15. Tagung der II. Landessynode

Andacht zur Herbstsynode 2022

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt bei ihrem Vorrede zur Tagesordnung
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt bei ihrem Vorrede zur Tagesordnung© S. Hübner, Nordkirche

18. November 2022 von Kristina Kühnbaum-Schmidt

Morgenandacht von Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt zum Auftakt der Tagung am 17. November 2022. (Auszug, ohne Liedtexte und Vaterunser.)

Eröffnung

Wir gehören dem Schöpfer, nach dessen Bild wir alle geschaffen sind. In Gott atmen wir; in Gott leben wir. In Gott teilen wir das Leben der ganzen Schöpfung. 

Wir gehören Jesus Christus, dem wahren Ebenbild Gottes und der Menschheit. In ihm atmet Gott; in ihm lebt Gott. Durch ihn werden wir versöhnt. 

Wir gehören dem Heiligen Geist, der uns neues Leben schenkt und unseren Glauben stärkt. Im Geist atmet Liebe; im Geist lebt Wahrheit. Der Atem Gottes bewegt uns allezeit.

Wir gehören der Heiligen Dreieinigkeit. In Gott sind wir geschaffen, in Christus sind wir alle errettet, im Geist sind wir alle vereint.

Lasst uns beten mit Worten des 130. Psalms:

Aus der Tiefe rufe ich, Gott, zu dir. 
Gott, höre meine Stimme!
Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens!
 
Wenn du, Gott, Sünden anrechnen willst – wer wird bestehen?
Denn bei dir ist dieVergebung, dass man dich fürchte.
Ich harre auf Gott, meine Seele harrt, und ich hoffe auf sein Wort.
Meine Seele wartet auf Gott, mehr als die Wächter auf den Morgen;
mehr als die Wächter auf den Morgen
hoffe Israel auf Gott!
Denn bei ihm ist die Gnade und viel Erlösung.

Ansprache

I

Sehen, was kommen wird. Aussprechen, wohin die Reise geht. Die Verhältnisse beim Namen nennen. Ohne Furcht vor den Reaktionen der anderen. Ihrem beißenden Spott, ihrer Wut, ihrem verzweifelten Zynismus.

Verunglimpft und verspottet werden, bekämpft mit allen Mitteln, das ist das Schicksal von Sehenden schon immer gewesen. Von Sehenden, die aussprechen, was sie kommen sehen.

II

Unbequem sind die Sehenden. Sie sollen die etablierten Kreise, die sich über die Jahre gut eingerichtet haben, nicht stören. Sollen die Dinge nicht beim Namen nennen und auf Veränderung drängen, damit alles so bleiben kann, wie es ist. Als ob das überhaupt ginge. Ach, ihr Sehenden, durch die Jahrhunderte hindurch war da immer wieder der Versuch, euch zu zermürben, zum Schweigen zu bringen, nicht selten tituliert als überdrehte Weltuntergangsprophet:innen. 

Doch einen kommenden Weltuntergang zu prophezeien, ist nicht das Anliegen der Sehenden. Mehr als allem anderen gilt ihr klarer Blick der Gegenwart. Sehende sagen an, was jetzt ist, was gegenwärtig geschieht.

Sie sind Apokalyptiker im eigentlichen Sinn des Wortes - sie offenbaren, legen offen, was ist. Spekulieren nicht über die Zukunft, sondern sehen nüchtern die Gegenwart. Nennen die Verhältnisse beim Namen, in sehnsüchtiger Lebensliebe und mit der Hoffnung darauf, dass alles ganz anders, dass alles ganz und gar neu werden kann.

So auch der Seher Johannes.

Sein apokalyptisches Buch ist ein Enthüllungsbuch, eine echte Offenbarung, ein Buch, das die Wunden und Verwundungen seiner Zeit offen legt. Mit unbeirrbarer Hoffnung auf Gottes verwandelnde Liebe. Und darauf, dass sein anbrechenden Reich ganz nah ist. „Siehe“, so hört der Seher Johannes die Stimme des Menschensohnes im Buch der Offenbarung:

„Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. 
Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, 
zu dem werde ich hineingehen 
und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“

III

Ich stehe vor der Tür und klopfe an - Wie mag sich anhören? Vielleicht so: Tatatataaa - dreimal kurz, einmal lang - so, als ob das Schicksal an die Tür klopft? Unüberhörbar, drängend, unnachgiebig? So wie die ersten Takte aus Beethovens 5. Sinfonie? Sie werden oft in dieser Weise interpretiert: So klopft das Schicksal an die Pforte. Und alles, was dann kommt, steht unter diesem Vorzeichen, ringt mit diesem Eingangsmotiv. 

