9. Juni 2013 - Hauptkirche St. Katharinen

9. Juni 2013 - 2. Sonntag nach Trinitatis Festgottesdienst zur Wiedereinweihung der Orgel

09. Juni 2013 von Kirsten Fehrs

2. Chronik 5, 1.2.7.12-14 Also wurde alle Arbeit vollbracht, die Salomo am Hause des HERRN tat. Und Salomo versammelte alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids. So brachten die Priester die Lade des Bundes des HERRN in den Chorraum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim. Und alle Leviten, die Sänger waren – angetan mit feiner Leinwand – standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es nur einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken den HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: „Danket dem HERRN, er ist gütig und seine Barmher-zigkeit währt ewig!“, da wurde das Haus des HERRN erfüllt mit einer Wolke, so dass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten, denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.

Einweihungshandlung durch die Bischöfin

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes feiern wir – ein historisches Ereignis in der „neuen Katharina“. Die Rekonstruktion einer Orgel, an der Johann Sebastian, wäre er leibhaftig hier, wahrlich seine Freude hätte. Gleich werden wir sie hören, liebe Gemeinde, und Sie werden innerlich einstimmen ins „Gloria sei dir gesungen!“ Es ist geschafft. Das ist ein bewegender und herrlich feierlicher Moment. So viele Jahre, seit 2004 erdacht, geplant, ersehnt, erhofft – und nun klingt sie wieder. Und es erfüllt Sie, liebe Katharinengemeinde und ich glaube, insbesondere Sie, lieber Andreas Fischer, mit Stolz und Freude. Mit Recht. Zumal so viele daran mitgetan haben! Mit Ideenreichtum und anderem Vermögen. Danke sage ich dafür. Man hat gemerkt: Die Rekonstruktion der historischen Orgel hat wirklich gereizt. Sie lag nahe, wenn auch vieles entfernt war. Oder gar verschwunden. Und so ist sie ein wirkliches Geschenk. Ein Geschenk auch der Versöhnung. Denn alt und neu, Kriegsschmerz und Friedenssehnsucht vereinen sich in 4.500 Pfeifen und 61 Registern. Danke Ihnen allen, die Sie mit Finanzen, Fachkenntnis, Geduld, und Herz diese Orgel wieder zu einer Königin gemacht haben – und die Sie der Hamburger Kirchenmusik generell große Kunst schenken.

Und so beten wir: Lebendiger Gott, unser Herz ist voller Dankbarkeit für diese Orgel. Ein segensreiches Zusammenwirken von so vielen! Wir bitten dich: Sei mit deiner Andacht gegenwärtig in der Musik; sie ist ein so großes Geschenk. Gib uns durch sie eine Stimme für unser Kyrie und unser Gloria – mit allen Registern. Dir zur Ehre. Damit wir leben, wie Christus es wollte: in Gemeinschaft, versöhnt in einem Klang. Durch Jesus Christus, unseren Herrn und Bruder. Amen

Im Hören auf Gottes Wort und im Gebet sei nun die Orgel zu St. Katharinen dem Dienst Gottes geweiht. Als Stimme des Lobes und als Ort der Nähe Gottes zu uns. Im Namen des Vaters + und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

 

Predigt zu 2. Chronik 5

2. Chronik 5, 1.2.7.12-14

Also wurde alle Arbeit vollbracht, die Salomo am Hause des Herrn tat. Und Salomo versammelte alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des Herrn hinaufbrächten aus der Stadt Davids. So brachten die Priester die Lade des Bundes des Herrn in den Chorraum des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Cherubim. Und alle Leviten, die Sänger waren – angetan mit feiner Leinwand – standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es nur einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken den Herrn. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den Herrn lobte: „Danket dem Herrn, er ist gütig und seine Barmherzigkeit währt ewig!“, da wurde das Haus des Herrn erfüllt mit einer Wolke, so dass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten, denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.

 

Liebe Festgemeinde!

Lob und Preis, wir danken dir, Gott! Wer täte dies heute nicht gern? Begleitet von dem fulminanten Klang der neuen Orgel – endlich! Wie lange hat man daran gearbeitet. Ein historisches Ereignis der Rekonstruktion geradezu. Und im Genuss all dessen, was da aus 520 originalen Zinnpfeifen klingt und trombt – wer empfände es gerade heute nicht, dass die Musik des Lebens mit all ihren Registern etwas Wunderbares hat? So viel Grund haben wir zu danken. So wie es den ganzen Gottesdienst, Kantate und Predigttext durchzieht: Dankbarkeit ist heute die Grundmelodie.

