25. September 2021 | Hauptkirche St. Petri, Hamburg

Ansprache zur Übergabe der Erntekrone

25. September 2021 von Kirsten Fehrs

Liebe Erntedank-Gemeinde,

alle Jahre wieder – Erntezeit. Zeit der Fülle, der Gerüche, des Genusses. Zeit der Farbenpracht mit Tracht, Zeit für Musik und Feierlichkeit. Und alle, die ernten, ja, vielleicht sogar viel ernten konnten, erfüllt diese tiefe Dankbarkeit, dass wir in unserem Leben so reich beschenkt werden. Ja, wir sind privilegiert, schaut man sich um in Land und Welt. Zugleich könnte heute auch Erschöpfung mitschwingen, weil es wieder ein Jahr war, das allen viel abverlangt hat.

Dennoch: Die Erntekrone ist wieder herrlich geworden, liebe Landfrauen. Schon zum 25. Mal tragen Sie sie mitten in die Stadt und mitten in den Senat, lieber Umweltsenator Jens Kerstan, willkommen hier! Es ist eine wunderschöne Tradition, auf die ich mich jedes Jahr freue. Danke, dass ich jetzt schon zum zehnten Mal dabei sein darf.

Danke sagen – gerade in der Pandemie ist es mir immer wertvoller geworden. Denn wirklich nichts in unserem Leben kann ich als selbstverständlich hinnehmen. Vielmehr ist uns doch noch einmal mehr bewusst geworden, wie verwundbar unser Leben und unsere Schöpfung sind. Wetter und Klima verändern sich, immer rasanter und immer extremer. Wir haben die Bilder des Ahrtals vor Augen. Diese Unwetterkatastrophe ist uns hautnah gerückt, auch wenn wir immer wussten, dass weltweit die Klimafolgen bedrückend sind. Zugleich durften wir erleben: Unser Land kann Solidarität. Sie alle ja auch. „Meine“ Hamburger Landfrauen haben den betroffenen Landfrauen vor Ort großartig geholfen und Spenden gesammelt. Direkt und ohne Umwege. Ich danke Ihnen von Herzen dafür.

Alle spüren wir die Veränderungen und für Landwirtinnen wird dies zunehmend auch zur existentiellen Frage. Allemal wenn eine EU-Subventionspolitik vor allem Masse statt Qualität und schonendes Wirtschaften belohnt. Und so steigt der Druck. Wenn eben nicht wächst und gedeiht, weil der Regen ausbleibt und der Boden dörrt. Oder weil der Regen in Strömen fällt. Weil Frost in die Blüte fährt, die sich im Februar schon von der Wärme locken ließ. Oder weil die Biene fehlt, um eifrig zu bestäuben.

Ungewisse Erträge belasten die Landwirte und auch der bange Blick in die Zukunft. Wer wird von den Kindern den Hof übernehmen? Ist mit einem kleinen Betrieb die Familie überhaupt noch zu ernähren, selbst wenn alle mit anpacken? Hier droht etwas wegzubrechen, liebe Gemeinde, was jahrhundertelang die Landschaft geprägt hat und die Gesellschaft auch. Heißt: Ohne faire Preise und Bedingungen hat die regionale Landwirtschaft keine Perspektive. Daher ist eben nicht egal, wo und was wir einkaufen.

Es ist auch an unserer Stadtgesellschaft, die Leistung unserer Landwirte zu würdigen, die für uns alle große Risiken tragen. Jemand muss Obst, Gemüse und Getreide, das wir essen wollen, ja anbauen, hegen und pflegen. Und irgendwo muss es auch in Zukunft wachsen können. Denn immer mehr wertvolles Ackerland wird asphaltiert oder zubetoniert. Haben sie das Heiliggeistfeld vor Augen? Jeden Tag werden in Deutschland drei solcher Flächen versiegelt. Damit geht pro Jahr eine Fläche verloren, auf dem so viel Getreide angebaut werden könnte, um ganz Hamburg mit Brot zu versorgen.

Und wenn wir über den eigenen Tellerrand schauen, ist längst klar, wie lebensbedrohend die Auswirkungen der Klimakrise und die Konflikte um Wasser, Nahrung und Land im globalen Süden jetzt schon sind.