Drama menschlichen Lebens, Niederlage und Triumph, bis alles Dunkle am Ende aufgelöst, überwunden wird. Das Schicksal gemeistert. Sein unnachgiebiges Drängen in die Schranken gewiesen. Und das Gute gewinnt die Oberhand. Tatatataa - drei kurz, eines lang. Im Morsealphabet ist das die Tonfolge für den Buchstaben V. Die BBC, der britische Rundfunk, verwendete im Zweiten Weltkrieg genau diese Tonfolge  – den Buchstaben „V“ für Victory - als Erkennungszeichen. Ob ursprünglich so beabsichtigt oder nicht – die BBC nahm die Tonfolge der Sinfonie, die die Nationalsozialisten in Deutschland missbräuchlich als „Sinfonie der nationalen Erhebung“ für sich in Anspruch nahmen und deutete sie um. 

So pocht das Schicksal an die Pforte – hieß die Botschaft der BBC. Wir geben uns nicht geschlagen. Tyrannei und Terror werden überwunden. Wie wichtig es ist, mit solchem Willen und solcher Hoffnung nicht allein zu sein, dass machen uns derzeit insbesondere die Frauen im Iran deutlich.

Mich hat es berührt, wie wichtig es für sie ist,dass wir uns vor ein paar Tagen als Frauen in der Kirche in Leitungsverantwortung persönlich mit Gesicht und Statements mit ihnen und ihrem Protest unter der Überschrift Frau. Leben. Freiheit. solidarisch erklärt haben. Und dass das auch von Seiten der ganzen EKD-Synode erfolgt ist. An dieser Stelle, an dieser, hat die Synode ein bewusstes und klares, ein öffentliches Zeichen der Solidarität gesetzt.

Frauen. Leben. Freiheit.

Weil Frauenrechte Menschenrechte sind. Weil Freiheit und Würde allen Menschen zukommen, überall auf der Welt. Weil Gott auf die Stimmen der Unterdrückten hört. Weil seine Wahrheit sich zeigt und offenbart. Ja, es kann befreiend es sein, entgegen aller Gefahren bei der Wahrheit zu bleiben. Ja, es kann überlebenswichtig sein, dass es dann solidarische Anwält:innen der Wahrheit in finsteren Zeiten der Lüge gibt. Anwälte der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit – das sind auch die Feiertage dieser Woche, vom Volkstrauertag über den Buß- und Bettag bis zum Ewigkeitssonntag Sie stehen für das Aussprechen und Ansehen unbequemer Wahrheiten. Für offenes Benennen eigener Schuld und die Einsicht in eigenes Versagens. Im persönlichen, privaten Leben. In unserer Gesellschaft, unserem Zusammenleben. In unserer Kirche.

Sie stehen dafür, dass wir die Schreie nach Wahrheit und Gerechtigkeit hören. dass wir Schuld und Versagen benennen. Dass wir hoffen auf Vergebung und Versöhnung und ablassen von dem, was Leben erschwert, belastet, unmöglich macht. Und sie stehen dafür, dass wir Leid und Schmerz wahrnehmen. Unserer Trauer über Tod und Verlust Raum geben. Tränen fließen nach. Und durch den Tränenschleier hindurch das Licht der Liebe Gottes scheinen sehen. Die Hoffnung wach halten auf Christus, der alles Leben erhält und neu macht.

Die Feiertage dieser Woche orientieren uns neu. Damit wir umkehren, eingefahrene Beziehungen befreien vom Ballast zurückliegender Irrungen und Wirrungen, schuldhafte Verstrickungen auflösen. Sie stehen dafür, dass am Ende vielleicht nicht alles gut wird, aber dass Gott alles verwandeln und auf neue Weise gut machen wird. Von Grund auf. 

V

„Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. 
Wenn jemand meine Stimme hören wird  und die Tür auftun, 
zu dem werde ich hineingehen 
und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ 

Diese Worte sind eine Bitte. Eine Bitte um Beziehung. Sie sind eine Bitte, die Christus an uns richtet:  

Lass mich in dein Leben. Lasst mich in euer Leben. Lasst mich darin so zu Hause sein, wie einen sehnsüchtig erwarteten Besuch. Einen, mit dem man sich an den Tisch setzt. Isst, trinkt, redet. Im Gespräch darüber ist, was es heute und hier heißt, aus der Liebe Gottes zu leben. Denn dazu ist Christus gekommen. Um uns einzuladen. 