Danken ist eine Melodie. Heute besonders, aber nicht nur. Sie ist letztlich ein menschliches Grundbedürfnis. Nicht nur von uns Christen. Oder in einem Festgottesdienst. Nein, Dankbarkeit ist ein tiefes inniges Gefühl, das sich öfter Luft machen möchte. Vorzugsweise nach oben hin, zum ihm. Dank ist oft geboren im Moment überstandener Krise. Oder im Moment des Glücks, das einen heiß durchfährt. “Thank you for everything, god!” „Grazie!“ „Dank dafür, dass wir vor größerem Unheil bewahrt wurden.“ „Danke, Gott, für meine tolle Familie, sagen Nils und Opa“ All diese Sätze habe ich in den Gästebüchern unserer Kirchen gefunden; ich komme ja ziemlich herum. „Danke“ ist darin mit Abstand das häufigste Wort. Menschen allen Alters und aller Nationalität danken in allen Sprachen – für Bewahrung und Schutz, für Nähe, Trost und das Licht, für ein besonderes Erlebnis, für die Stille, für „de warme kark“, dafür, dass der über alles geliebte Schatz tatsächlich nach Hamburg gekommen ist, dass der Organist „nur für uns geübt hat“. Und es kann einen regelrecht anrühren zu lesen, wenn ein Mädchen dem Buch anvertraut: „Lieber Christoph, ich vermisse dich. Aber ich freue mich, dass du im Himmel Freude hast. Ich habe eine Kerze für dich angezündet. Ich habe dich sehr doll lieb und ich bin fast acht. Tschüss und grüß da oben alle ganz doll von mir.“

 

All diese Worte lassen ganze Lebensgeschichten ahnen, liebe Gemeinde. Sie zeigen, dass Menschen über die Zeiten hin beten und dem Gebet auch etwas zutrauen. Dass sie auf Wunder hoffen und auf ein gesundes Kind, dass sie vor Gott bringen wollen, was sie bewegt: Freude, Staunen, Liebe, Trauer, die oft tiefen Zweifel, die Angst, das Sterben und Friedenssehnsucht für diese Welt - und eben immer wieder der Dank. All dies ausschnitthaft festgehalten, Tag für Tag, Jahr für Jahr, wie eine Chronik, die von vielen Menschen in allen Sprachen der Erde geschrieben wird. Und in der sich viele Stimmen vereinen zu einem Choral des Lebens.

Im 2. Chronikbuch, vier Jahrhunderte vor Christus geschrieben, haben wir eben etwas ganz ähnliches gehört. Zum Festgottesdienst der Tempelweihe – Gott, welch erhabener Bau! – ziehen unzählige Leviten fein gewandet ein. Sie singen in allen Sprachen ihr Kyrie und Gloria, begleitet von Musik, allein 120 (!) Trompeten, mein Gott, alles geht drunter und drüber vor lauter Glück! Es singt, trompetet und rasselt überall. Und mit einem Mal ist da ein besonderer Moment, der über sich selbst hinauszuweisen scheint. Ein Klang, der alles, was auseinander zu driften droht, zusammen hält. Ein Klang, der die Stimmung wandelt und innehalten lässt – so als wäre es nur eine Trompete und nur eine Stimme, die deutlich und ohne Getöse durchdringt und ansetzt zum Dankeschoral. Und genau in diesem Moment des Unisono – wo sich tatsächlich einmal alle einig sind! – da erscheint der Geist Gottes in der Wolke. So unantastbar heilig ist dies, dass selbst die Priester nicht mehr hinzutreten können. Da ist nur noch Raum für ihn, Gott in der Wolke und Gott in diesem einen, unfassbaren, alles tragenden Ton…

 

- Kurze Orgelimprovisation -

 

Sie hören, liebe Gemeinde: Die Orgel predigt mit. Denn immer wieder ist es die Musik der Königin, die die Menschen allen Alters zutiefst berührt. Kürzlich begegnete ich nach einem Gottesdienst, der auch von einem berühmten Popstar besucht wurde, einem etwa 17 jährigen Mädchen. Noch nie in ihrem Leben wäre sie in einer Kirche gewesen, sagte sie. „Dass es so etwas Großes gibt! So ein Raum. So ein Licht. So eine irre Musik!“ Noch nie hätte sie so etwas gehört. Sie habe richtig Tränen in den Augen gehabt. Denn ihr war, als würde jemand mit ihr reden, der sie versteht.

