewalt in kirchlichem Raum – zwischen Tabu und Wirklichkeit

Achtet nicht eines der Kleinen gering – wie kann es sein, dass Kinder und Jugendliche ungeschützt der permanenten sexuellen Gewalttätigkeit des Pastors und Stiefvaters ausgesetzt waren? Wie konnte das über Jahre hin in einer Kirchengemeinde wie Ahrensburg passieren? Was hat ausgerechnet unsere Institution, die Schutzraum geben will, versäumt? Wie haben wir dem Täter durch Wegschauen oder Verharmlosung in die Hände gespielt, ohne es zu wollen?
Ich will das verstehen. Genau so wie etliche Betroffene und Gemeindemitglieder, wie die anderen Mitglieder der Kirchenleitung, wie die Präventionsgruppe des Kirchenkreises Hamburg-Ost. Ich will das verstehen, auch wenn es mich immer wieder, während ich mich damit beschäftige, fassungslos macht. Doch wir sind es zuallererst den Betroffenen schuldig. Wie andere es in unserer Kirche seit Monaten tun, will ich nachfragen, meine Gesprächsbereitschaft anbieten und versuchen, aus meinem Verstehen Schlussfolgerungen zu ziehen, die wirksam sind. Und das auf dreierlei Weise:
1)    Sicher ist: Die juristische Aufarbeitung allein reicht nicht. Nur, wenn wir uns auch psychologisch den Versäumnissen und Fehlern unserer Institution stellen, lernen wir. Wir lernen beispielsweise eine Haltung einzuüben, die die Augen vor übergriffigen Handlungen von Kollegen und Nachbarn nicht verschließt, sondern die Schutzbedürftigkeit und Würde der Kinder und Jugendlichen ins Zentrum rückt. Zu dieser psychologischen Aufarbeitung braucht man den geschärften Blick von außen. Deshalb hat man seitens des Kirchenkreises Hamburg-Ost gemeinsam mit der Kirchenleitung externe Fachpsychologen zur Hilfe gebeten. Und das braucht – wieder einmal – Zeit und Geduld.
(2)    In einem Gottesdienst sowie einer öffentlichen Gemeindeversammlung in Ahrensburg werden Bischof Ulrich und ich am Palmsonntag im April nächsten Jahres nicht nur in einer Predigt auf die Thematik eingehen, sondern auch in einer Gemeindeversammlung uns den Fragen stellen.
(3)    Nicht öffentlich dagegen ist die dritte Weise, die meiner Aufgabe als Bischöfin und Seelsorgerin entspricht: das Gespräch. Ich habe denjenigen, die sexualisierte Gewalt in Ahrensburg erlebt haben, persönliche und vertrauliche Gespräche angeboten und werde ein solches Gespräch mit allen führen, die das möchten. Und dies in großem Respekt davor, wie individuell Leidensgeschichten sind und wie viel Kraft es kostet, immer wieder darüber zu reden. Dank der Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring habe ich gelernt, dass und warum solche Gespräche so empfindsam sind. Habe wahrgenommen, dass man Opfer z. B. auch durch gutmeinendes Mitgefühl stigmatisieren kann. Oder dass man etlichen zu nahe tritt, wenn man sich mit ihnen identifiziert und damit zu wissen glaubt, was jemand durchgemacht hat. Und: Nichts ist befreiend, wenn man einen Menschen darauf reduziert, Opfer zu sein. Wie es z. B. in mancher Berichterstattung geschieht. „Es ist wichtig, den Opfern eine Stimme zu geben,“ sagt eine Betroffene zu mir. „Aber ich habe doch auch noch andere Stimmen in mir! Ich arbeite, plane Urlaub und möchte mich an einer neuen Liebe freuen. Und gegen diese eine Stimme der Zerstörung, die immer wieder zu zerschlagen droht, was schön sein will, gegen diese Stimme will ich mich wehren, damit der Täter nicht noch einmal gewinnt.“ Ich höre das und stehe mit großer Zuneigung und Bewunderung vor ihr und vor allen, die sich aus der Festlegung zu befreien versuchen, NUR Opfer zu sein. Die sich wieder ein ernst gemeintes „Ja zum Leben!“ abringen. Und weil es um Befreiung geht und – wie vorhin genannt - um die Verheißung von Veränderung, ist für mich Seelsorge eine Möglichkeit, hilfreich zu sein. Im nicht-öffentlichen Raum, versteht sich. Seelsorge ist so. Sie ist per se verschwiegener Raum des Vertrauens; wo kämen wir sonst hin? Ihn zu wahren, ist alles andere als Vertuschung. Was wir anstreben müssen, ist ein neues Verhalten, das keinen stigmatisiert, die Betroffenen nicht, die PastorInnen nicht, die Gemeinde nicht – und kirchenleitende Personen auch nicht.