Er lädt uns ein, aus seiner Liebe zu leben. Er lädt uns ein, unsere Prioritäten neu zu bestimmen. Er lädt uns ein zur Umkehr. Zur Buße. Zur Vergebung. Zur Hoffnung. Zur Stärkung. Zum Sitzen an seinem Tisch. Zur Beziehung mit ihm.

"Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. 
Wenn jemand meine Stimme hören wird  und die Tür auftun, 
zu dem werde ich hineingehen 
und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir". 

Ach, lasst uns doch hören auf dieses Klopfen. Damit wir ihm, Christus, die Tür öffnen. Bereit zu Buße und Umkehr. Ohne Furcht vor Spott und Verunglimpfung. Sondern ausgerichtet an seiner Wahrheit und bemüht um Wahrhaftigkeit. Damit wir oft so Lieblosen seine Liebe werden. Barmherzig und gütig – und alles andere als blauäugig. Ach, lasst uns doch hören auf dieses Klopfen. Auf den bittenden Christus vor unserer Tür.

Amen.

Gebet

Kein Versteck und kein Verbergen,
kein Täuschen,
kein Verstellen ist,
wenn Du, Gott, kommst.

Die Masken fallen.
Das Zwielicht weicht.
Was vergessen war, liegt offen.

Sieh in die Winkel unserer Seele,
sieh auf die vernarbten Wunden, 

das abgespaltene Dunkel,
die Verletzungen, 

die niemals völlig heilten,
die Quellen unserer Schuld.

Wir rufen:

Herr, erbarme dich.
Sieh uns auf den Grund, 

wo das Gewissen nagt
und wir dürsten nach dir.
Sieh uns gnädig an und heile uns.
Wir rufen: 
Herr, erbarme dich.

Sieh in die dunklen Winkel unserer Welt,
dorthin, wohin die Kameras nicht reichen
und woher keine Stimme zu uns dringt,
auf das unbekannte Elend,
auf die Totgeschwiegenen,

auf die Verschwundeten und Verschleppten,
die mit keiner Öffentlichkeit rechnen können,
auf die namenlosen, 

nie identifizierten Opfer der Kriege.
Sieh uns gnädig an und heile uns.
Wir rufen: 
Herr, erbarme dich.

Sieh in die Keller des Vergessens,
in die Archive der Verbrechen.
Sieh dorthin,
wo verschwiegen wird und verschleiert,
wo Gewalt sich tarnt als Unwissenheit,
wo Mord sich als Gerechtigkeit gibt,
wo Selbstnutz sich als Verantwortung maskiert,
wo Schuld verdrängt wird und kein Mitleid ist.
Sieh uns gnädig an und heile uns.
Wir rufen:
Herr, erbarme dich.

Sieh auf das Leiden deiner Geschöpfe,
höre das Seufzen unserer Mitgeschöpfe,
sieh, was wir nicht sehen und wahrhaben haben,
weine um das, was für immer verloren geht,
scheinbar bedeutungslos
aber kostbar und wertvoll 
in deinem Kosmos.
Sieh uns gnädig an und heile uns.
Wir rufen:
Herr, erbarme dich.

Wir bitten dich, Gott,
komm du zu uns mit deinem Geist, damit
die Schöpfung aufatmet
und die Zerstörung der Natur endet,
damit die Fruchtbarkeit deiner Erde bleibt,
und das Recht fließt wie Wasser.

Sieh uns gnädig an und heile uns.
Herr, erbarme dich.

Komm du zu uns in deinem Geist,
damit unsere Kinder Zuversicht haben
und wir klug werden,
damit wir auf dich hören
und deine Gebote achten,
damit dein Wort laut wird.

Sieh uns gnädig an und heile uns.
Herr, erbarme dich.

Komm, Gott, komm
und bring ans Licht,
wer wir wirklich sind und was uns treibt.
Komm, sieh und lass uns sehen
die Wahrheit unserer Schwäche und 
das klare Licht deiner Liebe.
Komm, du Ewiger und verwandele uns.

Segen 

Geht in der Kraft des Heiligen Geistes, die euch geschenkt ist. Geht einfach, geht leichtfüssig, geht zart. Haltet Ausschau nach Liebe und Barmherzigkeit. Gottes Geist geleite euch! So segne und behüte dich Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist

Amen.

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