24. September 2023 |

#vollepulleleben 90. Gemeindegeburtstag Paul-Gerhardt-Kirche Hamburg-Winterhude

24. September 2023 von Kirsten Fehrs

16. Sonntag nach Trinitatis, Predigt zu Hebräer 10,35.36.39

Jesus is the Prince of Peace.
Gnade und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.

 

Liebe Festgemeinde,

Leben ist mehr als Warten auf morgen. Leben ist jetzt, so hat es der Kinderchor gerade so hinreißend gesungen.

Und alles, was Recht ist: Das Leben vibriert hier wirklich, und zwar mit aller Kraft, eben: #vollepulleleben. Danke für die Einladung zu dieser fulminanten Feier zum 90. Geburtstag. Und wie man sieht, ist das glücklicherweise kein „Dinner for One“, sondern Dinner for fivehundred. Oder wenn ich die Bronzereliefs zum Speisungswunder hier an der Kanzel richtig interpretiere: Dinner für Fünftausend!

Mit einem Musikmenü vom Feinsten, mit edlem „whitewine with the fish“ und prickelndem Champagne with the fruits. Gut so! Volle Pulle! Denn wie viele Früchte es über die Jahrzehnte hin getragen hat, als singende Paul-Gerhardt-Gemeinde immer wieder neu den Aufbruch zu wagen, zeigt sich ja hier aufs Wunderbarste. Wenn das nicht Sekt und Selters wert ist.

Mir will scheinen, das war in den „fast 100 Jahren“ (wie ihr es nanntet) in dieser Paul-Gerhardt-Gemeinde immer schon so. Die fast Hundertjährige, die eben stets gern aus dem Fenster stieg, um die Welt zu durchwandern. Um genau inmitten dieser Welt Lebensfreude zu schenken und Hoffnung und Friedensliebe, Segenskraft, Gospelevangelium und Kinderchor.

So feiern wir heute nicht nur Jubiläum, sondern die reiche Ernte dieser hoffnungsmutigen Courage, mit all ihren Müttern und Vätern. Eine Courage, die über 90 Jahre Experimente gewagt und allemal in den vergangenen Jahren zu einem so kreativ-aufgeweckten Pfarrsprengel geführt hat und überhaupt zum regionalen Alsterbund-Bund. Denn dafür steht ihr ja wirklich: für Bündnisse und Verbindung, für Kooperation untereinander – und auch mit dem Stadtteil.

So habt ihr mit all euren sagenhaft engagierten Menschen hier, mit euren Chören und Spatzen, GospelFire, VivaVoce, Paulinchen und Soulkids Brücken gebaut – zum guten alten Paul Gerhardt und zum guten neuen Popinstitut und noch neueren st moment. Danke für all die Ideen, die hier angepackt und all die Hände, die gereicht wurden. Und dank an all die, die in den vergangenen Jahrzehnten mit Weitblick und Arbeitseinsatz gewirkt und damit diese Gemeinde so lebendig gehalten haben. Mit Gottes Hilfe. Und mit jahrzehntelanger Kondition. Ja, kaum zu glauben, dass unter uns sogar jemand ist, die kürzlich ihr 75. Dienstjubiläum in dieser Gemeinde feiern konnte! Liebe Susanne Abegg, als Sie hier als Gemeindehelferin anfingen, 1948. da waren viele von uns noch gar nicht da. Umso schöner, dass Sie heute da sind – ein Segen sind Menschen wie Sie, die mit ihrer ganzen inneren Überzeugung gezeigt haben: Du meine Seele singe, dem welchen alle Dinge zu Dienst und Willen stehn.

Und so ist heute Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges aufs Feinste miteinander verwoben und feierlich verbunden. Dankbar schauen wir im Rückblick auf Sie, die in all den Jahren so viel vorangebracht haben – wie schön, lieber Pastor Moser, dass Sie heute mitwirken!

