Auf dem Boden gemeinsamer Werte
27. November 2015
Andacht zum Treffen Landwirtschaft
Die Losung für den heutigen Tag ist genau das erste Wort des Psalms, den wir eben gemeinsam gebetet haben:
„Ich will den Herrn loben allezeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.“ – Und das, liebe Landwirtschafts-Kirche-Dialog-Gemeinde, das haben wir am 4. Oktober ausführlich getan, hier in der Friedenskirche Siek. Mit Gospelchor und Saxophon, mit Gesang und Gebet, mit dem vollen Programm. Gott danken und Gott loben für eine gute Ernte - auch für eine sagenhafte Gemeinschaft aller hier an diesem Ort – dazu hatten wir allen Grund.
Doch die Welt dreht sich weiter. Was ist nicht alles passiert in den sechs Wochen, die seither vergangen sind! Die Kriege und Konflikte auf der Welt haben zugenommen, noch mehr Menschen müssen aus ihrer Heimat fliehen – und dann der Terror, die Anschläge in Paris und an so vielen anderen Orten dieser Welt! An der globalen Verunsicherung merken wir: der Terror zielt direkt auf alles, was der Mensch braucht, um zu leben: Geborgenheit und Heimat, Normalität und Lebensfreude, Freundschaft und Freundschaftsspiele. Er zielt buchstäblich mit Kalaschnikows auf das, was uns wichtig ist, um es zu zerstören.
Vielfach ist seither betont worden, dass wir unsere Werte bewahren müssen. Ich möchte das heute unterstreichen. Lasst uns mit beiden Beinen fest auf dem Boden bleiben. Humilitas nennt man das in der christlichen Tradition: Demut. Humus ist darin enthalten. Weltzugewandt und mit Demut gilt es, festzuhalten an unserem Zutrauen zu Friedensgebet und Nächstenliebe, unbeirrbar. Humilitas – das heißt: Bleiben wir auf dem Teppich, bleiben wir besonnen und bleiben wir beieinander in unserer Haltung als Christen: unerschütterlich offen, herzlich, dialogisch, interreligiös, kultursensibel, mutig und hoffnungsstark. Terror und Hass – sie werden nicht das letzte Wort haben.
Humilitas – das heißt auch: zusammen auf dem Boden gemeinsamer Werte stehen. So wie bei einer Kundgebung vor zwei Wochen in der Hamburger Innenstadt. Es war ein so ermutigendes Zeichen, dass die Religionen, Konfessionen, Parteien, Gewerkschaften und Verbände aller Art zusammen gestanden haben: Für Freiheit, Demokratie, für Menschenrecht und Geschwisterlichkeit.
Festen Boden unter den Füßen behalten und sich nicht ängstigen lassen. Auch davon spricht der Psalm, den wir eben gebetet haben: Gott errettete mich aus meiner Furcht. – So muss man diese alten Psalmen verstehen: dass das Lob nicht über das Elend hinwegträllert, sondern ihm Raum gibt. Und dabei deutlich macht, wofür man steht. Auch, was einen trägt und was einem tatsächlich Grund gibt zu danken.
Denn das gibt es. Nicht allein zu Landeserntedankfesten! Wir sind ja ein gesegnetes Land, liebe Brüder und Schwestern. Mit gutem, fruchtbaren Boden! Der Ackerboden ist im buchstäblichen Sinne die Grundlage unseres Lebens. Er wurde uns Menschen anvertraut, damit wir ihn bebauen und bewahren. Die Landwirte haben die große Aufgabe, dieses Erbe für die kommenden Generationen zu bewahren – als Kirche möchten wir sie darin stärken, begleiten und würdigen, was sie für unser Land tun. Wir sind ein gesegnetes Land, nämlich ein Land – mir als Dithmarscherin ist das von Kind an so selbstverständlich – zwischen den Meeren, mit so viel Wasser – auch von oben.
Doch wie wenig selbstverständlich das ist, ist mir noch einmal besonders bewusst geworden bei meiner Reise nach Jordanien, kurz nach dem Erntedankfest. Ich habe dort Flüchtlingslager besucht. 80.000 Menschen in einer Zelt- und Containerstadt in der Wüste. Dort wächst fast gar nichts. Es mangelt an Lebensmitteln, aber vor allem auch an Wasser. Und mir ist dort eindrücklich der Zusammenhang deutlich geworden in unserer Welt, die so klein geworden ist: Wenn die 80.000 Menschen im Lager und all die anderen Flüchtlinge in Jordanien nicht genug zu essen – und zu wenig Wasser! - haben, dann bleibt ihnen als einzige Chance wirklich nur die Flucht nach Deutschland. Das allerdings ist kein unabwendbares Schicksal. Die Völkergemeinschaft muss und sie könnte dort helfen, in Jordanien und dem Libanon und der Türkei. Sie könnte nämlich mit relativ wenig Mitteln viel für die Landwirtschaft – und das heißt: etwas für eine stabile Infrastruktur der Länder tun!
Wir leben in einer Welt mit unmittelbaren Zusammenhängen. Mit viel Grund zum Dank und mit viel Jammer. Deshalb gehört im Leben beides zusammen: das Lob und das Mitgefühl. Auch davon spricht der Psalm. „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“ Aus dieser Zusage leben wir. Damit wir Mut fassen. Uns nicht einschüchtern lassen. Sondern unseren Boden bestellen, unbeirrt. Vielleicht demütiger, wenn wir bedenken, wie gut es uns hier geht. Sicherlich aber auch fröhlicher, wenn wir entdecken, wie wir teilen können.
Dazu passt schließlich der Lehrtext zur Losung heute: Leidet jemand unter euch, der bete. Ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen. Guten Mutes – das ist jetzt dran. Nicht so wie das berühmte Pfeifen im Keller. Sondern guten Mutes, weil wir nicht allein sind, wenn wir leiden, wenn wir beten, wenn wir den Frieden ersehnen und wenn wir unseren Boden retten. Auch dazu sind wir hier – reden, um zueinander zu kommen und beieinander zu bleiben. Dazu segne uns Gott - und gebe uns den richtigen Ton, den nächsten Psalm zu singen.
Amen.