 

Ich wünschte, sie wäre auch heute hier. So imposant ist der neue Klang der Orgel! Ein Klang, der so viel von uns versteht und zugleich über uns hinausweist. Denn das ist doch das Besondere an der Musik: sie ist eine Sprache auch für das Unsagbare. Sie klagt und heilt und lobt und befremdet wie das Heilige selbst. Musik ist eben kein schmückendes Beiwerk zum Wort, oder gar zur Predigt oder zu den „Priestern“. Sie ist selbst eine eigene Sprache des Evangeliums. Und so vermag die Musik oft für Menschen die eine Stimme zu sein, die die aufgewühlte Seele erreicht mit Gottes Wort und seinem Trost. Sie vermag die eine Stimme zu sein mit klarem Ton, die uns auf einer Ebene berührt, wo das Sehnen ist und das Hoffen. Musik weckt die Zuversicht, eingebunden zu sein in ein größeres Ganzes, das einen gnädig umfängt und Sinn gibt. Und liebe Gemeinde, diese Sprache des Glaubens können wir nun mit allen Registern verkünden, die die Orgel wieder zu bieten hat. Einschließlich des Registers der Lebensfreude. Legt sich doch stets, sobald der Zimbelstern erklingt, ein Lächeln über die Gesichter …

 

- Kurze Orgelimprovisation -

 

Und es war, als wäre es nur einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken den Herrn. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den Herrn lobte: „Danket dem Herrn, er ist gütig und seine Barmherzigkeit währt ewig!“, da erfüllte die Herrlichkeit des Herrn das Haus Gottes.

Musik belebt, ja erfüllt den Menschen und mit ihr nimmt – manchmal ganz unvermutet – auch Gott in uns Platz. So beschreibt es wunderschön dieser alte Text aus der Chronik. Und genau an dieser Stelle hat Johann Sebastian Bach in seiner Bibel einen Satz notiert, der auf den Punkt bringt, worauf es ihm ankommt und mir in dieser Predigt auch: „In jeder andächtigen Musike ist Gott in seiner Gnaden Gegenwart.“

 

            Orgel (Bach)

 

Hören Sie? Gott in seiner Gnaden Gegenwart. Mit Bach, der ja schon die ganze Zeit anwesend ist – gerade bei dieser Orgel. Er hätte sich, wäre er hier, bestätigt gesehen: `Andächtige Musike´ kann einen so ruhig machen. So klar. So friedensleis. Es ist, als würden Angst und Bestürzung über die Schrecken der Welt in dem Maße weichen, wie der Ton Gottes Raum gewinnt. In dieser wunderbar restaurierten Katharinenkirche. Aber auch in uns selbst. Es ist dies die andere Wirklichkeit, die die Welt durchdringt. Eine Wirklichkeit, die in uns das Sehnen weckt nach Licht und Glück. Eben die Wirklichkeit Jesu Christi, der uns liebt und sagt. „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“

Deshalb sollen wir singen und danken. Gottes Ton in uns hineinholen. Damit wir erquickt werden. Kraft bekommen für den Weg, der vor uns liegt. Deshalb sollen wir singen und denken. Gottes Ton hinaus bringen in die tobende Welt. Damit all die Mühseligen unserer Zeit hören von der Gnade, die einen wieder hoffen lässt. Deshalb sollen wir singen und loben: Gott ist gegenwärtig. Mit jedem Atemzug der Seele. Seine Gnade verlässt dich nicht. In Dunkelheit nicht und im Schmerz nicht und in der Liebe nicht.

 

 „Gracias, lieber Gott“, schreibt Maria, „ich habe schlimme Zeiten überstanden.“ So wie sie haben es viele Menschen in den Chroniken der Moderne, und so hat es auch Bach bezeugt. Gracias. Aus den vielen Worten, die gesprochen und geschrieben sind, verdichtet sich´s in diesem einen Wort. So wie die vielen Pfeifen, Zimbeln und Zungen sich fanden in dem einen Ton: Gracias - danke, und gratias, die Gnade – Dank und Gnade sind eins.

 

So danke ich dir, o Gott,

für deiner Gnaden Gegenwart

immer schon da

und jeden Moment neu.

Jeden Morgen, den du werden lässt,

will ich loben und dir danken

– dies zuallererst –

bevor der Alltag seinen Reigen spielt.

Und die Angst und das Verzagen

mögen vergehen durch deinen Segen

kann ich doch – so ist das Spiel –

beim Loben und Danken

einfach nicht vergessen,

was du mir Gutes getan hast.

Gerade heut´.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus. Amen

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