Zugleich geht der Blick nach vorn. Ein weiter Blick ist das aus dem hundertjährigen offenen Fenster, voller Neugier, wie es gelingen kann, mit der Kraft des Glaubens und der Zuversicht heute „das Leben zu gewinnen“, wie es im Predigttext heißt. „Denn wir gehören doch nicht zu den Menschen, die den Mut verlieren!“ heißt es weiter. Oder die gar „zugrunde gehen“ – allen medialen Abgesängen von Kirche oder gar C-Klassifizierungen zum Trotz.

„Vielmehr gehören wir zu denen, die Gott vertrauen.“ Und wirklich: Das strahlt ihr aus, dieses Vertrauen, dass das Leben nur darauf wartet, gewonnen zu werden. Und zwar #vollepulleleben.

Das Motto hat mir – wie wahrscheinlich euch allen – Lust gemacht. Es ist für ein Jubiläum so erfrischend wenig staatstragend. Und wann darf man schon mal als Bischöfin volle Pulle von Weißwein und Champagner predigen ...

Bis auf den klitzekleinen Webfehler, dass es sich bei Pullen gar nicht um gehaltvolle Flaschen handelt, die den Matrosen ins Wanken bringen, sondern ganz anders. Pullen stammt zwar aus der Seefahrt, durfte ich lernen, bedeutet aber nichts anderes als „rudern“ (englisch to pull: das Ruder ziehen). Wollte ein Kapitän damals auf einem Ruderboot, dass es schneller vorwärts geht, dann hat er das Kommando gegeben: „Volle pulle!“, also volles Ruder, gebt alles! Da ist noch so viel mehr/Meer zu entdecken!

Da ist noch so viel zu entdecken, #vollpulleleben – immer vorwärts, alle in einem Boot, das kann man hier nun wirklich live und in Farbe erleben. Ihr seid definitiv keine Leute, die in der Gefahr stehen, ihre Zuversicht aufzugeben. Im Gegenteil. Euer Schwung und eure Lebendigkeit beflügeln. Wie ein Traum, der durch die Realitäten tanzt, mit einer Leichtigkeit, die der Schwere dieser Tage etwas Kluges entgegensetzt: eben jenes tiefe Vertrauen, von dem der Predigttext spricht. Gottvertrauen, das der Angst, alles nicht mehr schaffen zu können, die Dominanz nimmt. Und wenn Lebensangst gebunden wird – mit jedem Ritual, jedem Goldmoment, jedem Segen geschieht das – dann geht, respektive pullt der Mensch tatsächlich befreit, aufrecht, geachtet weiter ins Leben, nach vorn. Da wo mehr ist.

Deshalb steht dies allem voran, auch im Predigttext: Werft euer Vertrauen nicht weg. Diese Kostbarkeit! Schützt es wie euren Augapfel. Geschrieben im Hebräerbrief, so ungefähr 90 nach Christus, großartig, wie das wieder passt. Und wahrscheinlich geschrieben von einem Gemeindevorsteher, einem klugen Christen, der sich in der Philosophie auskannte. Und der in den Kapiteln des Briefes dieses schöne Bild vom wandernden Gottesvolk auslegt. Das wandernde Gottesvolk durch die Zeiten ist seit jeher auf Veränderung gepolt, heißt das. Wir haben keine bleibende Stadt. Wir schlagen Zelte hier auf und bauen sie dort auch wieder ab. Und beides lohnt sich! So reiht sich eine Hoffnungsbotschaft an die andere. Ihr, die ihr immer wieder einen neuen Anfang zu machen vermögt, werdet friedensfindig sein. Gottes Liebe braucht euch und eure Dynamik, eure Geistesgegenwart, euer „Halleluja!“, um immer wieder neu auf die Erde zu kommen. „So habt Geduld“, fährt der Hebräerbrief fort, „damit ihr das Verheißene empfangt.“

Das alles sind helle Worte der Hoffnung in schwieriger Zeit. Und sie sind so nötig, damals wie heute. Denn wir merken es ja allerorten: Vertrauen und Zuversicht brechen immer mehr weg. In unserer Gesellschaft mit hoher Obdachlosigkeit – auch metaphysischer Obdachlosigkeit – und Armut an so vielen Orten, die wir oft nicht sehen. Vertrauensverlust zu und in der Politik, die hin und herschwankt, um es irgendwie richtig zu machen, auch mit dem Frieden. In der Kirche dito.