Vor der Tür dieser Kirche finden wir die Aufschrift: WIR ALLE 1,5 Grad. Die jungen Menschen von „Fridays for Future“ frischen die Farbe immer wieder auf. Denn es muss dringlich bleiben. Es muss schneller und konsequenter gehen mit der Verringerung des CO2-Ausstosses, sagen sie. Weltweit, genauso wie konkret hier vor Ort, müssen die Weichen anders gestellt werden. Jetzt. Um vielleicht wieder etwas ins Lot zu bringen, was aus den Fugen ist. Vor uns allen liegt also, ums rechte Maß zu ringen, demokratisch und ehrlich zu versuchen, Interessen auszugleichen und vor allem Verantwortung zu übernehmen für die, die nach uns kommen. Und für die, die in der Ferne leben und doch auch unsere Nächsten sind. Ich denke, uns allen ist bewusst, wie groß die Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein wird, die morgen gewählt wird. Bitte auch von Ihnen.

Nicht umsonst haben gestern die jungen Menschen in vielen Städten demonstriert. Kräftig und laut und stark. Auch in Hamburg, die Kirche mittenmang. „Churches for Future“ – das Engagement finde ich richtig. Nicht allein als Unterstützung der Klimaschutz-Bewegung. Sondern auch mit der Selbstverpflichtung, für Nachhaltigkeit im „eigenen Laden“ noch viel intensiver einzustehen!

Wir sind wach gerüttelt. Gut so. Das zeigt sich auch darin, dass bei vielen jungen Familien die Sehnsucht nach Land und Garten wächst, gerade in der Stadt.

Also geht‘s in den Kleingarten. Und da ist Natur ein völlig neues Erlebnis. Verzückte Kinder, die ihre erste Radieschenernte feiern. Gartenzwerge – buchstäblich, die Kartoffeln ausbuddeln und die das lieben! Glücklich, wer noch bei Oma gelernt hat, erstes Möhrengrün von Vogelmiere zu unterscheiden.

Es ist letztlich nichts anderes, als was Psalm 104 meint: „Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ Staunend sieht der Psalmbeter, fast wie ein Kind, welch Wunder das Leben ist. Denn Leben, das ist ja mehr als Saat, Sonne, Regen und Fotosynthese. Leben entsteht und wächst, man weiß gar nicht genau, wie. Das hast du eben nicht in der Hand wie so vieles sonst. Es ist ein Geheimnis, ein Wunder – da kannst du nur staunen. Und dich anvertrauen. Sag ich‘s in Platt: „Gott is bi di. Wees man nich bang! Staht Wulken üm di noch so drang, laat suusen, bruusen Storm un Wind; de starke Gott helpt wiß sien Kind.“ und dann: „Toletzt maakt he di froh un frie. Wees man nich bang! Gott is bi di.“ – Hab keine Angst. Und du wirst froh werden und frei. Gott ist bei dir.

Säen und ernten. Sonne und Wind. Blühen und Welken. Das ist nicht nur der Kreislauf der Natur, sondern auch Sinnbild für den Lauf unseres Lebens: Ein erster Sonnenstrahl, der den Boden wärmt – wie ein Licht, das uns mitten ins Herz fällt und unsere Seele wärmt. Das Samenkorn, das in die Erde gelegt wird – wie unsere Hoffnung auf etwas, das wir noch gar nicht sehen können. Sattes Grün auf den Feldern – wie unser Gefühl, mitten im Leben zu stehen. Das verheerende Unwetter, das die Ernte zerstört – wie ein Unglück, dass uns den Liebsten nimmt. Im Herbst dann der Korb gefüllt mit köstlichen Früchten – wie im Herbst des Lebens ganz erfüllt zu sein, reich beschenkt mit den Früchten des Lebens, lebenssatt.

In allem ist Gott bei dir. Lass dich also nicht bange machen. Darauf läuft es zu, das ist die Hoffnung, auf die wir trauen dürfen. „Wees man nicht bang“, Gott macht uns stark, gerade jetzt in den krisenhaften Zeiten. „Gott is bi di.“ In den brausenden Stürmen genauso wie in den zarten Liebesnächten. Und dann, ja dann bist du doch froh? Und frei.

Durch seinen Frieden, höher als alle Vernunft. Er bewahrt jeden Augenblick unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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