2.    Achtet nicht eines der Kleinen gering - Armut als Beziehungsthema


In einer schon älteren Fernsehdokumentation mit Namen „Schattenkinder“ sieht man die 11- jährige Lea. Sie sitzt auf einer Bank und versucht, mit ihrem Pullover verschämt ihre Korpulenz zu verstecken. Lea sagt kaum ein Wort, äußert sich durch Nicken oder Kopfschütteln. Immer wieder fängt die Kamera ihren Blick auf – und es begegnet einem eine so trostlose Traurigkeit, dass es einen bis ins Herz trifft. Was für Kontraste gibt es heute, schon bei den Kindern. Da liegen Welten zwischen einem Kinderalltag in gut bürgerlichem Milieu mit allen Chancen, die der Mensch nur haben kann, und Kindern wie Lea, die am Existenzminimum leben. Das sind zwischen 215,- und 287,- Euro monatlich. Sie stehen für weniger Ausbildung, weniger Achtung, weniger Gesundheit und Lebenslust.


Armut ist kein Schicksal. Sie ist ein Thema der Kontraste und damit eine soziale Frage, eine Frage der Beziehung von Reichen zu den Armen. Gerade in Hamburg: in der derzeit mit reichsten Stadt Deutschland steigt die Armut. Direkt vor der Tür. Und mehr noch: hinter den Türen. Der Skandal liegt in der Verborgenheit. Denn Armut beschämt. Isoliert. Macht abhängig. Und Kinder wie Lea gelten vor allem als Problemfall.


Gebt acht, dass ihr nicht eines der Kleinen gering schätzt. Diese Ethik ist deshalb so klug, weil sie nicht in das Arm-Reich Klischee einsteigt, nach der die Armen selig sein sollen und die Reichen verdammt. Sondern es geht ums Achtgeben. Genauer hinschauen. Darum, Armut zu benennen, wo wirklich Armut ist. Und es geht ums Verstehen, warum Hilfsangebote nicht die Richtigen erreichen oder positiv: wie das, was an gutem Geld und gutem Willen ja allerorten vorhanden ist, auch an die gerät, die es wirklich brauchen. Hier sehe ich eine gemeinsame Aufgabe von Kirchen, Diakonie und Politik. Denn es gibt jeweils gute Ansätze, gute und vor allem viele Einzelprojekte. Wie hilfreich wäre es, hier verstärkt zusammenzuwirken!


3.    Arm zu sein ohne Arbeit ist doppelt hart


Leas Eltern sind zwei von knapp 20.000 registrierten Langzeitarbeitslosen in Hamburg. Sie haben sich mühsam mit Ein-Euro-Jobs über Wasser gehalten. Nicht finanziell, sondern innerlich. Sie haben sonst nichts, was den Tag strukturiert. Theoretisch hätten sie Mitarbeiter einer dieser segensreichen Einrichtungen wie die Rathauspassage oder Samt und Seife sein können. Zwei von vielen Projekten durch die Diakonie und Kirche seit Jahrzehnten nicht nur den Einzelnen, sondern auch der Stadt dient.