Und ja, diese Kriegs- und Krisenzeiten haben schon etwas mit den Menschen gemacht. Viele sind dünnhäutiger geworden, reizbarer, ungnädig, auch mit sich selbst. Die Töne werden immer schärfer in den so genannten sozialen Medien, in denen Enthemmte gnadenlos unsere Demokratie anzählen. Volle Pulle Misstrauen. Hass, der von Rechtsextremen gesät wird, und Sturm, den wir ernten könnten und der uns allen womöglich mächtig ins Gesicht blasen würde … wenn nicht, ja wenn wir uns nicht stets vor Augen halten, liebe Geschwister, dass wir immer noch die Mehrheit sind! Es ist die Mehrheit in diesem Land, die etwas weiß von Nächstenliebe und Solidarität, von Herzenswärme und Gemeinsinn. Die unsere Demokratie schätzt und schützen will. Wäre sie bloß lauter, diese Mehrheit.

Und deshalb: Werft euer Vertrauen nicht weg! Und eure Zuversicht behaltet. Wir werden irre ohne Zuversicht, sagte mir jüngst ein Mitglied des Bundestages. Also: Wir haben ordentlich zu tun, liebe Geschwister. Volle Pulle. Im gemeinsamen Boot. Gerade weil es nicht alles so locker ist im Moment, sondern herausfordernd. Auch für uns als Kirche. Und gerade auch für diese schöne Kirche hier!

Als C-Standort hat sie wohl kaum eine Chance, erhalten zu werden. Das ist so traurig. Und dennoch nicht nur das. Es beeindruckt mich, wie ihr in Würdigung all dessen, was hier mit diesem Zelt im Stadtteil aufgebaut wurde, wieder den Aufbruch wagt. „Alles steht auf dem Spiel, spielen wir also!“ so habt ihr es ausgedrückt. Denn ja, „wir gehören doch nicht zu den Menschen, die den Mut verlieren! Vielmehr gehören wir zu denen, die Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen.“

Ich stehe mit aufrichtiger Bewunderung davor. Denn klar gibt‘s schwierige Umstände und Widrigkeiten, wenn man – etwa als Kirchengemeinderat – die Verantwortung für große Gebäude, für Mitarbeitende, für einen Stadtteil mitträgt. Dabei innere Spielräume zu behalten, ist ja nicht einfach.

Apropos Spiel: Ein bisschen erinnert mich die Situation an die deutschen Basketballer. Die sind nämlich laut Potenzial-Analyse-System in Deutschland als Schlusslicht bei der Sportförderung bezeichnet worden, weil sie angeblich kein Potenzial hätten. Und? Wir haben es alle erlebt – vor zwei Wochen wurden sie Weltmeister.

Also: Bloß nicht die Zuversicht wegwerfen, sondern wie stets mit Paul Gerhardt „Geh aus, mein Herz“ singen. Und mit Kraft und Hoffnung der Zukunft euren Liebesmut hinhalten. Darin seid ihr auf jeden Fall Weltmeister, Weltmeister der Herzen, ihr Paul-Gerhardter!

Glückwunsch also zu 90 Jahren #vollepulleleben. Bleibt so glaubensstark und voller Zukunftsmut, bleibt sehnsüchtig! Getragen von Gottes Segen und Gottes Frieden, höher als alle Vernunft. Er bewahrt ja längst unser aller Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

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