22. November 2015 | Hamburg, St. Pauli-Fischmarkt

Allen zum Trost

22. November 2015 von Kirsten Fehrs

Andacht an der Madonna der Seefahrt am Ewigkeitssonntag

Liebe Brüder und Schwestern,

in herzlicher Verbundenheit zu Ihnen stehe ich hier an diesem Ewigkeitssonntag. Herzlich verbunden, weil mir noch so lebendig vor Augen steht, wie wir unter warmen Temperaturen einen ersten Seefahrergottesdienst in Altenwerder gefeiert haben, mitten im Containerterminal. Mit auch so schönen Shantys. Wir alle hatten feuchte Augen und waren gerührt, weil die Gemeinschaft so stärkend war. Auch für die Seeleute, die dabei waren. Wissen wir ja alle auch dies: In dieser Freien und Hansestadt Hamburg, die so stolz ist auf ihren Hafen, da werden die Seeleute leider oft übersehen.

Hier bei der Madonna ist das anders. Sie schaut hin. Sie weiß von der Trauer über die vielen Opfer, die der Ozean verschlungen hat. Seeleute. Fischer. Reisende mit Fernweh. Und sie weiß um die Mahnung, die in dem Schmerz liegt. Der Ewigkeitssonntag steht dafür. Und zugleich sagt er: Sieh, Gott hat der Trauer eine Schwester gegeben. Und das ist die Hoffnung. Auch sie stellt heute ihr Licht auf. Allen zum Trost.  

Die schönsten Worte der Bibel, die von Schwester Hoffnung erzählen, stehen in der Offenbarung: „Und siehe, ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und ich hörte eine Stimme, die sprach: Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein. Und Gott sprach: Siehe, ich mache alles neu.“

Und ich stelle mir vor, liebe Schwestern und Brüder, wie viele wohl genau hier am Hafenrand schon Tränen vergossen haben. Tränen des Abschieds, wenn das Schiff mit dem Liebsten an Bord am Horizont verschwand. Freudentränen des Wiedersehens, wenn er heil zurückkam und man ihn erleichtert in die Arme schließen konnte. Oder dann die bitteren Tränen der Verzweiflung, wenn die furchtbare Nachricht kam: Das Schiff ist untergegangen, keiner konnte gerettet werden. Und das passiert ja auch heutzutage, wir haben es eben gehört: Frachter, Fähren, Kreuzfahrtschiffe, Containerriesen – sie wirken auf uns so mächtig und sind ja doch letztlich kleine Metallbüchsen angesichts von Wellen und Sturm im mächtigen Ozean.

Wir gedenken hier heute all der Seemänner und der Fischer, die mit ihrem Schiff untergegangen sind oder an Bord gestorben. Wir gedenken der Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen und Fähren, die nach einer Havarie zu Tode kamen. Und wir gedenken ebenso der Flüchtlinge, die ertrunken sind, fast 3.000 waren es bislang in diesem Jahr allein im Mittelmeer.

Es ist gut, mit unserer Traurigkeit zur Madonna der Meere kommen zu können – seit  30 Jahren schon. Wie an einem riesigen Poller kann man bei ihr festmachen, damit die trauernde Seele nicht umherirrt und ein wenig Ruhe in das schwankende Gemüt einzieht. Ich danke den Cap Horniers, die damals die Initiative ergriffen haben, und ich danke dem Hamburger Hafen Verein und dem Verein der Kapitäne und Schiffsoffiziere, die das Gedenken an diesem Ort so treu bewahren und pflegen.

Eine Madonna, das ist ja ursprünglich die Maria. Meist trägt sie ihr Jesuskind im Arm – selig gleich nach seiner Geburt, zutiefst traurig gleich nach seinem Tod. Diese Madonna hier ist allein, weil ihr Kind fern auf See ist. Vielleicht betrachtet sie jeden, der auf den Meeren unterwegs ist, als ihr Kind. Und so wie sie dort steht und die Elbe hinabblickt, so unerschütterlich ruhig,  ist sie wie Schwester Hoffnung, die sagt: Wir werden uns wiedersehen, eines Tages. Und wenn es denn nicht in dieser Welt ist, dann eben in der kommenden. Eine Welt, in der der keine Angst mehr herrscht und in der Gott alle Tränen abwischen wird und in der Friede ist. Gottes Friede, höher als alle Vernunft inmitten dieser tobenden Welt. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

Zum Anfang der Seite