Dieses gesellschaftliche Engagement ist durch die neue Arbeitsmarktpolitik des Senates in ihrem Bestand gefährdet. Kirche und Diakonie haben die Ein-Euro-Jobs immer kritisch gesehen und sich für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsmöglichkeiten eingesetzt. Dennoch haben auch diakonische Beschäftigungsträger mit diesen Arbeitsgelegenheiten sinnstiftende Arbeit in vielen Stadtteilen und Quartieren geleistet.


Ich teile die Meinung der diakonischen Fachleute: Wir brauchen weiterhin für die große Zahl von Menschen, die ohne Unterstützung keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden, soziale Stabilisierung und sinnstiftende Beschäftigung, Beratung und Arbeitserfolge, den Blick für das Wohl des Einzelnen und das Wohl der Stadt. Ohne stadtteilnahe und öffentlich geförderte Beschäftigung sind viele Quartiere noch ärmer dran. Ansetzen könnte man bei gemeinsamen Bemühungen in der Sozialraumpolitik und bei der Entwicklung einer zukunftsfähigen Arbeitsmarktpolitik. Diese soll den Langzeitarbeitslosen eine reale Rückkehr in den ersten, zumindest aber den Verbleib im zweiten Arbeitsmarkt ermöglichen. Meine Hoffnung wäre, dass es gelingt, mit den für Hamburg in Aussicht gestellten zusätzlichen 10 Millionen Euro Arbeitslosenförderung des Bundes Alternativen zu den 1-Euro-Jobs aufzubauen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Stadtteilprojekten anzubieten. Lassen Sie uns gemeinsam nachdenken! Dankbar habe ich vom Senator dazu ein Signal erhalten, das ermutigend ist.  


4.    Religiöse Armut macht krank


Er hat die kleinen Anzeichen konsequent gering geachtet, sagt er. Und irgendwann war die Kraft zu Ende. Als Ralf Rangnick vom Fußball-Bundesligisten Schalke 04 aufgrund eines Erschöpfungssyndroms zurücktritt, wird dies mit Respekt und Mitgefühl begleitet. Es sei eine persönliche Tragik, hieß es.
Ich horche auf. Denn nur persönlich ist die Tragik nicht. Vielmehr gehört er zu denen, die die Kehrseite unserer Leistungsgesellschaft erleben, deren Volkskrankheit Nr. 1 Depression heißt.


Es wäre ein erster heilsamer Schritt, laut darüber nachzudenken und zu reden, was denn in diesen Leistungssystemen etwa des Sportes, der Medien, der Politik krank macht. Ein Schritt, an dem alle hier beteiligt wären.
Doch das Problem reicht meiner Überzeugung nach tiefer: Vielen fehlt der Kontakt zu einer Vision, zu einer Verheißung, die einem Kraft gibt und Inspiration. Etwas, das über einen selbst hinaus weist und Sinn gibt, weil es gerade nicht aus einem selbst heraus kommt. Unsere Gesellschaft leidet zunehmend dem Verlust dieser Dimension, an einer metaphysischen Obdachlosigkeit. Sie lässt uns da stumm werden lässt, wo unser Leben als Ganzes auf dem Spiel steht. Wenn es um Sinn geht und Ziel, um Vertrauen und Gewissheiten.


Diese metaphysische Obdachlosigkeit richtet im modernen Menschen etwas an: Sie entledigt ihn auch seiner Religion. Immer weniger Menschen wissen etwas von ihr. Das Haus der Tradition beheimatet nicht mehr oder ist allenfalls eine zugige Baustelle. Es redet kaum noch jemand von dem, was er glaubt, was ihn leitet, was ihm Halt gibt. Es wird geredet von Glück, das man selbst schmiedet, nicht von Gnade. Davon, dass ich an dich denke, anstatt dass ich für dich bete. So ist mancherorts Gott selbst verloren gegangen. Tatsächlich nicht nur unbekannt verzogen, sondern auch noch unbemerkt. Deshalb ist es die Sache aller Religionen und aller Konfessionen in dieser Stadt, gemeinsam gegen diese Gottvergessenheit anzugehen. Dies besonders durch Bildung – etwa durch Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Religionsunterrichtes. Ihn gilt es in gemeinsamer Verantwortung dringend einzufordern und einzulösen! Ich bin sicher, wir einigen uns, wie das geschieht – Hauptsache, dass es geschieht!


