Sprengelbericht Hamburg und Lübeck

Bischöfin Fehrs: „Nur zusammen werden wir den Destruktionen unserer Zeit etwas entgegensetzen können“

Bischöfin Kirsten Fehrs hält ihren Bericht aus dem Sprengel Hamburg und Lübeck.
Bischöfin Kirsten Fehrs hält ihren Bericht aus dem Sprengel Hamburg und Lübeck.© Henning Angerer, Nordkirche

22. November 2025 von Melanie Köhne

Am heutigen letzten Sitzungstag (22. November 2025) der 3. Tagung der III. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) hielt Bischöfin Kirsten Fehrs ihren Bericht aus dem Sprengel Hamburg und Lübeck.

Travemünde/Hamburg. In ihrem Sprengelbericht führte Bischöfin Kirsten Fehrs aus, dass sich derzeit alles Tun und Wirken der Kirche vor der langen Liste der bedrohlichen Krisen dieser Zeit lesen lassen müsse. „Als Kirche sollten wir uns fragen lassen: Was habt ihr beizutragen? Woher kommt eure Kraft? Wie sieht eure Liebe aus? Und worauf gründet sie? Wie widerständig seid ihr? Und worin seht ihr euren Auftrag, wenn doch auch eure Möglichkeiten weniger werden, finanziell und personell?“, so Fehrs. Mit Blick auf ihren Sprengel Hamburg und Lübeck stellte sie fest, dass es eines gäbe, was alle erfolgreichen Projekte und alle segensreiche kontinuierliche Arbeit vor Ort verbinde: Zusammenarbeit. „Was gelingt, gelingt zusammen. Das ist keine wirklich neue Erkenntnis, klar, aber wir leben in einer so hochindividualisierten Zeit mit stark narzisstischen Strömungen, dass es gut ist, sich daran zu erinnern. Nur zusammen werden wir den Destruktionen unserer Zeit etwas entgegensetzen können und die Spur der Verheißung lebendig halten.“ Mit diesem impliziten Appell stellte die Bischöfin exemplarisch Beispiele des Gelingens aus ihrem Sprengel vor.

Neue Sozialräume erschaffen

Im Sommer dieses Jahres wurde in Altona das Trinitatis Quartier eröffnet – ein neues, lebendiges Stadtquartier mit Wohnraum für ehemals obdachlose Menschen, Kita, Pilgerherberge und Nachbarschaftscafé, das aus einer Kooperation von Kirchenkreis, Stadt, Bezirk und vielen weiteren Partnern hervorgegangen ist. Auch das neue Diakoniehaus im Münzviertel, das ab dem kommenden Frühjahr Wohnraum für 31 obdachlose Menschen und eine medizinische Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung bieten wird, ist ein Beispiel dafür, wie gemeinsame Verantwortung konkrete Hilfe ermöglicht. „Hier wird Kirche in Gestalt ihrer Diakonie glaubwürdig, die gerade in Menschen in Not das Gesicht Gottes erkennt und hilft, wo die Not am größten ist“, betonte die Bischöfin.

Kirchengebäude als Baudenkmäler erhalten

Ein starkes Zusammenwirken von Kirche, Stadt, Land und Bund sowie privaten Spenderinnen und Spendern zeige sich auch beim Erhalt der historischen Altstadt-Kirchen in Lübeck. Bischöfin Fehrs berichtete vom Besuch von Ministerpräsident Daniel Günther im Dom zu Lübeck, der sich über die anstehenden Baumaßnahmen vor Ort informierte, ebenso wie vom großen Erfolg der Stiftung 7Türme+, die im Mai offiziell gezeichnet wurde. „Die Stiftung konnte in einem von Vielen getragenen Kraftakt 20 Mio. Euro Bundesmittel durch weitere 20 Mio. Euro Spendengelder aufstocken. Das ist großartig. Und doch gleichzeitig nur ein Anfang. Der Erhalt der kulturprägenden Kirchengebäude ist eine herausfordernde Daueraufgabe. Nicht nur in Lübeck.“

Demokratie stärken

„Nur zusammen sind wir auch stark genug, unsere Demokratie zu verteidigen“, so die Bischöfin in ihrem Bericht. Eindrücklich zitierte sie den Publizisten Michel Friedman, der am 07. Oktober in einer öffentlichen Rede vor dem Berliner Parlament die Frage stellte: Können Sie mir garantieren, dass ich in fünf bis zehn Jahren noch in einer Demokratie lebe? „Die Demokratie hat viele, hochaggressive Gegner. Es gibt in unserem Land Menschen, die sich herausnehmen zu bestimmen, wer ein Mensch ist und wer nicht, die das Recht des Stärkeren anstelle eines regelbasierten Miteinanders durchsetzen wollen – auch mit Gewalt.“ Im Angesicht dieser wachsenden Bedrohung hätte sich beispielsweise die Kirchenkreissynode Lübeck-Lauenburg mit Populismus, Extremismus und Rassismus als Schwerpunktthema auseinandergesetzt. Vor der vorgezogenen Bundestagswahl wären zudem zahlreiche Kantoreien, Posaunen- oder Kinderchöre einem innerkirchlichen Aufruf gefolgt und hätten auf öffentlichen Plätzen sichtbar für Vielfalt und Toleranz musiziert. Und sowohl in der Hauptkirche St. Nikolai als auch im Haus der Kirche in Niendorf wurden Gäste aus der Politik für die politische Kanzel im Kirchenkreis Hamburg-Ost ebenso wie für den Wahl-Showdown im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein zum Dialog gebeten. „Hamburg und Lübeck immer mittenmang“, würdigte die Bischöfin.

Kirche neu aufstellen

Während zeitgleich in allen drei Kirchenkreisen des Sprengels neue Strukturen diskutiert würden, um die kirchliche Arbeit zukunftsfähig aufzustellen, stellte Bischöfin Fehrs klar: „Noch ist nichts beschlossen, noch wird alles ergebnisoffen in verschiedenen Formaten diskutiert. Aber was diskutiert wird, sind einschneidende Veränderungen, die Anpassungen des Körperschaftsrecht der Nordkirche nach sich ziehen könnten.“ Diese Prozesse seien intensiv, auch kräfteraubend. „Aber sie setzen auch Kräfte frei, weil sie Wege eröffnen, zusammen in die Zukunft zu gehen, mit angepassten Strukturen, die unsere spirituelle und diakonische, unsere pädagogische und seelsorgende, unsere interreligiöse und ökumenische Arbeit weiter ermöglichen und im besten Fall stärken.“

Zukunftsblick voll Hoffnung

Abschließend blickte Bischöfin Fehrs auf das Projekt GAIA, die eindrückliche Kunstinstallation einer von innen beleuchteten, sich drehenden Weltkugel, die sieben Wochen lang im Rahmen einer internationalen Nachhaltigkeitskonferenz, der Hamburg Sustainability Conference, im Kirchenhimmel der Hauptkirche St. Katharinen schwebte. „Der Blick auf GAIA, die unfassbare Schönheit unserer Erde und ihrer Bewohner, macht nicht nur dem Kopf, sondern auch dem Herzen klar, was auf dem Spiel steht und warum es aller Mühe wert ist, weiterhin zusammen an einer menschenfreundlichen und nachhaltigen, an einer friedlichen und gerechten Zukunft zu arbeiten. Ganz im Sinne vom Reich Gottes, das mitten unter uns ist im Hier und Jetzt. Trotz allem.“

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