Ansprache zu Einweihung der Friedensglocke Crivitz
08. August 2020
Sehr geehrte Frau Ministerin Hoffmeister, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Brusch-Gamm, sehr geehrter Herr Schmidt als Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, lieber Helmuth Schröder, liebe Gäste,
Es ist der 5. August 1945, abends um 22.30 Uhr. Militärpfarrer William Downy faltet die Hände und betet: „Allmächtiger Vater, der du die Gebete jener erhörst, die dich lieben. Wir bitten dich, denen beizustehen, die sich in die Höhen deines Himmels wagen und den Kampf bis zu unseren Feinden vortragen. Mögen die Männer, die in dieser Nacht den Flug unternehmen, sicher in deiner Hut sein, Amen."
Niemals ist der Name Gottes katastrophaler missbraucht worden als bei diesem Gebet. Gerade ist der Fernbomber des Typs B 29 getauft worden, als Pfarrer Downy das Wort ergreift und um Gelingen des ersten Abwurfs einer Atombombe bittet. Der Pfarrer denkt vor Gott an den Piloten Paul Tibbet, der gleich starten wird, er denkt an den amerikanischen Sieg. Woran er nicht denkt: Die Opfer der Bombe. 70.000 Menschen werden kurze Zeit später in Hiroshima sofort sterben und weitere Tausenden fürchterlich entstellte Opfer, die die Toten beneiden. Zigtausende, die noch Jahrzehnte nach diesem dunklen Tag der Menschheitsgeschichte an den Spätfolgen des Abwurfs leiden und sterben.
Mit seinem Gebet hat Pfarrer Downy keinen Geringeren verraten als Jesus von Nazareth, der sagte und es auch lebte: „Liebet eure Feinde!“ Wie kann ein Geistlicher sich auf den christlichen Glauben beziehen, der für den Erfolg der dramatischsten Todesmaschinerie betet? Jesus ging seinen Weg der Gewaltlosigkeit so weit, dass er sich ohne Gegenwehr gefangen nehmen, foltern und unschuldig hinrichten ließ. Doch viele seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger wollten das nicht verstehen. Sie zogen und ziehen in Kriege, bauen und verbreiten Waffen, setzen auf Gewalt statt auf friedliche Konfliktlösung.
Sie, liebe Crivitzerinnen und Crivitzer, setzen heute ein deutlich anderes Zeichen. Mit der „Mayors for peace“- Flagge zeigen Sie, sehr geehrte Frau Brusch-Gamm, dass Sie eine Bürgermeisterin des Friedens sein wollen und damit mit denen eines Geistes sind, die sich seit 1982 ausgehend von Hiroshima für Frieden und Abrüstung einsetzen, insbesondere aber für die Ächtung und Abschaffung aller Atomwaffen. Die Vision der „Mayors for peace“, dass die Welt 2020 atomwaffenfrei sein möge, ist gescheitert. Und es ist bitter heute eingestehen zu müssen, in einem Land zu leben, in dem selbst einsatzbereite Atomwaffen lagern und das deswegen nicht bereit ist, dem Atomwaffenverbotsvertrag der UN beizutreten.
Aber wir leben in einem freien Land, in dem wir uns dafür einsetzen können, Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden, ohne Nachteile befürchten zu müssen.
Und so beglückwünsche ich Sie zu Ihrer Friedensglocke. Allen, die auf den heutigen Tag zugearbeitet haben, mitgedacht, vorbereitet, gespendet haben, danke ich von Herzen, ganz besonders dir, lieber Helmuth. Gleich werden wir die Glocke hören, zwölf Schläge, angeschlagen mit den Klöppeln der alten Crivitzer Glocken, die 1942 eingeschmolzen wurden. Zu Kriegszwecken eingeschmolzen!
Niemals mehr soll Glockenmaterial missbraucht werden für Kriegszwecke. Niemals mehr soll der Name Gottes missbraucht werden, wenn andere Menschen getötet werden.
Die Crivitzer Friedensglocke soll erklingen für Frieden, Verständigung und Versöhnung. Wir verneigen uns am heutigen Tag vor den Opfern von Hiroshima und Nagasaki, die vor 75 Jahren ihr Leben lassen mussten, verstümmelt und verstrahlt wurden mit Folgen bis heute. Wir verbinden uns mit allen Menschen weltweit, die sich für friedliche Konfliktlösungen einsetzen, für Abrüstung und Ächtung der Atomwaffen. Wir sind dankbar für 75 Jahre Frieden in unserem Land.
Der Herbst 1989 ist uns dabei ein Vermächtnis, an den uns die Tafel erinnern soll, die nachher enthüllt werden soll. Der Ruf „Keine Gewalt!“ wurde gehört. Der fundamentale Wandel geschah durch Kerzen und Gebete, durch friedliche Aktion und Demonstration. Gerade in der Gewaltlosigkeit lag die Kraft der Menschen, die 1989 in die Kirchen und auf die Straßen strömten.
Möge Gott schenken, dass der Klang dieser Glocke Menschen zum inneren und äußeren Frieden führt! Möge Gott Crivitz segnen, alle seine Bewohnerinnen und Bewohner und seine Gäste! Möge er all denjenigen Menschen Kraft und Durchhaltevermögen geben, die sich für Frieden und Versöhnung engagieren! Möge er uns den Frieden bewahren und all denjenigen Frieden schenken, die unter Krieg, Verfolgung und Gewalt leiden!
Jetzt ist genug gesagt. Nun soll sie das erste Mal erklingen, die Crivitzer Friedensglocke. Ich danke Ihnen.