Den Menschen von klein auf religiös wieder Obdach zu geben, ist deshalb so dringlich, weil sonst Grundüberzeugungen wie Nächstenliebe und Toleranz in unserer Gesellschaft verloren gehen. Die braucht es aber. Gerade jetzt, wo fremdenfeindliche, rassistische und rechtsradikale Gedanken wieder mehr Verbreitung finden und salonfähig werden. In unserem Land braucht es eine Allianz der Humanität gegen rechts und gegen radikale Tendenzen überhaupt. Wie wir das am besten bewegen, mit Politik und Initiativen in Hamburg und Lübeck gemeinsam – darüber habe ich mich andernorts schon ausführlich geäußert.
In eigener Sache ein Letztes in diesem Zusammenhang: Vergangene Woche hat eine Veranstaltung in der Hauptkirche St. Michaelis starke Irritationen ausgelöst. Diese Debatte über die Nutzung von Kirche samt ihrer kritischen Stimmen möchte ich, möchten wir ernst nehmen und angemessen, d. h. ausführlicher darauf eingehen. Nicht jetzt also, aber bei einem öffentlichen Forum, das stattfinden soll am 11. April in St. Michaelis.


5.    Letzter Streich: Hände hoch oder ich küss dich


Das ist jetzt keine bischöfliche Avance, sondern ein wunderbar provokanter Song. Er könnte auch unter der Überschrift stehen: Bloß die Kleinen nicht gering achten, es könnte uns das Leben kosten. Überraschend ließ sich das jüngst auf einem Senatsempfang lernen. Da haben „Rosi und die Knallerbsen“ innerhalb kürzester Zeit den Saal aufgemischt. Haben uns mit einer Lebensfreude überwältigt, die jedes Protokoll nebensächlich machte. Die Knallerbsen sind eine Band junger Männer und Frauen mit Behinderungen – hochmusikalisch, mit nachdenklichen Texten, rockender Blockflöte und einer faszinierenden Kindnähe, sie selbst halt. Und als Hanne mit Downsyndrom, vor allem aber mit Strassgürtel und Seidenbluse empört vergnügt ins Mikrofon ruft: „Ihr da vorne in der ersten Reihe müsst aber auch MITMACHEN!“war´s um alle geschehen. Sie haben uns inkludiert, wie es heute so schön heißt. Eine hinreißende Umkehrung der Verhältnisse. Aus Zuschauern wurden Mitmacher. Prägnanter lässt sich die Botschaft des Evangeliums nicht erden.


Denn das Urbild aller Inklusion ist Gott selbst. Der Allmächtige wird Mensch – er schließt alles Menschliche ein, wie es ist. Mit seinen Versehrtheiten, Brüchen, den Handicaps und dem Unversöhnlichen. Aber auch mit der Lebenslust. Und er sagt: Wenn die Verheißung wahr werden will, wenn sich ändern soll, was sich ändern muss, dann müssen wir alle aber auch mitmachen! Denn Weihnachten ist das inklusive Ereignis überhaupt.


Mehr dazu am Heiligen Abend. Bis dahin: Genießen Sie den Advent, genießen Sie unser weiteres Zusammensein hier und: genießen Sie nun die wunderbare Kirchenmusik vom Vocalensemble St. Jacobi.
Ihnen danke ich ebenso wie all den freundlichen und fleißigen MitarbeiterInnen der Bischofskanzlei und der Hauptkirche St. Jacobi.
Und Ihnen danke ich für Ihre Geduld.


Ich wünsche Ihnen von Herzen eine gesegnete und gnadenreiche Advents-und Weihnachtszeit.

Datum
08.12.2011
Quelle
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Von
Kirsten Fehrs
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